Zeitumstellung:Für immer Sommerzeit

Zeitumstellung: In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird die Uhr auf Sommerzeit umgestellt.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird die Uhr auf Sommerzeit umgestellt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Umstellung der Uhren im Frühjahr und Herbst bringt wirtschaftlich keinerlei Vorteile. Zeit für eine Reform.

Von Korbinian von Blanckenburg

An diesem Wochenende werden die Uhren wieder um eine Stunde vorgestellt. Das bedeutet nicht nur eine Stunde weniger Schlaf, sondern auch die Wiederkehr der alten Debatte über das Für und Wider der Zeitumstellung. Die Debatte ist durchaus berechtigt, denn die Umstellung der Uhren ist nicht nur lästig, sie hat auch negative wirtschaftliche Konsequenzen.

Versuche, die Zeitumstellung abzuschaffen, gibt es immer wieder. So wollen die balearischen Inseln (Mallorca, Ibiza und andere) von diesem Jahr an am liebsten für immer bei der Sommerzeit bleiben. Ihr Argument: Man spart durch eine ausschließliche Sommerzeit Strom. Ob dem Antrag stattgegeben wird, muss demnächst die Europäische Union entscheiden. Die Türkei als Nicht-EU-Mitglied hatte sich bereits im vorigen September entschieden, bei der Sommerzeit zu bleiben. Damit verabschiedete sich das Land von der Winterzeit und wechselte auf diese Weise de facto die Zeitzone.

Auch in Deutschland gibt es immer wieder Bestrebungen, die Umstellung abzuschaffen und in einer Zeit zu bleiben. Die Sommerzeit wurde in der Bundesrepublik 1980 eingeführt. Grundlage ist das "Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (EinhZeitG)", außerdem die Sommerzeitverordnung (SoZV). Hier wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, zum Zweck der "besseren Ausnutzung der Tageshelligkeit und zur Angleichung der Zeitzählung an diejenige benachbarter Staaten" eine Zeitumstellung durchzuführen. So viel zum Hintergrund.

Einige negative Folgen sind bekannt: Erhöhte Unfallzahlen am Morgen nach der Zeitumstellung, verpasste Flüge und Züge, Kinder, die nach der Zeitumstellung mindestens eine Woche lang unausgeschlafen sind, weil sie eigentlich länger schlafen würden. Dies führt nicht nur häufig zu schlechter Laune, sondern am Ende auch zu weniger produktiven Eltern - alle müssen sich erst mal an die Zeitumstellung gewöhnen.

Zusätzlich lassen sich nach dem Wechsel zur Winter- oder Sommerzeit signifikant mehr Arztbesuche feststellen, die Nachfrage nach Psychopharmaka steigt, und deutlich mehr Menschen als sonst klagen über Schlafstörungen. Auch Tiere haben Probleme mit der Umstellung; so muss beispielsweise die Fütterung bei Milchkühen relativ langsam an die Uhrzeiten angepasst werden. Eine schnelle Umstellung von Melkzeiten führt sonst zu einem spürbaren Rückgang der Milchleistung. Auch für viele Unternehmen ist die Zeitumstellung jedes Mal aufs Neue mit hohen Umstellungskosten verbunden. So gibt es gerade bei Energieversorgern regelmäßig Sonderschichten zu Zeitumstellungszeiten. Jede zeitrelevante Software und Konfiguration durchläuft bei der Zeitumstellung eine Art Stresstest. Häufig kommt es dabei zu Problemen.

Haushalte verbrauchen am meisten Strom in den Abendstunden

Der wichtigste Aspekt der Umstellungsdebatte ist aber der Energieverbrauch. Befürworterinnen und Befürworter der regelmäßigen Zeitumstellung argumentieren, dass die Tageshelligkeit besser genützt wird und auf diese Weise Energie gespart werden kann. Gegner behaupten dagegen, dass sich Energieeinsparungen kaum feststellen lassen, sehr wohl aber die enormen administrativen Kosten (Umstellung von Uhren, Tagesplänen, Fahrplänen).

