Leserbriefe:Eine verpasste Gelegenheit für die Kreisklinik

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Zu " Schmuckstück und Publikumsmagnet" vom 13. Februar:

Ein sehenswertes und instruktives Museum hat Wolfratshausen sich da eingerichtet. Man erfährt viel über seine wechselvolle tausendjährige Entwicklung. Merkwürdig allerdings, dass man eine der größten Einrichtungen in der Stadt schlichtweg unter den Tisch fallen ließ: Es gibt nur ein winziges Kärtchen an der historischen Zeitschiene, das auf die Gründung der ersten Pflege- und Heilanstalt im Jahre 1824 hinweist, und ein Schild für ein Zugabteil zum Abtransport von Verletzten nach München. Sonst nichts, was den Besucher auf den wichtigsten kommunalen Betrieb in der Stadt und seine Geschichte, die Kreisklinik Wolfratshausen, hinweisen würde. Ich finde aber, dass die erwähnt gehört! Oder ist die Klinik schon derart abgeschrieben, dass es sich nicht mehr lohnt, darüber zu berichten?

Einige Vorarbeit hat der historische Verein ja schon geleistet. Es gibt da viele interessante medizinhistorische und architektonische Etappen zu beleuchten: die Rolle der "Kranken-, Armen- und Leichenanstalt" 1824 in der Seuchenbekämpfung, die architektonische Entwicklung vom Uralt-Krankenhaus an der Sauerlacher Straße zum neueren Altbau an der Gebhardtstraße, dem alten Neubau am Moosbauerweg 1966 und schließlich dem modernen Stationstrakt einschließlich Containeranbau. Dabei war die bauliche Entwicklung begleitet von großartigen medizinischen Fortschritten, zum Beispiel die Einführung der Chirurgie der künstlichen Hüftgelenke in der 1970er-Jahren, die Modernisierung der Bauch- und Gelenkchirurgie durch die minimal-invasive, endoskopische Technik in den 1990er-Jahren, die Einführung des Gelenkersatzes auch für Knie- und Schultergelenke, die Einführung der Wirbelsäulenchirurgie und so weiter. Das gilt natürlich auch für die Innere Medizin, die Radiologie (Einführung der Computertomographie) und die Anästhesie. Bedauerlich, dass diese Gelegenheit zur Selbstdarstellung verpasst wurde!

Übrigens sollte auch die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Kreisklinik in der Medizin im Dritten Reich nicht vergessen werden. Jedenfalls wäre es schade, wenn bei den Besuchern nur der zweite historische Hinweis des Museums auf die medizinische Versorgung im Gedächtnis bleiben würde, nämlich das besondere Abteil im Zug nach München zum Abtransport von Verletzten. Noch ist ja sowas in der S 7 nicht geplant.

Matthias Richter-Turtur, Münsing

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