Ehrenamtliche in Wolfratshausen:Stärker denn je

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Sein Vater hat ihn zur Feuerwehr gebracht. Nun ist Andreas Bauer der Chef der 86 Aktiven in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Andreas Bauer setzt als neuer Kommandant der Wolfratshauser Feuerwehr auf Stabilität

Von Tilman Voss, Wolfratshausen

"Beim Einsatz, da kommst du hin, und du weißt nicht, was auf dich zukommt." So beschreibt Andreas Bauer, neu an der Spitze der Freiwilligen Feuerwehr in Wolfratshausen, den Reiz seines Ehrenamtes. Der 37-Jährige wird die dortige Arbeit nun aus einer neuen Perspektive erleben: Im Januar ist er zum Kommandanten der Wolfratshauser Wehr gewählt worden. Schon seit dem Rücktritt seines Vorgängers, Andreas Spohn, im Oktober 2021 hatte Bauer das Amt kommissarisch ausgeübt. Nach seiner Wahl soll er in der nächsten Stadtratssitzung im Amt bestätigt werden.

Bauer ist bereits seit dem Jahr 2000 Mitglied der Wolfratshauser Feuerwehr. Doch die Entscheidung, dorthin zu gehen, traf noch sein Vater. Er habe ihm damals gesagt, "jetzt musst du irgendwas machen", erzählt Bauer und fügt lachend hinzu, dass ihm das Fußballtraining wohl nicht genug gewesen sei. Anfangs habe er sich eher der väterlichen Entscheidung gefügt, doch mit der Zeit sei sein Interesse an der Feuerwehr mehr und mehr gewachsen. So kann er inzwischen auf 22 Jahre ehrenamtlicher Arbeit mit vielen Einsätzen zurückblicken.

Der für ihn persönlich schwerste Einsatz liegt erst etwas mehr als ein Jahr zurück. Im Dezember 2020 brannte am Obermarkt in Wolfratshausen das Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses. Dabei waren drei Menschen vom Feuer eingeschlossen. Der Einsatz dauerte mehrere Stunden und wurde dadurch erschwert, dass der Zugang zum brennenden Dachgeschoss auch mit Hilfsmitteln wie einer Drehleiter kaum möglich war. Mehr als 70 Einsatzkräfte aus der Region waren an der Löschung des Feuers beteiligt. Bei dem Brand wurden fünf Menschen verletzt, unter ihnen ein Angehöriger der Wolfratshauser Feuerwehr, der für einen Monat im Krankenhaus behandelt werden musste. "Da ist ganz was anderes dahinter", sagt Bauer über den Einsatz. Keine Schulung könne einen auf ein solches Szenario vorbereiten.

2019 wurde Bauer stellvertretender Kommandant und Zugführer - was nichts mit den auf Schienen fahrenden Zügen zu tun hat, sondern die Bezeichnung für den Leiter eines kompletten Feuerwehrzugs mit mindestens zwei Löschgruppen und Löschfahrzeugen ist. Nun, als Kommandant, ist er zu seinen ursprünglichen Pflichten auch für die Verwaltung und Haushaltsplanung zuständig. Themen, die er als Stellvertreter "nur nebenbei" mitbekommen habe. Dazu kommt das eigentliche "Hauptgeschäft" der Feuerwehr, die Einsätze.

Das Jahr 2021 war laut Bauer das intensivste seit seinem Beitritt zur Feuerwehr. Die Ehrenamtlichen waren 355 Mal im Einsatz. Allein im Juni, als eine sogenannte Superzelle mit mehreren Gewittern und Hagelschlag erhebliche Schäden im gesamten Landkreis verursachte, seien es etwa 100 Einsätze gewesen, sagt Bauer. So kamen die 86 Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr im vergangenen Jahr mit Besprechungen und Übungen auf mehr als 9000 Stunden - alles ehrenamtlich. Zusammen mit der beruflichen Arbeit entsteht so für viele eine Doppelbelastung. Dies gilt auch für Bauer. Er arbeitet als Mess- und Regeltechniker. Gleichzeitig ist er als Ehemann und Vater familiär gefordert. Doch er könne sich - zum Glück, wie er sagt - der Unterstützung seiner Frau und der beiden Kinder sicher sein. Als es darum ging, ob er Kommandant werden solle, habe die Familie zugestimmt: "Das ist ja wohl klar, dass du das jetzt machst." Seine Familie habe ihm da gar keine Wahl gelassen, sagt Bauer amüsiert: "Es war keine Option, dass ich das nicht mache."

So sei er mehr eingespannt als davor, aber mit der richtigen Organisation und dem familiären Rückhalt sei diese Doppelrolle gut zu bewältigen. Sein Vorgänger Andreas Spohn war als Kommandant zurückgetreten, weil er sich nach eigener Aussage ständigen persönlichen Angriffen aus der mit der Wolfratshauser Wehr zusammenarbeitenden Weidacher Wehr ausgesetzt gesehen habe. Angesprochen auf diesen Konflikt, wirbt Bauer versöhnlich um einen Neustart der Beziehungen: "Wir schauen positiv in die Zukunft und werden das Gespräch suchen." Er ist zuversichtlich, dass die Streitigkeiten sachlich beigelegt werden können. Die Zusammenarbeit beider Wehren verlaufe seiner Ansicht nach problemlos.

Generell möchte Bauer als neuer Kommandant auf Stabilität setzen. So soll die Arbeit der vergangenen Jahre fortgeführt werden. Es gibt nämlich auch strukturelle Herausforderungen, vor denen die Feuerwehr steht. Bauer sagt, langfristig könne der Nachwuchsmangel zum Problem der lokalen Feuerwehr werden. So könnten sich aufgrund steigender Immobilienpreise immer weniger Menschen ein Leben im Landkreis leisten. Bauer berichtet, die Feuerwehr habe bereits das ein oder andere Mitglied wegen Umzugs verloren.

Momentan ist jedoch Corona die größte Herausforderung für die Feuerwehr. Die Pandemie wirke sich zwar kaum auf die Einsätze aus, erklärt der Kommandant. Aber es mangle am sozialen Miteinander. In den vergangenen zwei Jahre hätten die Mitglieder auf fast sämtliche Gemeinschaftsaktivitäten wie Sommer- oder Weihnachtsfeste verzichten müssen. "Man sieht sich eigentlich nur noch zum Üben und für die Einsätze." Die Feuerwehr könne sich dennoch glücklich schätzen, meint Bauer, denn der Zusammenhalt sei stärker denn je.

© SZ vom 09.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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