Diskussion über den Wolf:Auf der Seite der Almbauern

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Der strenge Schutzstatus des Wolfs soll gesenkt werden: Dafür tritt der Gemeinderat in Lenggries ein. Nur Sabine Gerg (SPD) stimmte dagegen. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Der Lenggrieser Gemeinderat schließt sich dem Antrag von CSU und Freien Wählern an, den Schutzstatus der Tierart zu senken. Bürgermeister Stefan Klaffenbacher plädiert für ein Bestandsmanagement

Von Petra Schneider, Lenggries

In Lenggries stellt man sich in der Diskussion über den Wolf auf die Seite der Almbauern: Mit nur einer Gegenstimme hat der Gemeinderat beschlossen, den Antrag von CSU und Freien Wählern im Kreistag zu unterstützen, wonach der strenge Schutzstatus des Wolfes gesenkt werden soll, um Abschüsse zu erleichtern. Rückendeckung hat der Gemeinderat außerdem dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen gegeben, der bei der Regierung von Oberbayern einen Antrag auf Errichtung eines Weideschutzgebiets gestellt hat.

Auch in Lenggries sieht man "dringenden Handlungsbedarf", wie Bürgermeister Stefan Klaffenbacher (FWG) erklärte. Denn bei einer Wolfspopulation von derzeit rund 2000 Tieren in Deutschland, die jährlich um 30 Prozent wachsen werde, sei der Schutzstatus des Beutegreifers längst überholt. Wölfe kämen immer mehr in die Nähe von Menschen und bedrohten Nutztieren. Die Almbauern ließen ihre Tiere dann womöglich nicht mehr auf die Weiden - was sich negativ auf die Kulturlandschaft und die Artenvielfalt auswirke, weil Wiesen ohne Beweidung verbuschen.

Auf die Bedeutung der Almwirtschaft verwies Josef Wasensteiner, Fraktionssprecher der CSU im Lenggrieser Gemeinderat. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Lenggries hat die Almwirtschaft große Bedeutung: Laut CSU-Fraktionschef Josef Wasensteiner gibt es etwa 130 Betriebe mit Tierhaltung, davon 60 Almbauern. Die Weiden seien auf fünf bis zehn verschiedene Gebieten verteilt, was Schutzzäune praktisch unmöglich mache. Vorschläge, die Tiere täglich von den Almen herunterzuholen und sie nachts in Pferchen vor Wolfsangriffen zu schützen, sei personell nicht möglich und widerspreche der Idee der Almhaltung. Auch Herdenschutzhunde seien keine praktikable Lösung. Denn über 400 wären laut Wasensteiner nötig - die einen Platz im Winter und viel Futter bräuchten.

"Aber bei uns gibt es einen Hype um den Wolf."

In der Diskussion würden oft Argumente vorgebracht, "die mit der Praxis nichts zu tun haben", sagte Wasensteiner. So werde etwa behauptet, dass Wölfe nur alte und verletzte Tiere rissen. Das sei nicht richtig. "Wölfe nehmen, was leicht zu haben ist." Almbauern müssten sich wehren können. Für das Rotwild gebe es doch auch Abschusszahlen, "und das wird dadurch nicht ausgerottet". Derzeit stehe der Wolf auf nationaler und europäischer Ebene unter strengstem Schutzstatus IV. Um ein aktives Bestandsmanagement möglich zu machen, müsste dieser in Status V überführt werden. Brüssel lasse dies zu, sagte Wasensteiner, denn die Länder könnten selbst entscheiden, wie sie mit dem Wolf verfahren wollten. Schweden etwa, ein Flächenland mit viel geringerer Einwohnerzahl, begrenze den Bestand. "Aber bei uns gibt es einen Hype um den Wolf", sagte der CSU-Chef. Druck von unten sei nötig, damit die Bundesregierung in Brüssel vorstellig werde. Das Ziel müsse sein, Landwirtschaft und Kulturlandschaft zu erhalten, "denn es geht auch um den Tourismus".

Elisabeth Ertl (CSU) wies auf Probleme mit Wolfs-Hybriden hin, die es bereits vor 15 Jahren in der Lausitz gegeben habe. Denn solche Kreuzungen aus Wolf und Hund hätten keine Scheu vor dem Menschen. Auch Bürgermeister Klaffenbacher plädierte für eine Senkung des Schutzstatus, um ein Bestandsmanagement möglich zu machen. Ziel sei nicht die Ausrottung oder komplette Vertreibung des Wolfs, sondern eine Begrenzung. Eine Entscheidung über den Schutzstatus liege nicht in der Zuständigkeit von Gemeindegremien. Aber weil die Problematik im südlichen Alpenraum am größten sei, "sehe ich uns in der Pflicht, dass wir uns damit befassen", sagte er.

Grüne kritisieren "Bierzelt-Propaganda-Reden"

Die Grünen stimmten dem Beschluss zu, kritisierten aber "Schwarz-Weiß-Diskussionen" und "Bierzelt-Propaganda-Reden". Sabine Gerg (SPD) votierte als Einzige dagegen. Sie stehe auf der Seite der Almbauern, betonte sie. Aber den Wolf aus der Roten Liste zu streichen, "ist für mich echt ein Problem". Dazu brauche es die Einschätzung von Fachleuten. "Ich will auf dem Rücken des Wolfs kein Politikum austragen", sagte Gerg. Die Diskussion falle in den Landtagswahlkampf, räumte Klaffenbacher ein. Aber angesichts einer Wolfspopulation, die jedes Jahr um ein Drittel steige, sei es "höchste Eisenbahn".

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