Wie man den Artenschutz fördert:Lieber bunt als nur grün

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Auf den Wiesen im Landkreis blühen oft Blumen. Das freut nicht nur Kühe wie hier in Gaißach, sondern auch zahlreiche Insektenarten. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Kommunen im Landkreis verzichten weitgehend auf den Einsatz von Pestiziden. Für die Landwirtschaft gilt das nicht flächendeckend. Einen Anreiz schaffen sogenannte Blühpatenschaften. Sie fördern den Artenschutz und lohnen sich auch für die Bauern

Von Nora Schumann, Wolfratshausen

Eine Fahrt übers Land, die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos, und am Straßenrand blühen bunte Wiesenblumen. Doch dann ein überraschender Anblick: Wie von unsichtbarer Hand gezogen verläuft eine Linie quer durch die Wiese. Auf der einen Seite Farben- und Formenvielfalt, auf der anderen Seite Grün so weit das Auge reicht, keine Blüte zu entdecken. Sind Pestizide die Ursache für so eine optische Diskrepanz?

Genau könne er das nicht sagen, meint Landwirt Franz Grenzebach. Es sei aber gut möglich, dass die "nur" grünen Flächen eigentlich Ackerflächen seien. "Da werden dann beispielsweise Ackergräser oder Getreidegräser gesät, je nach Fruchtfolge", sagt der Münsinger Bauer. Dass dazwischen kein Löwenzahn wachse, könne durchaus an Herbizidmaßnahmen konventioneller Landwirtschaft liegen, beim biologischen Landbau könnten Striegelmaßnahmen die Ursache sein, so Grenzebach.

Auch Friedl Krönauer, Vorsitzender der Kreisgruppe des Bundes Naturschutz (BN), kann sich nicht vorstellen, dass ein Landwirt eine reine Grünfläche mit Pestiziden behandeln würde. "Das wäre schon ein grobes Vorgehen", sagt Krönauer. Teilweise gebe es am Rand von Ackerflächen Blühstreifen. "Das ist für die Insekten ganz nett", sagt Krönauer. "Aber Bodenbrüter haben es dann trotzdem schwer." Würden die Wiesen gemäht oder übermäßig gedüngt, würden die Tiere "plattgemacht".

Spätestens seit dem Streit um die krebserregende Wirkung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat und dem bekannt gewordenen Ausmaß des weltweiten Artensterbens ist der Einsatz von Pestiziden umstritten. Auch im Landkreis gibt es Initiativen, die ihre Verwendung einschränken oder untersagen wollen. Der BN-Kreisverband hat die Gemeinden dazu aufgerufen, pestizidfrei zu werden. Mit Pestiziden sind dabei synthetische Substanzen gemeint, "die ungewollte Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Pilze) töten oder schädigen, um eine gewünschte Pflanze (Kulturpflanze) nicht zu beeinträchtigen", heißt es in einer Stellungnahme des BN. Zu den Pestiziden gehören Herbizide (gegen Kräuter), Insektizide (gegen Insekten) und Fungizide (gegen Pilze).

Kommunen im Landkreis verzichten auf Pestizideinsatz

"In Deutschland wurden im Jahr 2015 fast 49 000 Tonnen reiner Pestizidwirkstoff abgegeben", teil der BN mit. "Davon wurden rund 35 000 Tonnen in Landwirtschaft, Hobbygärten und auf kommunalen Flächen ausgebracht, der Rest im Vorratsschutz." Zumindest auf kommunalen Flächen soll damit Schluss sein. "Wir erhoffen uns eine Signalwirkung auch für private Flächen", sagt Krönauer. Als nächstes sei geplant, die Klöster und Kirchen zu kontaktieren, "die haben hier im Landkreis relativ viel Flächenbesitz", so Krönauer. Statt chemischer Mittel empfiehlt der Bund Naturschutz einen Umstieg auf thermische oder mechanische Verfahren - und ein Umdenken bei den Bürgern, ob auf Feld und Straße wirklich alles so "sauber" und "ordentlich" aussehen müsse. Bislang hätten 16 Kommunen eine positive Rückmeldung gegeben oder seien bereits pestizidfrei, darunter Bad Tölz, Lenggries, Eurasburg, Wolfratshausen und Dietramszell. Die auf der Liste des BN fehlenden Gemeinden wie Reichersbeuern, Sachsenkam und Wackersberg geben auf Nachfrage bekannt, dass auch sie seit Jahren auf chemische Unkrautvernichtung verzichten. "Wir lassen's wachsen", sagt Alois Bauer, Bürgermeister von Wackersberg. Auf Kopfsteinpflaster werde höchstens mechanisch mit Stahlbesen gearbeitet. Die Kommunen im Landkreis sind also auf eigenem Grund bereits weitgehend pestizidfrei.

Für die Landwirtschaft gilt das nicht flächendeckend. Franz Grenzebach hat als konventioneller Landwirt das Volksbegehren "Rettet die Bienen" zwar nicht unterstützt, engagiert sich aber auf seine Weise für den Artenschutz. Er stellt derzeit rund zehn Prozent seiner Flächen als Blühfläche zur Verfügung. Interessenten können für 30 Euro im Jahr eine dreijährige Patenschaft für 100 Quadratmeter Blumenwiese erwerben. Dort wird nicht gemäht und nicht gedüngt und erst recht nicht gespritzt. Das Projekt hat so viel Zuspruch erhalten, dass Grenzebach die ursprünglich geplante Fläche von 20 000 Quadratmetern bereits verdoppelt hat.

Ein Baustein von vielen

Krönauer sieht die Idee mit gemischten Gefühlen. "Vorsichtig gesagt ist es ein Geschäftsmodell", sagt er über die Blühpatenschaften. "Wenn man die Einnahmen pro Hektar hochrechnet, ist es weit mehr, als wenn der Landwirt sich einem entsprechenden Naturschutzprogramm der EU anschließt." Auch sei es wichtig, wie die Wiesen angelegt werden. Es müssten mehrjährige typische regionale Wildkräuter- und Blumen sein. "Sukzessive entwickelt sich die Wiese von Jahr zu Jahr nach drei bis fünf Jahren Bestand", erklärt Krönauer. Kleinreden möchte er die Blühprojekte aber auch nicht. "Es ist wichtig, aber es kann nur ein Baustein von vielen sein."

Franz Grenzebach hat auf seinen Feldern die ersten Blumensamen angesät, die ihm die untere Naturschutzbehörde empfohlen hat. Für drei Jahre hat er seine Blühwiesen angelegt. Der wirtschaftliche Nutzen pro Hektar sei zwar höher, als wenn er Getreide anbaue, sagt er. Darin sei aber nicht der Stundenaufwand berücksichtigt, den das Projekt erfordere: Veranstaltungen organisieren, Imker kontaktieren, Anfragen und Verträge bearbeiten. Neben dem Artenschutz kann er einen weiteren Effekt des Blühprojekts feststellen: Er sei mit Leuten ins Gespräch gekommen, die er sonst nicht getroffen hätte. Mit ihnen habe er etwa über Herausforderungen für die Landwirte sprechen können.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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