Wolfratshausen:Ungemein freundlich

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Unterm Dach der SZ erklären die Bürgermeisterkandidaten Fritz Meixner, Klaus Heilinglechner und Peter Plößl, wie sie die Loisachstadt künftig voranbringen wollen - und gehen dabei sehr pfleglich miteinander um.

Von Wolfgang Schäl und Matthias Köpf

Unterm Dach der SZ (von links): Fritz Meixner (SPD), Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung) und Peter Plössl (CSU). (Foto: Hartmut Pöstges)

Kleider machen Leute und somit auch Bürgermeisterkandidaten. Zum Dreifach-Interview unterm Dach der SZ tritt Wolfratshausens Stadtjugendpfleger Fritz Meixner burschikos in T-Shirt und rotem Pulli an, die Ärmel weit nach oben gekrempelt - der jugendliche Macher; Klaus Heilinglechner präsentiert sich in seiner hirschhornbesetzten, forstgrünen Weste im Vergleich eher bayerisch-rustikal und als wertkonservativer Landwirt, Gymnasiallehrer Peter Plößl trägt korrekt Anzug und Krawatte, ein kleines Stadtwappen am Revers weist ihn sogleich als Honoratioren und bekennenden Wolfratshauser aus. Die kleinen Unterschiede in der äußeren Erscheinung muss man vielleicht schon deshalb erwähnen, weil sich die drei ansonsten in vielen Punkten relativ einig sind und so ungemein freundlich miteinander umgehen, als wäre es nahezu anstößig, offen in Konkurrenz zu treten.

Umfahrung

Deshalb gleich zu Beginn eine etwas provokante Frage, die womöglich die Harmonie etwas stören könnte und bei Wolfratshauser Stadtpolitikern, insbesondere beim amtierenden Bürgermeister, in hohem Maße unbeliebt ist: Ob das immer wieder mal zitierte Wort Stillstandshausen denn wirklich nur boshaft und polemisch ist oder nicht doch ein Körnchen Wahrheit enthält? Meixner gibt sich da sehr diplomatisch. Er bekomme ja viel Frust mitgeteilt, sagt der von der SPD ins Rennen geschickte Bewerber, daher könne er nicht so tun, als müsse nichts anders werden. "Ein bisschen anders" genüge aber nicht, "das ist mir zu wenig", sagt Meixner. Veränderung brauche man nicht, weil alles schlecht wäre. "Was wir brauchen, ist ein strukturiertes Vorgehen, wir müssen mehr mit unseren Pfunden wuchern, den Blick aber gleichzeitig auf das Machbare richten." Zu den Dingen, die in weiter Zukunft vielleicht doch noch zu bewältigen sind, zählt Meixner das Thema Umgehungsstraße - das dürfe man trotz aller Hemmnisse nicht abhaken. Ähnlich sieht es Plößl: Dass es derzeit keine Chance gibt, eine Umgehungsstraße zu verwirklichen, dürfe nicht bedeuten, "dass die Stadt nicht den Fuß in die Tür bekommen" sollte.

Dass die Kandidaten so schonend miteinander umgehen, findet Plößl in Ordnung. Die Sitzungen des Stadtrats seien in früheren Jahren "nicht immer vergnügungssteuerpflichtig" gewesen, vor allem, wenn es um die Loisachhalle ging. Bei solchen Konflikten bleiben nach Plößls Erfahrung "Wunden, die die politische Arbeit erschweren". Für eine pragmatische Betrachtung der Umgehungsfrage plädiert auch Heilinglechner. Die zuletzt von der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW) ins Spiel gebrachte Straßenvariante südlich von Waldram und dann entlang der Isarau bis zur Marienbrücke sollte man nach seinem Dafürhalten "prüfen" und alle möglichen Lösungen "durchsprechen". Leider seien die meisten Varianten mittlerweile ausgeschieden, weil die Trassen zum größten Teil zugebaut seien. Da hätten vergangene Stadträte leider Fakten geschaffen, die niemand mehr rückgängig machen könne.

Stillstandshausen

Das Wort Stillstandshausen mag erwartungsgemäß keiner der drei Aspiranten hören. "Dieses Pauschalurteil regt mich auf", sagt Meixner, es treffe auf viele Bereiche einfach nicht zu. Das sei wie ein Geist, der mal aus der Flasche gekommen und nicht wieder hineinzubringen sei. Als Gegenbeispiel nennt Meixner die Familien- und Sozialraumorientierung. Genauso sieht es auch Plößl: "Indem man das Wort ständig wiederholt, wird es nicht wahrer." Aber das bisschen Häme halte man gut aus. Dass das Schimpfwort unberechtigt sei, könne man allein am Zuzug schon erkennen. Heilinglechner erkennt darin "einen Neidgedanken, der jeder Grundlage entbehrt". Dass die Wolfratshauser Bürger auch seiner Erfahrung nach sehr kritisch sind, hält er indes für richtig. Vielleicht sei man in sechs Jahren hervorragender Arbeit ein wenig betriebsblind geworden, da dürfe dann schon mal geschimpft werden.

Innenstadt

Auf die Frage nach ihren drei wichtigsten Themen für Wolfratshausen antworten die Kandidaten etwas differenzierter. Heilinglechner führt hierzu die Komplexe Altstadtbelebung, Energiewende sowie die Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum für sozial Schwache an. Auch ein Mehrgenerationenhaus steht auf der Prioritätenliste des Weidacher BVW-Kandidaten. "Die Geschäftsleute müssen sich wieder wohlfühlen", sagt Heilinglechner, dafür benötige man mehr Parkplätze. Konkret erwägt Heilinglechner "Strukturmaßnahmen" wie etwa die Verlegung des grünen Marktes auf den Marienplatz, wofür man vielleicht auch an dem einen Tag die Marktstraße sperren müsste. Die Zusammenarbeit mit dem Beratungsbüro Cima sieht Heilinglechner eher kritisch. Er habe den Eindruck, "dass sich das totläuft".

Familien und Senioren

Meixner will sich als Bürgermeister besonders um Familien und Senioren kümmern. Zentrale Bereiche sind für ihn Verkehr, Umwelt und Energie. Ebenso wie Heilinglechner zieht er eine totale Sperrung der Marktstraße und deren Umgestaltung zur Fußgängerzone nicht in Erwägung. Heilinglechner hält dies für ein fernes "Traumziel", auch Meixner sieht dies "in sehr weiter Ferne": Immerhin würde er die Marktstraße "aufräumen", denn die sei in ihrem aktuellen Zustand "eine Rumpelkammer". Für die Gestaltung der Innenstadt und des Loisachufers benötige Wolfratshausen einen Stadtmanager, die jetzige Situation mit dem Cima-Berater hält Meixner für ein "Auslaufmodell".

Verkehr

Die bessere Bewältigung des Verkehrs steht auch für Plößl im Vordergrund, insbesondere mit Blick auf die S-7-Diskussionen. Auf Plößls Agenda stehen die Förderung von Jugend, Sport und Senioren sowie eine attraktivere Innenstadt. Die Rolle der Cima sieht er so: "Wenn wir erwarten, dass die unsere Probleme allein löst, dann haben wir was falsch verstanden." Die könne doch nur "die Denkrichtung vorgeben". Was Verbesserungen in der Innenstadt betrifft, plädiert Plößl für höhengleiche Bürgersteige, im jetzigen Zustand seien die Trottoirs eher "Stolperfallen". Eine Fußgängerzone nach Murnauer Vorbild bewertet Plößl nicht als realistisch. Es habe schon einen Vorschlag im Stadtrat gegeben, der eine Straßenverbindung auf der anderen Uferseite vorgesehen habe. Diese Version habe keine Mehrheit gefunden.

Stadtarchiv

Aus der Diskussion um den Archivstandort haben die drei Bewerber unterschiedliche Schlüsse gezogen. Plößl plädiert ebenso wie seine CSU-Fraktion dafür, ein geeignetes Gebäude anzumieten, nicht aber, ein neues Archiv am Loisachufer zu bauen. Den Standort Loisachufer lehnt auch Meixner ab; Heilinglechner will beim Bürgerentscheid am 25. Mai dafür stimmen. Anmieten komme für ihn nicht infrage, ein neues Archiv am Loisachufer könne er sich aber gut vorstellen, sagt der BVW-Bewerber, während Meixner "die große Verwirrtheit" in Erinnerung ruft, die er in der entscheidenden Sitzung zu dem Thema unter den Stadträten erlebt habe. Meixner zufolge ist das Projekt "nicht entscheidungsreif", dafür sei noch zu vieles unklar, von der Auslobung bis zur Standortbewertung.

Mit dem Bürgerentscheid hat Meixner ein Problem, handle es sich dabei doch gar nicht um "Demokratie pur", wie die Verfechter glauben machen wollten, sondern um "Verantwortungsabgabe" seitens des Stadtrats. Schließlich müsse der Bürger auch über Regresspflichten entscheiden, die im Zusammenhang mit dem Architektenwettbewerb auf die Stadt zukommen könnten. Den Bürgerentscheid könne er in der verworrenen Situation allenfalls als "letzte Ausfahrt" betrachten.

Heilinglechner verteidigt den bisherigen Umgang mit dem Thema Archiv. "Transparenter kann man das gar nicht machen." Er begrüßt auch die Idee mit dem Bürgerentscheid, hat dabei aber trotzdem "ein ungutes Gefühl". Denn wenn sich nicht genügend Wolfratshauser an der Abstimmung beteiligten, "dann kann es sein, dass auch dieser Bürgerentscheid ein Reinfall wird". Dass es so weit kommen musste, kreidet er allerdings seinen Ratskollegen an. "Ich bin schließlich gewählter Mandatsträger, und da muss ich mich halt selbst informieren und dann Manns genug sein, solche Entscheidungen auch selber zu treffen."

Zurückhaltend geben sich alle drei Kandidaten, was die Nutzung von exponierten Immobilien wie der Landwirtschaftsschule und des alten Polizeigebäudes am Untermarkt betrifft, das nicht im Besitz der Stadt ist. "Solange uns was nicht gehört, plane ich auch nicht damit", stellt Heilinglechner fest. Natürlich würde sich aus seiner Sicht die Landwirtschaftsschule für ein Mehrgenerationenhaus anbieten, aber die Kreisbehörde, der ein Teil des Gebäudekomplexes an der Bahnhofstraße gehört, habe da leider andere Preisvorstellungen als die Stadt. "Falls es der Haushalt hergibt", würde der BVW-Kandidaten einen Kauf auf jeden Fall befürworten. Plößl sieht es ähnlich, warnt aber in diesem Zusammenhang davor, ein städtisches Kaufinteresse öffentlich zu artikulieren. Denn je konkreter ein Wunsch geäußert werde, desto höher steige der Preis des jeweiligen Objekts. "Vermessen" wären derlei Spekulationen auch für Meixner, schließlich brauche man zunächst einmal einen Bedarfsplan.

Schulplanung

Weil Meixner gleichzeitig dafür plädiert, am Hammerschmiedweg eine zentrale Mittelschule ins Auge zu fassen und die Schulen in Waldram und Weidach auf ihre Grundschulfunktion zu beschränken, benötige man insbesondere einen Schulentwicklungsplan. In diesem Kontext betont Plößl, dass er nicht nur dagegen wäre, die Weidacher Schule zu schließen, auch dürfe den Kindern nicht ein weiterer Schulweg zugemutet werden. Auch Heilinglechner sieht Meixners Denkansatz eher distanziert: "Wir müssen doch die Mittelschulen gar nicht fusionieren."

Stadtentwicklung

Weitgehend einig sind sich die drei Kandidaten in der Frage, ob Wolfratshausen weiter wachsen solle. Es müsse darauf geachtet werden, dass die Stadt mit den noch verfügbaren Grundstücken "eine Bevorratungspolitik betreibt" und Ausschau nach Flächen halte, die für kommende Generationen Wohnraum für sozial Schwache ermögliche, sagt Plößl. Dazu plädiert der Unionskandidat für eine enge Zusammenarbeit mit den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften, mit denen die Stadt am besten "ein Kompetenzteam" bilden solle. Auch hier gelte die Devise, dass man eine Kooperation nicht an die Öffentlichkeit tragen dürfe, um nicht ohne Not den Preis für Bauflächen hochzutreiben.

Heilinglechner weist auf den geltenden Flächennutzungsplan hin, da dürfe man nicht ständig Ausnahmen genehmigen. Um eine Nachverdichtung werde die Stadt nicht herumkommen. Hier wiederum muss nach Heilinglechners Überzeugung "die Bauträgermentalität eingeschränkt werden". Auch Meixner glaubt nicht, "dass Wolfratshausen auf Wachstum angelegt ist", denn, obwohl die Stadt gut aufgestellt sei, hinke sie mit der Infrastruktur hinterher. "Wachstum ohne Ende kann nicht unser Ziel sein", so Meixners Credo, das er nicht zuletzt auch mit unerwünschtem zusätzlichen Verkehr verknüpft.

Kultur

Keine Defizite sehen die Kandidaten bei der Kulturpolitik der Stadt. "Wir müssen froh sein, dass die Loisachhalle wieder auflebt", freut sich Heilinglechner über deren "gutes und vielseitiges Angebot", insbesondere mit Blick auf den neuen Flößerei-Geschäftsführer. Die Vorzüge der Wolfratshauser Kultur sieht Plößl vor allem im Musikschulbereich, der seine Erfolge vor allem dem rührigen Förderverein zu verdanken habe. Die Stadtkapelle hat sich nach Plößls Beobachtung "gemausert", ein reges Leben herrsche in den Vereinen. "Eine tolle Sache" sei das Flussfestival, und mit der befestigten Floßlände verfüge man über einen attraktiven Veranstaltungsort. Für Meixner wäre ein "Fest der Kulturen" mit den Wolfratshauser Partnerschaftsvereinen wichtig, ein kulturelles "Alleinstellungsmerkmal" sei die Johannifloßprozession. Sinnvoll wäre es für Meixner auch, "die Kleinkunstszene in Zukunft besser einzubinden".

© SZ vom 25.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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