Wolfratshausen:Alles auf Anfang im Untermarkt

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Das ehemalige Landgericht am Untermarkt 10 gehört zu den markantesten Gebäuden der Altstadt. Die Räume, in denen unter anderem ein Tourismusbüro unterkommen soll, sind allerdings stark mit Schadstoffen belastet. Um sie wieder nutzbar zu machen, müsste die Stadt gut eine Million Euro ausgeben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nach dem Bürgerladen-Debakel wollte der Stadtrat aus der Immobilie ein zweites Rathaus machen. Nun zeigt sich: In den Mauern stecken Schadstoffe, die Sanierung kostet eine Million Euro.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Aus der städtischen Immobilie am Untermarkt 10 eine Außenstelle des Rathauses mit Tourismusbüro und Stadtmanagement zu machen, kostet doppelt so viel wie bisher angenommen. Das geht aus der Kostenberechnung hervor, die der Bauplaner Anton Leitner am Mittwoch im Wolfratshauser Bauausschuss vorgestellt hat. Demnach ist das Gebäude schwer mit Schadstoffen belastet und muss von Grund auf saniert werden. Leitner, der das Haus begutachtet hat, schätzt die Kosten für den Umbau im Erdgeschoss auf zirka 847 000 Euro, für den dringend benötigten Brandschutz kämen noch einmal 188 000 Euro hinzu.

Damit wäre der Umbau sogar noch teurer als der Bürgerladen, den eine Initiative im vergangenen Jahr in dem Bau errichten wollte. Das Projekt ist in einem Bürgerbegehren knapp gescheitert, auch weil eine Koalition aus 16 Stadträten sich aus Kostengründen dagegen ausgesprochen hatte. Zuletzt hatte der Stadtrat die Nutzung mit Tourismusbüro beschlossen. Die auf dafür nötige Instandsetzung sei mit den ursprünglich einmal angesetzten 450 000 Euro machbar, hieß es. Leitners Kostenschätzung zeigt, dass das so nicht möglich ist.

Der Tutzinger Bauunternehmer hatte das Gebäude im Mai und im Juni inspiziert, zusammen mit den Stadträten Günther Eibl (CSU), Josef Praller (BVW) und Rudi Seibt (Grüne). Seine Ergebnisse sind ernüchternd: Die Begutachtung habe schnell gezeigt, dass die angestrebte Instandsetzung so nicht machbar sei. "Eine Pinselsanierung ist auf keinen Fall möglich", sagte Leitner. "Alleine wegen der Schadstoffe." Das Gebäude sei schwer mit so genannten polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) belastet, die sich im Putzträger und unter dem Estrich befänden. Die Konzentration der krebserregenden Stoffe, die sich etwa in verbauten Bitumenbahnen fänden, überschreite die Grenzwerte zum Teil um das 59 000-Fache.

Putz und Boden müssten komplett entfernt werden, erläuterte Leitner, samt Haustechnik. Vor einer Sanierung müsse man das Gebäude praktisch in den Zustand eines Rohbaus zurückversetzen. Ohne eine nachhaltige Sanierung seien Büros dort nicht zu verantworten. Die veranschlagten 450 000 Euro zu investieren, sei "rausgeschmissenes Geld", befand der Fachmann. "Damit kann man's schön machen, aber nicht fachgerecht."

Die Ausschussmitglieder zeigten sich konsterniert. "Ich bin total überrascht von den Schadstoffwerten", sagte etwa der Dritte Bürgermeister Fritz Schnaller (SPD). Diese seien jedoch ein "Kriterium, das man akzeptieren muss. Wir wollten ursprünglich eine Instandsetzung", sagte Schnaller. "Wenn ich das höre, relativiert sich das." Überrascht zeigte sich auch Hans Schmidt (Grüne). "Wenn klar gewesen wäre, dass sowohl der Boden als auch die Wände in diesem Maß belastet sind, wäre die Diskussion anders verlaufen", sagte er. Auf eine Schadstoffbelastung habe jedoch schon das erste Gutachten für den Bürgerladen vom Juli 2015 hingewiesen, sagte Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). "Das war von vornherein klar. Aber was die Verwaltung sagt, wird ignoriert. Bis man es Schwarz auf weiß hat." Schmidt wiederum bemängelte, dass damals nur allgemein von einer Schadstoffbelastung die Rede gewesen sei, ohne die Werte aufzulisten. "Dann geben Sie es uns Schwarz auf Weiß", entgegnete er.

Zwar ergab die Diskussion mit Leitner und zwei anderen für die Haustechnik verantwortlichen Gutachtern auch kleinere Einsparpotenziale, etwa bei der Lüftungsanlage im geplanten Trauungszimmer. Insgesamt aber fanden sich die Ausschussmitglieder mit der Einschätzung ab. Die an den Begehungen beteiligten Stadträte lobten die konstruktive Zusammenarbeit mit der Baufirma. "Es war wichtig, eine Immobilie im eigenen Bestand, in der seit 40 Jahren nichts gemacht wurde, von oben bis unten anzuschauen", sagte der Fraktionssprecher der BVW, Josef Praller. Dazu gehöre auch ein möglicher Ausbau des Dachgeschosses, den Leitner mit weiteren 879 000 Euro taxiert. Die Kosten der Sanierung seien allerdings "in keinster Weise in unserem Budget darstellbar". Auch Schnaller fand die Ergebnisse "sehr aufschlussreich", um anzumerken: "Wir haben die Schwierigkeit, dass es hier richtig um Geld geht, und wir nicht gerade eine Kommune sind, die im Geld schwimmt."

Praller setzte der Diskussion ein Ende. "Es ist sehr gut, dass wir endlich mal Tacheles reden über dieses Gebäude", sagte er. "Aber jetzt langt's." Auf seinen Antrag hin entschied der Bauausschuss schließlich einstimmig, das Protokoll mit Leitners Ergebnissen allen Stadträten zukommen zu lassen, damit sich die Fraktionen beraten können. Im Oktober soll der Stadtrat definitiv entscheiden, was mit dem Gebäude passieren soll.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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