Advent in der Loisachstadt:"Ho, ho, ho, was ist das für ein Boot?"

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Ganz weltliche Sorgen treiben den Heiligen aus Myra um: "Das Einsteigen - hör mir auf!" Das Aussteigen ist nicht minder diffizil. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Wolfratshausen tuckert der Nikolaus über die Loisach. Der Schutzheilige der Fährleute greift dabei auf moderne Ausrüstung zurück und wird von der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft eskortiert.

Von Veronika Ellecosta, Wolfratshausen

Der Nikolaus ist mit dem Auto angereist. Das ist nicht ungewöhnlich, da doch die Bahn regelmäßig wegen Schnee, Streik oder Stellwerkstörung stillsteht. Er parkt also vor dem Feuerwehrhaus in Wolfratshausen, da darf er stehen, der Nikolaus bekommt eine Sondererlaubnis. Als er sich aus dem Auto schält, mit filzigem Bart und ausrangiertem Überwurf in Gold, könnte es eigentlich schon losgehen.

Endlich sitzen: Der Nikolaus alias Wiggerl Gollwitzer ist gut angekommen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Plan sieht vor, dass der Nikolaus gleich auf ein motorisiertes Schlauchboot der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) Wolfratshausen-Schäftlarn umsteigt und über die Loisach schippert. Bei der Andreas-Brücke soll er aussteigen und die Kinder vor dem Stadtmuseum empfangen. Aber die DLRG und ihr Schlauchboot verspäten sich um ein paar Minuten, und der Nikolaus steht etwas verloren vor der Feuerwehr herum. Er hält sich bedeckt, die Show hat schließlich noch nicht begonnen. Einige Kinder haben den Weitgereisten dennoch entdeckt, schleichen um ihn herum, fassen Mut, und rufen nach ihm. Der Nikolaus belohnt die Kleinen routiniert mit Obst aus seinem Jutesack. "Ein paar Äpfel hab ich immer dabei", erklärt er. "Mit nichts schaust als Nikolaus blöd aus."

Ein Nikolaus auf dem Floß - die Idee stammt von Andreas Kutter, Kulturmanager der Stadt. Nachdem die erste Bootstour im vergangenen Jahr bei den Kleinsten der Stadt auf großen Anklang gestoßen war, geht es heuer am Nikolaustag in Runde zwei. Wolfratshausen ist Flößerstadt, dass der Nikolaus Schutzpatron der Fährleute ist, kommt dem Stadtmarketing gelegen. Nur das Ruderboot, das die Stadt dem Nikolaus im vergangenen Jahr zugeteilt hatte, war ihm etwas zu wackelig. Der Nikolaus fasst sich an den Kopf. "Das Einsteigen - hör mir auf!"

Wiggerl Gollwitzer - wer sonst!

Ich echten Leben heißt der Nikolaus Ludwig Gollwitzer, als Wiggerl von der Loisachtaler Bauernbühne genießt er lokale Prominenz. Er ist ein routinierter Nikolaus, heute war er schon in vier Kindergärten zu Besuch. Den Nebenberuf übt Gollwitzer schon bald 50 Jahre aus, ist sozusagen immer schon ein alter weiser Mann. Bei unzähligen Kindern hat er schon vorweihnachtliches Staunen verbreitet. Dass er am Loisachufer sehnsüchtig erwartet wird, bringt ihn nicht aus der Ruhe.

Im frühen Dämmerlicht tuckert schließlich die DLRG die Loisach hinauf, und der Nikolaus kann raus aus seinem Versteck. Die steile Böschung beäugt er skeptisch, und auch das kleine Motorboot entspricht wohl nicht ganz seinen Erwartungen. "Scheibenkleister", schimpft er, denn ein Heiliger flucht nicht, und: "Ho ho ho, was ist das für ein Boot?" Robert Klingel, Vorsitzender der DLRG, schaufelt die Böschung vom Schnee frei. Währenddessen zwängen zwei Retter in Rot den Nikolaus in eine Schwimmweste. Theoretisch würde er mit seinem Bart und dem Umhang recht flott in den Fluten der Loisach versinken, davon ist er zumindest selbst überzeugt. Aber die DLRG ist auf alles vorbereitet, mit im Boot sitzen vier ausgebildete Retter, an Land begleitet ein Fußtrupp die Tour. Dass Benzin für den Motor ausgeht, sei das Schlimmste, was passieren könne, sagt ein gut gelaunter Robert Klingel. Und auch das motorisierte Schlauchboot sei äußerst stabil, erklärt er.

An beiden Händen wird der Nikolaus nun die Böschung hinuntergeführt. Er schaut gequält, aber es hilft ja nichts, er muss da hinunter. Der kritische Moment ist der Einstieg ins Boot. Ein Fuß - kurzes Wackeln, stützende Hände. Der zweite Fuß - schon steht der Nikolaus im Boot, und gleich setzt er sich nieder. Sofort ist er wieder zu Scherzen aufgelegt: "Da pass auch ich mit meinem weltlichen Gewicht rein", murmelt er durch den Rauschebart.

Kinder winken vom Sebastianisteg zum Nikolausboot. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Anmutig treibt das Schlauchboot über die Loisach, Kinder am Ufer rufen, winken, Eltern fotografieren. Auch am Zaun des Eislaufplatzes drängen sich die Kleinsten zusammen. Als der Nikolaus den Sebastianisteg unterquert, spielt die Jugendstadtkapelle einen Stock höher den Kanon der Nikolauslieder, der Fußtrupp der DLRG stapft gelassen auf Bootshöhe den Uferweg entlang. Nur für den Fall, dass ein Kind in der Aufregung die Böschung Richtung Loisach hinunterrutscht.

Glücklich auf festem Boden und umringt von Kindern. (Foto: Harry Wolfsbauer/Harry Wolfsbauer)

Hinter der Andreas-Brücke dreht das Boot noch eine kleine Schleife, die DLRG vom Festland steht schon bereit am Steg. "Dann holen wir ihn mal raus da", sagt Klingel, als das Boot anlegt. Und wieder greifen dem Nikolaus zwei Retter unter die Arme, ziehen ihn ans Ufer und befreien ihn von der Schwimmweste. Die Kinder stürzen ihm schon entgegen. Der Heilige aus Myra bedankt sich höflich bei der DLRG und zieht mit der Kinderschar Richtung Stadtmuseum. Zurück bleibt eine zufriedene Rettungsgesellschaft. Während für den Nikolaus Part zwei beginnt, machen sich die Ehrenamtler ans Aufräumen, das Motorboot schippert zurück zur Einstiegsstelle bei der "Eiszeit".

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