Prozess:18 Prozent Rendite im Quartal - und eine gute Tat inklusive

Lesezeit: 2 min

  • Der ehemalige Vorstand des vermeintlichen Kinderhilfsvereins "Color für Kinder" muss sich vor Gericht verantworten.
  • Die vier Männer sollen gewusst haben, dass Betrüger den Verein benutzten, um Millionen einzutreiben und verschwinden zu lassen. Sie sollen sich daran auch beteiligt haben.

Von Christian Rost

Auf dem Papier wurde der Verein "Color für Kinder" für einen guten Zweck gegründet: die finanzielle Unterstützung von hilfsbedürftigen, armen oder behinderten Kindern und deren Familien in Bayern. Tatsächlich benutzt wurde der Verein laut Staatsanwaltschaft München I, um von Anlegern Geld einzutreiben, das letztlich in einem sogenannten Schneeballsystem verschwand. Betrüger verbrauchten die insgesamt etwa zwei Millionen Euro, die 116 Anleger investiert hatten, für sich. Die Ganoven im Hintergrund wurden bereits verurteilt. Seit Montag muss sich der ehemalige Vorstand des Kinderhilfsvereins am Landgericht München I verantworten.

Die vier Männer im Alter von 49 bis 58 Jahren sollen laut Anklage in die betrügerischen Absichten eingeweiht gewesen sein und sich an 79 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs aktiv beteiligt haben. Im Fokus stand am ersten Verhandlungstag der 57-jährige Klaus D., der ehemalige Vorsitzende des Vereins "Color für Kinder".

"Wenn etwas schiefgelaufen ist, waren wir auch Opfer"

Der gelernte Versicherungskaufmann wies die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück. Nach seiner Darstellung sei der Verein durchaus für den genannten Zweck gegründet worden. So habe man beispielsweise dem Haunerschen Kinderspital eine Küche finanziert. Dass am Ende bei dem Verein eine gewaltige Summe fehlte, sei nicht die Schuld des Vorstands gewesen: "Wenn etwas schiefgelaufen ist, waren wir auch Opfer", sagte D. mit Blick auf die drei Mitangeklagten. D. ist nach eigenen Angaben selbst geschädigt worden von den Betreibern des Schneeballsystems, angeblich verlor er 200 000 Euro.

Die Sache entwickelte sich laut D. so: Er habe sich an einem Schenkkreis beteiligt und damit 35 000 Euro eingenommen. "Das hat mich fasziniert", sagte D. In diesem Kreis überlässt, also schenkt, ein neuer Teilnehmer 5000 Euro an Mitglieder der Gruppe, die schon länger dabei sind. Weil jeder neue Teilnehmer zwei weitere in den Kreis mitbringt, ist letztlich immer mehr Geld im Spiel, das verteilt wird. Finden sich allerdings keine Mitspieler mehr, gehen neue Teilnehmer leer aus. Das ist sittenwidrig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) 2005 befand. Seither sind Schenkkreise verboten.

Zuvor noch hatten die Mitglieder des Münchner Schenkkreises den Verein für Kinder gegründet. D. sagt, das seien Leute gewesen, die von ihrem Gewinn etwas für einen guten Zweck abgeben wollten. Jeder habe 5000 Euro gespendet, "da war ich stolz drauf", so D. Nach dem BGH-Urteil jedoch versiegte die Einnahmequelle des Vereins jäh. Ihm wurde auch 2006 die Gemeinnützigkeit infolge der Schenkkreis-Aktivitäten seiner Mitglieder entzogen.

Laut Anklage verlegte sich der Verein dann darauf, Mitgliederdarlehen zu vergeben. Das auf diese Weise eingesammelte Geld investierte der Vorstand über eine zwischengeschaltete Finanz-Vertriebsfirma an eine dubiose Wirtschaftsberatungsgesellschaft, die ihren Sitz in Bayern hatte und auch Briefkastenfirmen in Panama und Hongkong unterhielt. Eine Rendite von 18 Prozent je Quartal versprachen die Betreiber der Gesellschaft ihren Anlegern, darunter auch die Mitglieder des Kinderhilfsvereins.

Mit dem Gewinn aus diesem Investment wollte der Vorstand angeblich die Löcher stopfen, die sich durch das Schenkkreis-Verbot aufgetan hatten. Das investierte Geld war aber längst in den Briefkastenfirmen versickert. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: