Loisachhalle:Wilde Zeitreise ins Jahr null

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Weihnachten mit Roll-Esel: Die Heiligen drei Könige, Josef, Maria und Jesuspuppe auf der Bühne der Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Espen Nowacki und Dominik Halamek bringen mit ihrer "Stillen Nacht" eine amüsante Parodie der Weihnachtsgeschichte als dröhnendes Musical auf die Bühne.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Die Weihnachtsgeschichte, die in diesen Tagen des Advents immer wieder vorgelesen wird, kennt diverse Abwandlungen, aber gewiss nur wenige Versionen, in denen das Geschehen rund um die Herbergssuche und die Geburt Jesu in ein dröhnendes Musical umgesetzt wird, in eine unsentimentale, fulminante Bühnenshow mit bunten, wildbewegten Bildern und fantasievollen Gewändern, aber auch mit anrührenden, leisen Gesangsszenen, abseits spektakulärer Effekte.

Möglich wurde dieser wunderbare Abend in der Loisachhalle durch die Arbeitsteilung zweier kongenialer Künstler, die lieber im Hintergrund wirken als selbst nach den Lichtkegeln der Scheinwerfer zu streben: Das ist zum einen der in Schweden geborene Espen Nowacki, zuständig für Buch, Liedtexte, Musik und Regie - sein Anliegen war es, für das Thema Weihnacht ein neues Konzept zu finden, das auch Parallelen zur Gegenwart zieht. Und da ist der Waldramer Lokalmatador Dominik Halamek, der in Wolfratshausen längst sein festes Publikum hat. Er stellte im Weihnachtsmusical "Die stille Nacht" eine perfekte Choreografie auf die Beine und zeichnete verantwortlich für die wunderbaren Kostüme.

Zur gewagten, aber plausiblen Mixtur gehört auch der amerikanische Santa Claus mit seinen Rentieren. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dank einer erstklassigen Besetzung gelang eine für kirchliche Traditionalisten vielleicht gewagte, aber rundum plausible Mixtur aus vermeintlich nicht zu vereinbarenden Stilelementen: Da wird hin und hergelaufen und mit den Türen geknallt wie im Volkstheater, da gibt es Szenen aus dem modernen Familienleben, da wird mit Kitsch, Glitzer und Gesang nicht gespart. So gelingt eine amüsante Parodie auf die Weihnachtsgeschichte mit einem original amerikanischen Santa Claus samt Sack und Rauschebart (Stephan Brauer) , einem Esel auf Rädern, einer Jesuspuppe im Schubkarren, drollig herumhüpfenden Rentieren und einem strahlenden Engel im Glitzergewand, der sich wiederum für Soulklänge begeistert. Der steht mit seinen riesigen Flügeln hoch oben und setzt sich als mahnender Repräsentant des Himmels in Szene, steigt bei passender Gelegenheit aber auch hernieder, um ins weihnachtliche Geschehen einzugreifen. Diese Rolle füllt mit faszinierender, raumfüllender Gesangsstimme die Schweizerin Zoe Staubli aus, die ebenso wie ihre hochprofessionell agierenden Protagonisten viel Bühnenerfahrung in Musicals gesammelt hat.

Deus ex machina mit Goldflügeln: Zoe Staubli greift als Engel mit Soulstimme immer wieder ins Geschehen ein. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Handlung beginnt in dieser Musical-Version nicht mit der gewohnten Herbergssuche im Heiligen Land, sondern, aufgrund einer fiktiven Zeitreise, von einer modernen Familie, die sich unversehens ins Jahr null zurückversetzt sieht. Umgekehrt finden sich Maria und Josef plötzlich in unserer Zeit wieder. Auf diesen beiden Zeit- und Stilebenen verschränken sich zwei Varianten der Weihnachtsgeschichte, wodurch sich wiederum besondere dramaturgische Effekte ergeben: Hier die aufmüpfige, maulige Gabrielle (Johanna Wypich), die versucht, ihren zögerlichen Vater (Lutz Standop) umzustimmen und dem um Herberge bittenden Paar Unterschlupf zu gewähren; da die bekannte klassische Szenerie in Bethlehem samt Stall , Krippe und den Königen aus dem Morgenland.

Halameks Choreografie und Kostüme bringen auch Dramatik auf die Bühne. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bei alledem sei es darum gegangen, "diese grandiose Geschichte wieder auf eine spannende Art neu zu erzählen", sagt der Autor Espen Nowacki, gegenüber rein religiösen Aspekten stehe man persönlich neutral. Ein Anliegen war nach seinen Worten eine Antwort auf die Frage, "wie wir heute mit einem Wunder umgehen würden, und wie reagieren wir auf Fremde, die unsere Hilfe benötigen"?

Nach langen, pandemiebedingten Verzögerungen wurde das Musical jetzt endlich auf die Bühne gebracht, nun sei man "unfassbar gespannt auf die Reaktionen". Man hoffe, lässt er sein Publikum wissen, "dass Sie alle mit unserer Produktion ganz viel Liebe und weihnachtliches Gefühl mit nach Hause nehmen können". Was die Reaktion der Zuschauer betrifft, müssen sich die Akteure des Weihnachtsmusicals wohl kaum Sorgen machen. Andernfalls hätte das Publikum in der vollbesetzten Halle gewiss nicht immer wieder begeistert Szenenapplaus gespendet.

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