Sachsen:Drei der vier Toten des Unfalls auf der A9 identifiziert - Ermittlungen gegen Busfahrer

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Mithilfe von Gurten wurde der Reisebus an der Unfallstelle aufgerichtet. (Foto: Jens Schlueter/AFP)

Nach dem Unglück mit dem "Flixbus" nahe Leipzig schwebt noch eine Person in Lebensgefahr, mehr als 20 Menschen sind verletzt. Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen gegen den Busfahrer wegen fahrlässiger Tötung auf.

Nach dem schweren Busunglück auf der Autobahn 9 bei Leipzig hat die Polizei die Identität von drei der vier Todesopfer bekannt gegeben. Demnach starben bei dem Unfall eine 47-jährige Polin, eine 20-jährige Indonesierin mit Wohnsitz in Berlin sowie eine 19-Jährige aus Bayern, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Eine weitere an der Unfallstelle verstorbene Frau konnte bislang nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Eine der Polizei zunächst als gestorben gemeldete Person befinde sich in einem lebensbedrohlichen Zustand, teilte die Polizeidirektion Leipzig am Mittwochabend mit. Insgesamt gibt es sechs Schwer- und 29 Leichtverletzte.

Der Doppelstockbus des Anbieters Flixbus war am Mittwochmorgen auf der A 9 von der Fahrbahn abgekommen und umgekippt. Von den 54 Passagieren haben 18 eine deutsche Staatsangehörigkeit. Die übrigen stammten aus mehr als 20 Ländern, darunter Peru, Neuseeland, China, Kanada und USA.

Ermittlungen gegen den Busfahrer

Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen gegen den 62-jährigen Busfahrer wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung, wie ein Sprecher der Behörde am Donnerstag sagte. Ob der Mann bereits vernommen wurde, konnte der Sprecher nicht sagen. Die Ursachenforschung steht für die Ermittler jetzt im Vordergrund. So sollen auch alle Verletzten, die in einem Krankenhaus behandelt werden, befragt werden, sofern es deren Gesundheitszustand zulässt, wie eine Sprecherin der Polizeidirektion Leipzig am Donnerstag auf Anfrage sagte. Laut Staatsanwaltschaft wird zudem ein unfallanalytisches Gutachten von dem Bus in Auftrag gegeben. Mit ersten Ergebnissen sei wohl erst in einigen Wochen zu rechnen, betonte der Behördensprecher.

Der Reisebus war auf dem Weg von Berlin nach Zürich verunglückt. Um 8 Uhr war er gestartet, gegen 9.45 Uhr passierte der Unfall zwischen der Anschlussstelle Wiedemar und dem Schkeuditzer Kreuz. Nach ersten Erkenntnissen war wohl kein anderes Fahrzeug daran beteiligt. Der Fahrer des Busses soll nach Angaben des Busunternehmens alle Lenk- und Ruhezeiten eingehalten haben. "An Bord waren zwei Fahrer, der Fahrer im Einsatz steuerte den Bus seit Abfahrt in Berlin um 8 Uhr", hieß es. Die A9, eine wichtige Nord-Süd-Strecke zwischen Berlin und München, war rund um die Unfallstelle zwölf Stunden lang gesperrt.

Noch vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte hatte ein nachfolgender Bus an der Unfallstelle angehalten. Darin hatten nach Angaben der Saarbrücker Zeitung zahlreiche Feuerwehrleute aus Saarbrücken gesessen, die sofort zu dem verunglückten Reisebus geeilt waren. Demnach hatten sie ohne professionelle Ausrüstung Verletzte aus den Trümmern geholt und versorgt.

Einsatzfahrzeuge und Rettungshubschrauber stehen auf der A 9 an der Unfallstelle. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Anbieter Flixbus zeigte sich nach dem Unfall schwer betroffen. "Unsere Gedanken sind bei allen von diesem Unfall Betroffenen und ihren Angehörigen", sagte ein Firmensprecher. Man arbeite eng mit den örtlichen Behörden und den Rettungskräften vor Ort zusammen und setze alles daran, die Unfallursache schnell und lückenlos aufzuklären.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sprach den Hinterbliebenen der Toten sein Beileid aus. Zudem "hoffe ich, dass es den Verletzten schnell wieder besser geht". Schuster dankte den Rettungskräften für ihren professionellen Einsatz. Er habe in den Gesichtern der Feuerwehrleute gesehen, "wie schwierig diese Szenen waren".

Moderne Fernbusse besitzen gute Sicherheitsvorkehrungen

Das Unglück wirft Sicherheitsfragen auf, auch wenn Johannes Hübner, Sicherheitsexperte beim Internationalen Bustouristik-Verband (RDA), betont, dass der Unfall bei Leipzig der erste schwere Fernbusunfall im Jahr 2024 gewesen sei. Statistiken des RDA zeigten, dass der Reisebus als Verkehrsmittel seit der Corona-Pandemie noch einmal an Sicherheit gewonnen hätte, so Hübner.

Das liege auch daran, dass die Sicherheitsvorkehrungen an Reisebussen kürzlich noch einmal stark erhöht wurden. Nachdem alle neuen Busse vor gut fünf Jahren mit Spurhaltemechanismen ausgestattet wurden, verfügen sie seit diesem Jahr auch über Notbremsassistenten. Dazu kommen Kameras, die den Fahrern eine bessere Sicht auf den Verkehr ermöglichen sollen. Da es sich beim verunfallten Bus um ein neues Modell gehandelt habe, sei davon auszugehen, dass er mit den nötigen technischen Hilfsmittel ausgestattet war.

Warum es dennoch zu dem Unfall kam, wird jetzt zu klären sein. Eine weitere Verbesserung der Sicherheit sei laut Hübner definitiv möglich, beispielsweise indem noch stärker für das Anlegen des Beckengurtes sensibilisiert werde. Wie Hübner sagt, seien die Busfahrer gerade in neuen Bussen des Anbieters Flixbus dazu verpflichtet, nach jeder Haltestelle ein Video abzuspielen, das die Gäste über das Anschnallen informiert. In der Praxis finde eine solche Einweisung allerdings oft nicht statt.

Abseits der Sicherheit an und im Bus wünscht sich der RDA-Experte, dass der Fokus auf ein größeres Verkehrssicherheitsproblem gerichtet wird. Für die Schwere des Unglücks am Autobahnkreuz Wiedemar macht er unter anderem die ungesicherte Fahrbahnabsenkung verantwortlich. "Wenn ich mir die Bilder anschaue, dann ist das eine fatale Unfallstelle, bei der es rechts eine Böschung gibt und keine Leitplanke", so Hübner. Sobald ein Bus dort von der Fahrbahn abkomme, sei ein Unfall aufgrund der Höhe des Fahrzeugs nur schwer zu verhindern.

Auf der A 9 hatte es 2019 bei Bad Dürrenberg in Sachsen-Anhalt schon einmal einen schweren Busunfall gegeben. Dabei starb eine Frau, mehrere Menschen wurden verletzt. Im Dezember 2023 war ein Reisebus ebenfalls auf der A 9 bei Leipzig verunglückt, es gab mehrere Verletzte.

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