Vorträge und Konzerte:Mit dem Blick auf Tölz nach Venedig

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Seit dem Thomas-Mann-Jahr hat Bad Tölz einiges getan, um an den Literaturnobelpreisträger zu erinnern. Dazu gehört auch der drei Kilometer lange Thomas-Mann-Weg. An acht Stationen wie am Klammerweiher können die Besucher Zitate und Textpassagen aus seinen Werken lesen. (Foto: Manfred_Neubauer)

Beim ersten Thomas-Mann-Festival der Kreisstadt steht die bekannteste Novelle des Dichters im Mittelpunkt

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Arbeitszimmer mit dem Erker ist eher ein Kammerl, ein wuchtiger Schreibtisch dürfte kaum vors Fenster gepasst haben. Der Blick geht nach Osten über eine flache Wiese und zur Baumreihe dahinter. Das war die Aussicht, die auch Thomas Mann in seiner Tölzer Villa wohl vor Augen hatte, als er am Schreibtisch seine Novelle "Der Tod in Venedig" begann. Und dort beendete er sie auch. Für Christof Botzenhart lag es deshalb nahe, dass sich das erste Thomas-Mann-Festival in Bad Tölz um dieses Meisterwerk der deutschen Literatur dreht. "Ich habe es ausgesucht, weil es nicht nur eine fantastische Novelle, sondern weil es in der Tölzer Zeit entstanden ist", sagt der Organisator des Festivals, das nach der Eröffnung am 18. Oktober nun vom 24. bis zum 28. Oktober über die Bühne geht.

Drei Jahre ist es her, seit Botzenhart die Verbindung zwischen dem großen Schriftsteller und seiner Familie mit der Kurstadt aus einer kaum gelesenen Fußnote der Literaturgeschichte herausholte und nicht zuletzt den Tölzern selbst vor Augen hielt. Außer ein paar eingefleischten Kennern hatte sich bis dahin kaum jemand damit befasst; wer wusste schon, dass sich Thomas Mann in Bad Tölz nach eigenen Vorstellungen eine Villa an der Heißstraße bauen ließ, die er zwischen 1909 und 1917 als Residenz für die Sommeraufenthalte nutzte. Das änderte sich 2017, als der Dritte Bürgermeister und Studiendirektor am Geretsrieder Gymnasium ein Thomas-Mann-Jahr organisierte, das regional und bundesweit Aufmerksamkeit auf sich zog. Literaturfreunde kamen nach Bad Tölz, auch Einheimische nutzten das Programm. Der Veranstaltungsreigen sollte jedoch nicht wie ein einmaliges Feuerwerk verglühen.

"Ein weitreichender Ruf"

Viel ist in der Kurstadt mittlerweile entstanden: Ein Thomas-Mann-Weg mit diversen Stationen wurde initiiert, in der Stadtbibliothek gibt es ein Thomas-Mann-Zimmer, in der Marktstraße hängt ein Thomas-Mann-Bronzerelief. "Bad Tölz hat als Thomas-Mann-Ort einen guten und weitreichenden Ruf", resümiert Botzenhart.

Nun also noch ein Thomas-Mann-Festival. "Wir wollen nicht penetrant sein, sondern wir achten darauf, dass es wohldosiert, aber auf überregionalem Niveau ist", sagt Botzenhart. Für ihn kam es vor allem darauf an, dass die Lesungen, Vorträge und Konzerte einen klaren Bezug zum "Tod in Venedig" haben. Das sei gerade im Musikprogramm nicht so ganz einfach, sagt er. Aber Tenor Julien Prégardien, der das Festival mit dem vorgezogenen Liederabend am 18. Oktober eröffnet hat, habe sich "unglaublich reingekniet" und ein einzigartiges Programm geboten, "das sowohl der Novelle als auch Thomas Mann als Musikliebhaber gerecht geworden ist", findet Botzenhart. Und auch der Klavierabend mit Gerold Huber am 29. Oktober lasse "schöne Bezüge" zum Werk des Literatur-Nobelpreisträgers erkennen.

Die ergeben sich bei den anderen Veranstaltungen ganz von selbst: Der Schauspieler Thomas Loibl liest aus der Meisternovelle am 24. Oktober im Kleinen Kursaal. Mit Professor Dieter Borchmeyer kommt am 26. Oktober ein renommierter Thomas-Mann-Spezialist zu einem Vortrag ins Kurhaus, Lyriker Albert Ostermaier ist mit seiner Lesung "Betrachtung eines Politischen" dort am 25. Oktober zu Gast. Der Poet aus München habe sofort zugesagt und geantwortet, dass er ein großer Venedig-Liebhaber sei, erzählt Botzenhart. Von den Schriftstellern Uwe Timm und Daniel Kehlmann, der er ebenfalls anschrieb, hatte er keine Antwort bekommen.

Das Festival war für Botzenhart und die Mitarbeiter der Tourist-Information ohnedies nicht einfach zu organisieren. Ursprünglich sollte die Festwoche im Mai stattfinden, das Programm war fertig, alle Künstler engagiert. Aber dann kam die Corona-Krise. Zwei Jahre Arbeit für nichts? Botzenhart, der das Festival seit 2018 vorbereitet, hatte Glück. Alle Musiker, Schriftsteller und Professoren sagten ihre Beteiligung auch für den Oktober zu. Allerdings bemerkt der Organisator "eine gewisse Zurückhaltung im Kartenkauf". Das liegt für ihn zum einen an der frühen Dunkelheit im Herbst, vor allem aber an den wieder steigenden Infektionszahlen. "Thomas Mann - das ist nicht eine Klientel, die zwischen 18 und 30 Jahre alt ist", sagt Botzenhart. "Ältere Leute sind da zurückhaltend." Die notwendigen Abstände seien im Kurhaus allerdings leicht einzuhalten. "Man muss sich darum keine Sorgen machen."

"Literarisch interessierte Menschen"

Vielleicht spielt die Pandemie beim nächsten Mal keine Rolle mehr. Im Wechsel mit dem Knabenchorfestival sollen die Thomas-Mann-Festwochen fortan alle zwei Jahre stattfinden. Damit sollen zum einen noch mehr Besucher nach Bad Tölz gelockt werden. "Der Gedanke ist, dass Leute von außen sagen, seht mal, was die Tölzer da haben", sagt der Organisator. Zum anderen hat der Dritte Bürgermeister festgestellt, dass das Thema Thomas Mann auch von Einheimischen inzwischen "gut angenommen wird", was ihn nicht weiter verwundert. Schließlich habe man ja auch hier "literarisch und historisch interessierte Menschen". Für 2022 hat er schon das nächste Werk auserkoren, das der große Villen-Besitzer ebenfalls in jenem kleinen Schreibzimmer mit Erker und Blick in den Garten begonnen hat: "Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull."

© SZ vom 23.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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