Neue Ausstellung am Schwankl-Eck:Stürmische Begegnungen

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Temel Nal vor seinem Exponat "Flowers Against Data III". Künstliche Intelligenz ist eines seiner Themen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Wolfratshauser Kunstturm präsentieren sich Temel Nal und Enzo Arduini unterschiedlich in ihren Techniken, aber harmonisch in der Gesamtwirkung.

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

Ganz ruhig steht ein Mann mit einem Stab in der Hand mitten im Bild und blickt anscheinend nach unten. Sein Gesicht ist expressionistisch reduziert. Die Konturen hat der italienische Maler und Bildhauer Enzo Arduini deutlich schwarz umrandet. Der "Pilger", so der Titel des Werks, scheint auf einer Wasserfläche zu stehen, es glitzert silbern um ihn herum, gebrochen durch blaue, grüne, gelbe und magentafarbene Farbflächen. Gleich daneben hängt die Serie "Blue Woman On The Pier" des Münchner Künstlers Temel Nal. Es ist eine einzigartige Fotoserie von gewaltiger Dynamik. Schemenhaft ist eine Frau zu erkennen, die einen königsblauen Umhang trägt. Sie läuft, kniet oder krümmt sich an einem Sandstrand zusammen. Die Technik ist einzigartig: Nal benutzt die Kamera als Pinsel.

Beide Werke sind in der Ausstellung "Begegnung in der Bewegung" zu sehen, die am vergangenen Donnerstag im Kunstturm am Schwankl-Eck eröffnet wurde. Zur Vernissage haben sich etwa hundert Kunstinteressierte eingefunden, darunter auch der türkische Generalkonsul Süalp Erdoğan, der nicht verwandt ist mit dem Präsidenten der Republik.

Enzo Arduini präsentiert sein vielfältiges Kunstschaffen, zu dem neben Gemälden auch Wandteller und Vasen gehören. (Foto: Hartmut Pöstges)
Enzo Arduini: "Waldgeist". (Foto: Hartmut Pöstges)

Tritt man näher an die Werke heran, fällt bei Arduinis 160 mal 240 Zentimeter messenden expressionistischen Gemälde auf, dass es mit einer Spachtel bearbeitet wurde. Dick sind die Ölfarben aufgetragen. Der Maler mischt sie nach Tradition der alten Meister: Pigmentfarben mit Leinöl. "Oben sieht man eine Brücke. Eine Brücke verbindet unterschiedliche Kulturen", erklärt Arduini.

Ganz anders die Werke von Temel Nal. Er schafft impressionistische Fotos. Seine einzigartige Technik hat er über Jahrzehnte hinweg entwickelt. Seine Fotos sind nicht am Computer nachbearbeitet. Lediglich durch eine minimale Verstärkung der Schärfe und Farbintensität erzielt er das Bild, das wiedergibt, was er zum Zeitpunkt der Entstehung empfindet. "Meine Werke entstehen, wenn sich das Licht bricht. Ich fühle die Farben, ich spüre das Licht", sagt der Künstler. Für seine Fotografien verwendet er eine Mittelformatkamera. Seine Fotos lässt er auf Büttenpapier und Aluminium Sheeting (Dye sublimation prints) drucken. Dabei ist er wählerisch, einige Werke hat er in New York drucken lassen, andere in der Türkei und in München.

So unterschiedlich die beiden Künstler sind, so gut harmonieren ihre Werke miteinander. Dies wird durch die Hängung verstärkt, die der Kuratorin Paula Domzalski zu verdanken ist. Von ihrem Büro in London aus hat sie zwei Monate lang die Werke ausgesucht und virtuell an den Platz gebracht. "Ich wollte es aufregend machen. Es sollten starke Emotionen erzeugt werden", sagt sie. Das ist ihr gelungen.

Im Eingangsbereich leuchtet Temel Nals großformatige Serie "Orange Storm III": sechs quadratische Fotografien, die zusammen diesen orangefarbenen Sturm ergeben. Ein Stoff in der Grundfarbe scheint mit königsblauen Strahlen durchzogen zu sein _ eine Wirkung, die durch Pailletten erzielt wird. Inspiriert wird der Künstler von der Natur, so entstand sein Werk mit dem Titel "Trees Against Data I" im Garten. Die Gehölze im Hintergrund sind als solche nicht zu erkennen: "Der Mensch entfernt sich immer mehr von der Natur und verliert sich im Virtuellen", sagt Nal.

In Arduinis Werk taucht immer wieder das Motiv des Pilgers auf - für den Künstler ein Sinnbild für die Suche nach neuen Ufern, nach einer neuen Zeit. Er verarbeitet es in seinen Gemälden, in Bronzeskulpturen, großen Keramik- und Porzellanvasen. Durch einen Deckenscheinwerfer, der blaues Licht erzeugt, werden sie in Szene gesetzt. Eine Skulptur heißt "Boot"; man erkennt einen Fährmann. "Er bewegt etwas, das ist sehr positiv. Er bringt die Menschen auf die andere Seite", sagt Arduini.

Der Italiener präsentiert auch große Vasen. Eine hat er selbst aus Porzellan geformt, glasiert und gebrannt, andere hat er bemalt. Auch ein Wandteller ist zu sehen. Seine künstlerischen Ideen setzt Arduini in verschiedenen Techniken und Materialien um und zeigt in Wolfratshausen seine ganze Bandbreite künstlerischer Schöpferkraft.

Die Ausstellung "Begegnung in der Bewegung" ist im Kunstturm Wolfratshausen, Obermarkt 33, bis 9. Februar zu sehen; geöffnet donnerstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr.

Treff im Turm

Im Kunstturm wird eine neue Veranstaltungsreihe eröffnet. Unter dem Titel "Treff im Turm" sollen Künstlergespräche mit Führungen durch die jeweils aktuellen Ausstellungen stattfinden.

"Was bewegt den Künstler? Warum malt er, was er malt? Warum formt er, was er formt? Wann nimmt er den Pinsel zur Hand, wann drückt er auf den Auslöser seiner Kamera?" Solche Fragen, so schreibt die freie Journalistin Andrea Weber, solle man am besten die Künstlerin oder den Künstler selbst beantworten lassen. Daher lädt Weber zusammen mit der Schriftstellerin Stephanie Fischer und der Kommunikationsexpertin Ute Schaeberle zum Gespräch in den Kunstturm ein. Erster Termin ist am Freitag, 19. Januar, von 19 Uhr an mit dem Fotografen Temel Nal und dem Maler und Bildhauer Enzo Arduini zur aktuellen Ausstellung "Begegnung in der Bewegung".

Ute Schaeberle, die auch Bildhauerin ist, wird in der Ankündigung mit den Worten zitiert: "Kunst ist Ausdruck des authentischen Selbst." Stephanie Fischer, so heißt es weiter, befasse sich als Schriftstellerin, Unternehmerin und "traumasensible Expertin intensiv mit Emotionen und dem Leben im Hier und Jetzt". Sie werde mit den Gästen durch ausgewählte künstlerische Arbeiten gehen und "nachspüren, was Farben und Formen bewirken, ohne sie interpretieren zu müssen".

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