Wolfratshausen:Zermürbter Wirt

Lesezeit: 2 min

Michael Feldmeier gibt das "Abendblatt" auf - nicht nur wegen der Debatte über die verlängerte Sperrzeit.

Matthias Köpf

Michael Feldmeier stützt sich mit breiten Armen auf seine Theke und lacht ein bisschen schief. Er trägt dieses schwarze Polohemd mit dem gelben "Abendblatt"-Logo am Ärmel, das erkennbar schon öfter im Einsatz war. Feldmeier wird wohl auch in drei Wochen noch manchmal hier am Tresen stehen, dann aber auf der anderen Seite und wohl auch nicht mehr in dem Hemd. Denn der Wolfratshauser Abendblatt-Wirt gibt sein Lokal zum 1. Juni auf - nicht zuletzt wegen der dauernden Querelen mit der Stadt, wie er selbst sagt.

Michael Feldmeier gibt das "Abendblatt" auf. (Foto: Hartmut Pöstges)

Seit zehn Jahren betreibt Feldmeier das Abendblatt im früheren Wolfratshauser Brückenwirt mit dem kleinen Biergarten direkt an der Loisach. Gute acht Jahre davon "hat sich auch nie etwas gefehlt", sagt er im Rückblick. Doch zuletzt, da habe ihm das alles "einfach keinen Spaß mehr" gemacht. Seit ungefähr eineinhalb Jahren nämlich wird in Wolfratshausen immer wieder über ein Vandalismus-Problem in der Altstadt debattiert.

Dieses Problem gibt es aus Sicht der Polizei und ihrer Statistik eigentlich zwar gar nicht, als Hauptschuldige standen aber trotzdem meistens die Wirte dreier Lokale da, von denen eines eben Feldmeiers Abendblatt ist. Seit im vergangenen September Schüler über das Internet zu einem Fest ins Abendblatt geladen hatten, was zu tumultartigen Szenen mit mehreren hundert Gästen führte, geht zudem auch in Wolfratshausen das Gespenst der "Facebook-Party" um, und Feldmeier hat nach seinem Gefühl seither jedes Wochenende die Polizei vor der Tür - ohne echten Anlass, wie er betont.

Bürgermeister Helmut Forster (BVW) und die Stadtverwaltung begegneten dem vermeintlichen Vandalismus mit dem Vorverlegen der Sperrstunde auf spätestens 3 Uhr für alle Innenstadt-Lokale. Das Abendblatt musste für drei Monate sogar um 1 Uhr zusperren, was Feldmeier nach eigenen Angaben jeden dieser Monate 12 000 Euro Umsatz gekostet hat. Und das, nachdem ihm die Raucher per Volksentscheid aus dem Lokal getrieben worden waren, wie er beklagt. Vier Mitarbeiter habe er zuletzt entlassen müssen, davon zwei Vollzeit-Kräfte.

Feldmeier hat zu all diesen Themen stets deutliche Worte gefunden und auch einen Anwalt eingeschaltet, dem die Stadtverwaltung dann bedeutet habe, dass er eben einen "Querulanten" vertrete. So etwas halte er aus, sagt Feldmeier, aber wenn man dauernd Knüppel zwischen die Beine geworfen bekomme, dann mache auch ein so lieb gewonnenes Hobby wie das Abendblatt eben einfach keinen Spaß mehr. Feldmeier will sich nun wieder mehr um seine Lackiererei in Geretsried und vor allem um die Familie mit der achtjährigen Tochter kümmern.

Gleichsam in der Familie bleibt aber auch das Abendblatt. Ab dem 1. Juni übernimmt dort Stella Brandt, die das Lokal über viele Jahre hinweg an Feldmeiers Seite maßgeblich mitgestaltet hat. Für die erfahreneren Gäste wird dieser Wechsel keine große Umstellung bringen - und die jüngeren dürfen bald sowieso nicht mehr ins Abendblatt. Denn ab Juni werde das Lokal nur noch volljährigen Gästen offenstehen, sagt Feldmeier. Er habe Brandt selbst zu diesem Schritt geraten, um endlich Ruhe in die dauernden Debatten mit der Stadt zu bringen. Wo die jüngeren Gäste dann hinsollen, die sich bisher gerne in seinem Abendblatt trafen, weiß Feldmeier auch nicht. Dazu sagt er nur das, was er zuletzt oft gesagt hat: "Irgendwann stirbt Wolfratshausen halt dann aus in der Nacht."

© SZ vom 16.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: