Vegetarisches Restaurant Altstadt "Zerwirk":Insel im Fleischfresser-Dorado

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Im Zerwirk, wo jahrhundertelang das bei höfischen Jagden erlegte Wildbret "zerwirkt" - also zerlegt - wurde, haben Veganer das Regiment übernommen.

Felix Mostrich

Zerwirk! Man muss das Wort auf der Zunge zergehen lassen, um das Tierblut zu schmecken, das einst beim Zerwirken floss. Im mittelalterlichen Bau des Zerwirkgewölbes direkt neben dem Alten Hof wurde jahrhundertelang das bei höfischen Jagden erlegte Wildbret "zerwirkt", also in küchengerechte Stücke zerlegt. Noch bis vor wenigen Jahren konnte man in den Gewölberäumen Wildspezialitäten kaufen.

Vom Wild, das einst hier zerteilt wurde, blieben nur Umrisse auf dem Fußboden der Gaststube: Auf die Teller des "Zerwirk" kommen heute vegetarische Gerichte. (Foto: Foto: Robert Haas)

Vor einigen Monaten haben aber Veganer dort das Regiment übernommen und die alte Schlachtbank in einen Kultort vegetabiler Genüsse, eine Stätte pazifistischen Pflanzenkonsums umgeweiht, also jede Erinnerung an Fleisch und Blut peinlich getilgt. Veganer sind Radikal-Vegetarier. Sie verzichten nicht nur auf das Fleisch getöteter Landtiere und Fische, sondern auch auf alle Lebendprodukte von Tieren, also auf Milch, Käse, Joghurt, Eier und Honig.

Wenn sie es ernst meinen mit ihrer Religion, lehnen sie sogar das nachwachsende Material Wolle so entschieden ab wie Tierhäute, die zu Pelz und Leder verarbeitet wurden. Ein Schreckensbild für Veganer sind also die lederbepackten Besucher der Wies'n, die - ein Prosit - Hühner zerreißen und Ochsen zersäbeln.

Fundamentalistische Kahlheit

Wie das undeutsche Adjektiv "vegan" vermuten lässt, wurde der asketische Veganismus-Kult im englischsprachigen Raum erfunden und in den USA, wo proteinlastiges Fast-Food Menschen wie Ballone aufbläst, als gastronomisches Konzept erfolgreich vermarktet. Dass das erste Lokal, das im Fleischfresser-Dorado München konsequent die Regeln des Veganismus befolgt, ausgerechnet über dem ehemaligen Zerwirkgewölbe zum Erfolg kommt, ist eine schöne Pointe. Nirgendwo ist man von einer Gänsestopfleber weiter entfernt als hier. Tierfreunde können sich also beruhigt auf den Weg in den zweiten Stock machen.

Wenn schon "ohne", dann richtig, scheinen sich die Ausstatter des Lokals gesagt zu haben. Fundamentalistische Kahlheit herrscht in den Räumen. Es gibt keinen Wandschmuck, keine Tischdecken. Dass auf dem Holzfußboden die Umrisse von Tieren nachgezeichnet sind, man also quasi auf ihren Häuten herumtrampelt, befremdet dann doch ein wenig. Unbegreiflich auch die banalen Plastikschalensitze, die blanker Hohn sind für die Naturprodukte aus der Küche.

Wie in veganen Restaurants Amerikas hat auch im Zerwirk die indische Küche mit ihrer vegetarischen Vielfalt Pate gestanden. Die Tageskarte beginnt jeweils mit zwei Suppen, die ihrem stattlichen Preis von fünf Euro sehr unterschiedlich gerecht werden. Die Linsensuppe (Dal-Suppe) ist mit frischen Kräutern kräftig gewürzt und mit schwarzem und weißem Sesam so gehaltvoll angereichert, dass man einen ganzen Abend damit zubringen könnte. Die Maronensuppe überzeugt schon deutlich weniger: In einem Kartoffel-Gemüsestampf sind ein paar geröstete Esskastanien-Scheibchen verborgen. Und die breiig dicke Blumenkohlsuppe schmeckt zwar entfernt nach Blumenkohl, besteht aber zum massiven Teil aus Undefinierbarem.

Hommage an die Esskultur Indiens

Rohkostsalate, süß oder salzig, sind eine der Existenzgrundlagen der Veganer. In dieser Kategorie (Vorspeisenportionen kosten 8,50 Euro) kann man schöne Entdeckungen machen. Frischer Fenchel, Staudensellerie, Kichererbsen und Kidneybohnen (leider manches kühlschrankkalt), dazu gebratene Sojanuggets, die recht herzhaft schmecken und als Fleisch-Ersatz gute Dienste tun - das ergibt zusammen ein geschmacklich erfreulich abwechslungsreiches Gericht.

Ähnlich originell und anregend die Zusammenstellung von Feldsalat, beißfesten Rote-Bete-Würfeln, Meerrettichdressing und knusprigen Nugget-Spießen. Mit Spinatsalat, gebratenen Austernpilzen und der Delikatesse marinierter mürber Süßkartoffeln könnte man sich sogar in höheren kulinarischen Regionen wähnen, wenn die gebratenen Stücke auf dem kalten Salat nicht allzu rasch abkühlen und dann aufdringlich fettig schmecken würden.

Hauptspeisen kosten zwischen elf und 14 Euro. Die hauchdünnen Ravioli, mal mit Pesto, mal mit Pfifferlingen gefüllt, waren jeweils von einer fast duftigen Feinheit. Am Pfifferlings-Tag ergänzten Rucola, Pinienkerne, Kirschtomaten und eine naturkräftige Tomatensauce das gelungene Arrangement. Überzeugend auch der körnige Safranrisotto mit halbrohem warmem Mangold und Pilzen vom Grill; oder das Sabji aus Auberginen und Karotten mit würzigen Gemüsebällchen, Linsenfladen, Natturreis, frischem Koriander und hausgemachtem, rotgepfeffertem Mangochutney - eine gelungene Hommage an die Esskultur Indiens.

Biowein statt Flaschenbier

Leider gibt es im Zerwirk Bier nur aus Flaschen. Man hält sich darum besser an die guten Bio-Weine. Sowohl der einfache Sauvignon Blanc aus dem Hérault (0,2: 4,60), der Weißburgunder aus der Pfalz (6,40) als auch der hochwertige Roero Arneis oder der wuchtige rote Morellino di Scansano (jeweils 8,10) aus der Toskana vertraten ihre Region auf gutem Niveau. Man muss also kein strenger Veganer sein, um die vegetabilen Alternativen zu schätzen, die das Zerwirk im fleischbetonten kulinarischen Alltag Münchens beisteuert.

Zerwirk, Ledererstraße 3. Telefon: 23239191. Geöffnet täglich außer Montag von 18 bis 3 Uhr.

© SZ vom 22.10.2007/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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