Tierschutz oder Abschuss:Uneins über den Wolf

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Über den Umgang mit dem Wolf wird im Wahlkampf auch im Landkreis kontrovers diskutiert. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Im Wahlkampf wird über den Beutegreifer heftig diskutiert, selbst bei den Grünen gibt es im Bund und auf kommunaler Ebene unterschiedliche Meinungen. Umstritten ist außerdem die neue Wolfsverordnung in Bayern, deren Umsetzung bislang unklar ist.

Von Petra Schneider, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Wolf ist zurück. Gut oder schlecht? Die Meinungen über den Beutegreifer hängen nicht zuletzt davon ab, wie nah oder fern sein Lebensraum ist - Städter haben da womöglich andere Ansichten als Landbewohner. Und auch bei den Grünen gibt es Unterschiede, auf Bundesebene, auf kommunaler Ebene. Denn der Bundestag hat am 27. April mit allen Stimmen der Grünen-Fraktion einen Antrag von CSU/CSU abgelehnt, eine Bejagung des Wolfs im Rahmen eines Bestandsmanagements zu erleichtern; dagegen stimmten drei Vertreter der Grünen im Lenggrieser Gemeinderat dafür, dass sich der Landkreis eben für ein solches Bestandsmanagement auf Bundesebene einsetzen soll.

Alexander Radwan, Mitglied des Bundestags, hält ein Verbot der Kombinationshaltung für praxisuntauglich. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Kritik der CSU ließ nicht lange auf sich warten. Alexander Radwan, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis, wies nach der Schlappe für die Union auf diese Diskrepanz hin und warf den Grünen im Bund vor, realitätsfern zu sein. Mit ihrem Nein zum Antrag hätten sie gezeigt, "wie weit sie von der Realität im Alpenraum entfernt sind", erklärte Radwan. Im Lenggrieser Gemeinderat dagegen, "wo man das Problem vor Ort kennt", stellten sich auch Grüne "voll an die Seite der Almbauern", erklärte der CSU-Abgeordnete.

"Reiner Wahlkampf" sei der Antrag der Union gewesen, kontert Karl Bär, Wahlkreisabgeordneter der Grünen im Bundestag. Der Holzkirchner will sich von seinem CSU-Bundestagskollegen keinen innerparteilichen Zwist unterschieben lassen. Er habe Verständnis für das Votum der Lenggrieser Grünen, sagt Bär: "Die kriegen vor Ort riesigen Druck." In seiner Partei sei man es außerdem gewohnt, "unterschiedliche Meinungen zu haben". Und im Übrigen sei er gar nicht so weit weg von seinen Parteifreunden aus der Brauneck-Gemeinde, findet Bär. Denn dass es auf den Almen im Alpenraum ein Problem mit dem Wolf geben könne, "das sehe ich schon". Seiner Ansicht nach spreche auch nichts dagegen, einzelne "Problemwölfe" abzuschießen. Dies sei ja längst möglich, weil Landratsämter relativ problemlos eine Abschussgenehmigung für verhaltensauffällige Tiere von der Regierung von Oberbayern bekämen.

Die CSU-Kritik weist Grünen-Bundestagsabgeordneter Karl Bär als "reinen Wahlkampf" zurück. (Foto: Manfred Neubauer)

"Aber dass die Lösung eine Absenkung des Schutzstatus sein soll, das sehe ich nicht", stellt Bär klar. Er hält es für falsch, bei den Bauern den Eindruck zu erwecken, man könne das Problem "mit Gewehren lösen". Da Wölfe große Entfernungen zurücklegten, müsste diese Vorgehensweise dann europaweit zu ihrer Ausrottung führen - was natürlich gegen das europäische Artenschutzgesetz verstoße und auch nicht mit einem Bundestagsbeschluss zu machen sei. Derzeit gebe es 23 Wölfe in Bayern, die Aufregung sei unverhältnismäßig groß, findet Bär. "Wir müssen damit leben, dass es Wölfe gibt, und dass sie zu uns kommen."

Wichtig sind seiner Ansicht nach Maßnahmen zum Herdenschutz, die in manchen Alpenregionen "topographisch und in touristischer Hinsicht" jedoch schwierig seien. Für Bär braucht es mehr Monitoring mittels GPS-Tracking und klare Regelungen, wie etwa in Brandenburg: Dort darf ein Wolf, der innerhalb von vier Wochen mindestens zweimal Herdenschutzzäune überwindet und Nutztiere reißt, abgeschossen werden.

Bayern hat Abschüsse mit neuer Wolfsverordnung deutlich erleichtert

Auch Bayern hat nun reagiert und den Beschluss in Berlin gar nicht erst abgewartet: Bereits am 25. April verabschiedete der Ministerrat eine neue Wolfsverordnung, die Abschüsse deutlich erleichtert. Seit 1. Mai dürfen demnach Wölfe, die sich Menschen nähern, aggressives Verhalten zeigen oder Nutztiere in "nicht schützbaren Weidegebieten" reißen, bejagt werden. "Ein Riss reicht", hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als markige Losung ausgegeben. Damit geht Bayern über eine Verordnung des Nachbarlands Tirol hinaus, das seit April Abschüsse erlaubt, wenn mindestens fünf Weidetiere gerissen wurden.

Um "schnelle und ortskundige Reaktionen zu ermöglichen", verlagerte der Ministerrat außerdem die Zuständigkeit von der Bezirksregierung an die Unteren Naturschutzbehörden in den Landratsämtern. Wie dort die neue Verordnung konkret umgesetzt werden soll - wie zum Beispiel sichergestellt werden soll, dass tatsächlich ein Schaden stiftender Wolf abgeschossen wird, in welchem Radius er gejagt werden darf, und für wie lange -, all das ist noch nicht geklärt.

Tölzer Landratsamt hält sich zu neuer Verordnung bedeckt

Das Ministerium habe angekündigt, dass "Vollzugsbekanntmachungen" versandt würden, teilt das Tölzer Landratsamt auf Anfrage mit. "Bevor uns diese vorliegen, können wir zu den gestellten Fragen keine Antwort liefern." Trotz der neuen Verordnung werde - wegen des hohen europäischen Schutzstatus des Wolfes - allerdings ein "umfangreiches Prüfverfahren" ausgelöst, ehe Maßnahmen getroffen würden, teilt die Kreisbehörde mit. Nicht nur Karl Bär hält die neue Wolfsverordnung für "rechtlich fragwürdig". Auch der Bund Naturschutz hat eine Klage angekündigt.

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