Würmesia:Narren-Elend

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Fast wie Romeo und Julia: Romy und Julian heißt das Kinderprinzenpaar der Würmesia. (Foto: Catherina Hess)

Erstmals in ihrer Geschichte hat die Würmesia kein erwachsenes Prinzenpaar und auch keine Garde. In dieser Faschingssaison muss es das Kinderprinzenpaar samt seinem jugendlichen Hofstaat alleine reißen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Man könnte glatt meinen, es sind Tränen des Jammers, die der Himmel in Form von dicken Regentropfen am Freitagnachmittag über der Faschingsgesellschaft Würmesia ausgießt. Auf dem Bahnhofsplatz vor dem Gräfelfinger Bürgerhaus haben die Narren Bühne, Sektstand und Stimmungsmusik parat, um pünktlich am 11. November die fünfte Jahreszeit einzuläuten und vor allem, um die Prinzenpaare vorzustellen. Doch in dieser Hinsicht ist in diesem Jahr Haltung geboten unter dem kleinen Rest der aktiven Faschingsnarren: Denn heuer gibt es nur ein Kinderprinzenpaar. Ein erwachsenes Paar konnte die 67 Jahre alte Faschingsgesellschaft erstmals nicht präsentieren.

Gerade mal eine Handvoll Zuschauer hat sich um die kleine Bühne versammelt, um der Proklamation des Prinzenpaares beizuwohnen. Viele andere Gräfelfinger hetzen mit eingezogenem Kopf an der Szenerie in Richtung S-Bahn vorbei und mögen sich denken, was das wohl für Freaks in Uniformen sind, die sich auf dem Platz versammelt haben. Dass es sich dabei um die Münchner Stadtwache handelt, dürfte ihnen nicht bewusst sein - der Fasching ist halt schon sehr, sehr weit weg an diesem Nachmittag in Gräfelfing.

Kein Erwachsenenpaar also dieses Jahr. Tanja Wissel, Präsidentin der Würmesia, gibt es mit fester Stimme bekannt. Am Donnerstagabend habe es noch eine außerordentliche Vereinssitzung gegeben, bei der das potenzielle Paar sich jedoch gegen das Amt entschieden hat. Ist das der Anfang vom Ende der Würmesia? Wissel verneint, sie tue als Präsidentin zumindest alles dafür, dass dies nicht so ist. Aber ein Tief ist es schon. Es gibt nämlich auch keine Erwachsenengarde in diesem Jahr, das heißt: kein Showtanz, kein Männerballett. Auch dafür finden sich nicht genug Mitstreiter. Aber es gibt eine Kinder-und Jugendgarde und die muss es mit Prinzessin Romy, 7 Jahre alt, und Prinz Julian, 8 Jahre alt, dieses Jahr reißen, die altgediente Würmesia würdevoll vertreten.

In den vergangenen Jahren ist es immer schwieriger geworden, ein Prinzenpaar zu verpflichten, sagt Wissel. Studium, Schwangerschaft, Umzug sind klassische Hindernisse, aber eben auch der zeitliche Aufwand: Carsten und Uli, die vorerst als das letzte Prinzenpaar der Würmesia gelten, haben am Freitag ihre Amtszeit offiziell beendet. Sie hatten in der vergangenen Faschingssaison mit 40 bis 50 Auftritten den Kalender randvoll. Das kann nicht jeder leisten und auch viele Arbeitgeber spielen da nicht mit, sagt Ex-Prinzessin Uli unterm Regenschirm, denn einige Termine seien auch nachmittags. Hinzu kommt, dass es auch noch andere spaßige Sachen außer Fasching gibt. Man muss schon sehr viel Leidenschaft für den Fasching hegen, sonst steht man so eine Saison nicht durch, weiß Wissel. Für die Würmesia beginnt der Fasching nämlich schon im Juli, wenn tanzen geübt wird.

Vor 20 Jahren galt das Würmtal noch als Faschingshochburg. Die Würmesia wurde 1949 in Gräfelfing gegründet und betrachtet sich als Würmtaler Faschingsgesellschaft. Damals war das Heide Volm am Planegger Bahnhof das Zentrum der närrischen Zeit. Hier tanzten Abend für Abend Hunderte auf Tischen und Bänken das Spider Murphy Gang-Konzert war jedes Jahr der absolute Höhepunkt der Partyzeit und Monate im Voraus ausverkauft. Das ist heute alles anders. "Viele Veranstalter richten gar keine Bälle mehr aus", sagt Wissel. "Die Kultur hat sich geändert."

Wofür braucht es dann eine Faschingsgesellschaft? Wissel will noch nicht aufgeben. Sie setzt auf den Nachwuchs. In der Kinder- und Jugendgarde zählt sie 13 Mitglieder zwischen sieben und 18 Jahren. Der Kinderfasching sei gefragt, die Bälle für die Kleinen seien gut besucht, mit super Kostümen. Das lässt sie hoffen. In ein paar Jahren könnte aus der Jugendgruppe die nächste Erwachsenengarde hervorgehen. Doch vorerst halten Romy - Hobbys: Reiten und Tanzen - und Julian - Hobbys: Taekwondo und Schlagzeug - die Stellung. Am 5. Januar ist feierliche Inthronisation im Bürgerhaus in Gräfelfing.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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