Doch wie viel sparen wir wirklich? Um Energieersparnis zu berechnen, muss man sich zunächst den Stromverbrauch genauer anschauen. Nachts ist der Verbrauch am geringsten, von 5.30 Uhr an steigt er dann langsam. Ungefähr um 7 Uhr gibt es eine kleine Spitze, danach geht es moderat weiter. Erst gegen 18 Uhr steigt der Verbrauch wieder, etwa um 20 Uhr ist das Maximum zu beobachten. Dieses Lastprofil bleibt im Prinzip das ganze Jahr über ungefähr gleich und hängt wohl maßgeblich mit dem Arbeits- und Freizeitverhalten und damit auch mit der Uhrzeit zusammen. Wie viel Strom aber tatsächlich verbraucht wird, hängt noch von weiteren Größen ab, zum Beispiel der Temperatur, vor allem aber vom Tageslicht. Schätzt man den tatsächlichen Stromverbrauch über seine Einflussgrößen, lässt sich auch simulieren, wie groß der Verbrauch wäre, wenn es keine Zeitumstellung mehr gäbe.

Das Ergebnis einer solchen Berechnung ist verblüffend: Gegenüber der heute praktizierten Zeitumstellung gäbe es keinen Mehrverbrauch, wenn die Uhren im Herbst nicht zurückgestellt würden und es bei der Sommerzeit bliebe. Anders ausgedrückt: Die jetzige Zeitumstellung führt zu gar keinen Einsparungen. Haushalte würden bei einer ganzjährigen Sommerzeit sogar ein bisschen Strom sparen.

Das Ergebnis dieser Einschätzung lässt sich leicht erklären: Haushalte verbrauchen am meisten Strom in den Abendstunden (nach Feierabend). Wenn es durch die Umstellung auf Sommerzeit abends länger hell ist, wird weniger Strom, zum Beispiel für Beleuchtung, gebraucht. Hinzu kommt ein anderes Freizeitverhalten. Wenn es abends länger hell ist, bleibt der Fernseher eher mal aus. Bei einer ganzjährigen Sommerzeit könnte dieser Effekt bereits vom frühen Frühling an erzielt werden und nicht erst im April; daraus ergibt sich Sparpotenzial.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht spricht wirklich vieles für eine Neuregelung

Dieser Effekt wird auch im Winter nicht umgekehrt, weil es für den Stromverbrauch fast keinen Unterschied bedeutet, ob es nun um 18 Uhr oder schon um 17 Uhr dunkel wird, da der Freizeitenergieverbrauch erst nach 18 Uhr anspringt. Auch in den Morgenstunden fällt Helligkeit nur unmerklich ins Gewicht. Die Tatsache, dass es nach der Umstellung auf Winterzeit dann schon um 7 Uhr hell wird (statt um 8 Uhr), spielt für den Stromverbrauch ebenfalls fast keine Rolle. Dies liegt daran, dass der morgendliche Energieverbrauch weitestgehend unabhängig von der Helligkeit stattfindet. Zusätzlich fielen bei einer reinen Sommerzeit auch noch die vielen und teuren Nebeneffekte einer Zeitumstellung weg.

Den Befürworterinnen und Befürwortern der Zeitumstellung scheint damit zumindest eines ihrer Hauptargumente genommen zu sein: die angebliche Stromersparnis. Für eine Abschaffung der Zeitumstellung gibt es zudem eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung. Umfragen deuten darauf hin, dass drei Viertel der Menschen in Deutschland nichts gegen eine Abschaffung hätten. Am wenigsten Probleme mit der Zeitumstellung hat dabei noch die jüngere Generation, mehr leiden offenbar Familien mit kleinen Kindern und ältere Menschen.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht spricht wirklich vieles für eine Neuregelung, gerne mit einem System ohne Zeitumstellung, am besten mit ganzjähriger Sommerzeit.

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