Tölzer Tafel ruft um Hilfe:Die Armut wächst

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Frisch, aber nicht mehr im Laden verkäuflich sind die Waren, die von den Tafeln verteilt werden. Auf unserem Bild die Verteilstelle im LaVida. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Zahl der bedürftigen Kunden ist zuletzt sprunghaft auf 300 gestiegen - darunter vor allem Flüchtlinge. Die Helfer haben eine dritte Ausgabestelle eröffnet und brauchen dringend Unterstützung. Auch in Wolfratshausen gibt es Probleme.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Mit der wachsenden Zahl an Flüchtlingen müssen sich auch die Tafeln im Landkreis auf mehr Kundschaft einstellen. Einen geradezu sprunghaften Anstieg verzeichnete in den vergangenen Monaten die Tölzer Tafel. Inzwischen nehmen 300 Menschen pro Woche in der Kurstadt die kostenlose Essensausgabe in Anspruch, "das sind 30 Prozent mehr als im letzten Jahr", sagt Organisator Wolfgang Emmerich.

Neben der Grundschule am Lettenholz und der Südschule gibt es deshalb seit zwei Monaten eine dritte Anlaufstelle im Franziskuszentrum - unweit vom Hotel Jodquellenhof, in dem Asylbewerber seit Juni einquartiert sind. Um die Verteilung der Lebensmittel zu bewältigen, sucht die Tafel dringend neue Helfer.

Kein Zweifel: Starker Zulauf durch Flüchtlinge

Wie viele Asylsuchende unter seinen Klienten sind, mag sich Emmerich nicht entlocken lassen. "Wir kennen nur Bedürftige. Was sie sind und woher sie sind, ist nebensächlich." Allerdings lässt er keinen Zweifel daran, dass der starke Zulauf auf die Ankunft der Flüchtlinge zurückzuführen ist. Sei Jahresbeginn habe Tölz ja immer mehr Asylbewerber bekommen, sagt er. Sie erhalten mit einem Regelsatz von 326 Euro im Monat noch weniger Geld als Sozialhilfeempfänger (399 Euro), deren Zahl mit 700 im Landkreis in den vergangenen Jahren konstant blieb. Beide können die Sozialcard des Landkreises nutzen, die zur kostenfreien Versorgung mit Lebensmitteln durch die Tafeln berechtigt. Zwischen alten und neuen Kunden sieht Emmerich "kein Ungleichgewicht".

Derzeit hat er etwa 70 Helfer auf seiner Mitarbeiterliste. Manche fallen wegen Krankheit und Urlaub aber immer mal aus, weshalb ein größeres Team vonnöten sei, um die Arbeit an den jetzt drei Ausgabestellen zu stemmen. Die Tölzer Tafel sucht deshalb weitere Helfer, die mit anpacken und "auch ein Kiste tragen können", ebenso Fahrer für das Lieferauto. "Wenn wir wenigstens noch zehn bekommen können, wäre das eine tolle Sache", meinte der Organisator. Die Tafel deckt den Tisch jeweils am Samstagnachmittag im Franziskuszentrum, von 17 Uhr an in der Lettenholzschule und danach in der Südschule (18.30 Uhr). Die meisten Freiwilligen helfen einmal im Monat mit.

Auch im Nordlandkreis könnte die Zahl erheblich steigen

Bei der Geretsrieder-Wolfratshauser Tafel ist es "im Moment noch relativ ruhig", wie Vorsitzender Peter Grooten berichtet. In der städtischen Notunterkunft für Obdachlose an der Jeschkenstraße findet die Essensausgabe jeweils montags und samstags statt, die Zahl neuer Kunden sei dort "fast Null", so Grooten. Im Wolfratshauser Jugendhaus "La Vida" ist der Termin immer mittwochs, dort gebe es "einen zögerlichen Zulauf" an Neuzugängen. Insgesamt versorgt die Tafel in den beiden Städten etwa 800 Menschen, darunter sind jeweils circa 130 Flüchtlinge. Ihre Zahl könnte erheblich steigen, wenn in Geretsried bald Plätze für Hunderte Asylsuchende entstehen. Das weiß auch Grooten, der schon jetzt ein Problem hat: Im "La Vida" herrscht bei der Verteilung der Lebensmittel drangvolle Enge, vor allem im Winter.

Der Vorsitzende ist deshalb schon auf Bürgermeister Klaus Heilinglechner zugegangen. Er würde gerne in die alte Landwirtschaftsschule an der Bahnhofstraße ausweichen. Doch Heilinglechner haben ihm diesbezüglich "noch keine Zusage machen können". Finde die Tafel in Wolfratshausen keine neuen Räume, "dann müssen wir einen Aufnahmestopp einlegen - für alle", sagt Grooten.

Weder politisch noch religiös

Zu Streit zwischen einheimischen Bedürftigen und Asylbewerbern kommt es an der Tafel kaum. "Das ist selten ein Problem, und wenn, dann ist das nur unterschwellig", sagt der Vorsitzende. Die Mitarbeiter würden auch "sofort und energisch" einschreiten, falls es zu Zwischenfällen käme. Ansonsten unterscheidet Grooten zwischen den Kunden ebenso wenig wie Emmerich: "Wir sind weder politisch noch religiös - wir sind auch geschlechtsneutral."

Mit knapp 60 Helfern versorgt die Lenggrieser Tafel derzeit etwa 35 bis 40 Bedürftige in der Woche. Dabei handle es sich um Stammkunden, die von Anfang an dabei seien, also seit acht Jahren, sagt Vorsitzende Brigitte Opitz. Flüchtlinge könne die Tafel "im normalen Tagesgeschehen nicht versorgen". Der Grund: Die Zahl und die Größe der Supermärkte und Geschäfte in Lenggries ist zu klein, um die dafür notwendigen Lebensmittel zu bekommen.

Wer bei der Tölzer Tafel mitarbeiten möchte, kann sich an Organisator Wolfgang Emmerich wenden, Telefon 08041/80 49 64, E-Mail: emmerich-badtoelz@online.de

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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