Kinoabend in Wolfratshausen:Im Zeichen von Marie Juchacz

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Sie war die erste Frau in Deutschland, die politisches Rederecht bekommen - und genutzt hat. Der Kulturverein Isar-Loisach erinnert an sie und stimmt seine Gäste auf den Weltfrauentag ein.

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

"Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass eine Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf." Mit diesen Worten wandte sich Marie Juchacz am 19. Februar 1919 an die Weimarer Nationalversammlung. Es war eine denkwürdige Rede. Als eine von 37 Frauen war die alleinerziehende Mutter zweier Kinder und engagierte Sozialdemokratin nach Einführung des Frauenwahlrechts ins Parlament eingezogen. "Was diese Regierung getan hat", sagte sie, "das war eine Selbstverständlichkeit; sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist." Nachzulesen ist das etwa auf der Plattform "100 Köpfe der Demokratie" der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Exakt 105 Jahre später erinnert der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) an die streitbare Pionierin und mitreißende Rednerin, die auch als Begründerin der sozialen Wohlfahrtspflege gilt.

Unter dem Motto "Kopf über Stöckelschuh" lädt der KIL am Montag, 19. Februar, ins Kino Wolfratshausen ein. Auf dem Programm steht der deutsche Dokumentarfilm "Die Unbeugsamen" aus dem Jahr 2021. Regisseur Torsten Körner porträtiert darin Frauen der Bonner Republik, die sich - Jahrzehnte nach Juchacz' erster Rede - noch immer gegen männliche Borniertheit, sexistische Diskriminierung und Demütigungen zu wehren hatten. Der Filmabend "mit Akkordeon, Ansage und Apéro" soll die Gäste auf den Weltfrauentag einstimmen, der am 8. März international gefeiert wird.

Assunta Tammelleo ist Wirtin der Kulturbühne "Hinterhalt" und Vorsitzende des Kulturvereins Isar-Loisach. (Foto: Hartmut Pöstges)

Assunta Tammelleo, Vorsitzende des Kulturvereins, wird eingangs an Marie Juchacz erinnern und daran, "wie wichtig es ist, dass Frauen nicht nur wählen gehen, sondern aktiv Politik machen". Kaum jemand kenne heute noch den Namen der Frau, die 1919 die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mitbegründet und später unter den Nationalsozialisten jüdischen Menschen zur Flucht verholfen habe, sagt Tammelleo, "eine beeindruckende Frau".

Der Film "Die Unbeugsamen" zeige, womit Frauen in der Bonner Republik zu kämpfen hatten. "Furchtbar!", fasst Tammelleo zusammen. Die liberale Abgeordnete Helga Schuchardt etwa erinnere an eine Szene, als ihr der CSU-Abgeordnete Richard Stücklen auf dem Weg vom Rednerpult im Vorbeigehen über den Rücken gestrichen und dann den Daumen nach oben gereckt habe. "Er hatte mit den männlichen Parteikollegen gewettet, ob sie einen BH trägt oder nicht."

Wider das Frauenbild der AfD

Derzeit ist es das Frauenbild der AfD, das Tammelleo schaudern lässt. Den Kino-Abend sieht sie auch als Teil der aktuellen Kundgebungen und Demonstrationen für eine lebendige Demokratie und gegen rechtsradikales Gedankengut. "Ich hätte nie gedacht, nie, dass ich als zweite Generation Gastarbeiterkind zu hören bekomme, dass Leute wie ich in die Heimat ihrer Vorfahren zurückgeschickt werden sollen."

Männer sind zu dem Kino-Abend ausdrücklich auch eingeladen. "Wir werden in einer demokratischen Gesellschaft alles immer nur miteinander schaffen", sagt Tammelleo. "Wenn etwas besser werden soll, sind wir alle gefordert. Und bei der Abschaffung der Sklaverei haben ja auch die Gutsherren eine Rolle gespielt."

Montag, 19. Februar, 19.30 Uhr, Kino Wolfratshausen, Bahnhofstraße 10; Akkordeon, Ansage und Apéro sind im regulären Kino-Eintritt inbegriffen, der Film beginnt um 20 Uhr; Reservierungen ausschließlich über das Kino, Telefon 08171/21105 oder www.kino-wolfratshausen.de

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