Angst vor Herausforderungen kennt Andrea Fessmann nicht. Als Höhepunkt der Sommersaison will die Chorleiterin, Musikerin und Intendantin der Iffeldorfer Meisterkonzerte Beethovens 9. Sinfonie am Freitag, 23. Juli, an den Osterseen erklingen lassen - mit großem Chor und Sinfonieorchester. Ein Kraftakt. "Jeden freien Moment hänge ich über der Partitur", sagt sie. Weitaus nervenaufreibender als der Blick in die Noten sei für sie jedoch der in den Wetterbericht. Sollte es an jenem Freitag regnen und am Ersatztermin zwei Tage später auch, fiele ein Großprojekt ins Wasser, auf das 130 Sänger und Musiker sowie das gesamte Team der Iffeldorfer Meisterkonzerte seit Monaten hinfiebern. "Das ist Psychostress", sagt sie.
Während der Kulturbetrieb scheinbar allerorten allmählich wieder in die Gänge kommt, steht Fessmann vor einem Hindernis. "Für Beethovens Neunte gibt es keine Drinnen-Lösung." Gleiches gelte für alle großen Oratorien und sinfonischen Werke mit Chorbesetzung. Sie erforderten neben einem Orchester eine große Anzahl von Sängerinnen und Sängern auf der Bühne, die sich nicht mit dem gesetzlich vorgegebenen Mindestabstand von zwei Metern vereinbaren ließen. "Wenn wir das so machen, ist die Halle voll und es passt kein Zuschauer mehr hinein." Eine kleine Besetzung wiederum könne diese Literatur nicht aufführen. Dies gelte für Laien- und Profichöre gleichermaßen. "Der Öffentlichkeit wird vermittelt, dass im Kulturbetrieb wieder Normalität eingekehrt sei", sagt sie, "dem ist aber keineswegs so."
Tassilo-Preisträgerin
Deshalb hat Fessmann, die jüngst mit einem Tassilo-Hauptpreis der SZ ausgezeichnet wurde, einen Brandbrief an die bayerische Staatsregierung geschrieben. Ihre Botschaft: "Wir brauchen volle Bühnen und Konzertsäle!" Alle Versuche, Konzerte im Freien stattfinden zu lassen, seien zwar löblich, in diesen Breiten aber durch die unsichere Wetterlage auf wenige Abende begrenzt - und das bei einem immensen Aufwand und großem finanziellen Risiko.
Für die Intendantin der Iffeldorfer Meisterkonzerte kann es daher nur eine Lösung geben: "Eine Sonderregelung dahingehend, alle Besucher und alle Mitwirkenden vor Konzertbeginn zu testen, um dann eine hundertprozentige Belegung im Konzertsaal zu gestatten." Mittlerweile gebe es Testmöglichkeiten, die tagesaktuell eine Erkrankung ausschließen könnten. "Und negativ ist negativ, das muss doch nicht noch durch Abstände untermauert werden", argumentiert Fessmann.
Für Beethovens 9. Sinfonie, die eigentlich bereits im Vorjahr zum 30jährigen Jubiläum der Iffeldorfer Meisterkonzerte geplant war, hat sie das Seraphin Ensemble München verpflichtet. Es setzt sich zusammen aus Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, der Münchner Staatsoper und vielen Solo-Selbständigen, die seit Jahren erfolgreich miteinander musizieren.
Den Gesangspart übernehmen die international renommierten Solisten Christina Rotherberg (Sopran), Barbara Schmidt-Gaden (Mezzosopran), Martin Petzold (Tenor) und Klaus Mertens (Bass) sowie der KlangKunst-Chor Iffeldorf und Gäste des #trotzcorona-Chores München. Derzeit sei die Stimmung bei den Sängerinnen und Sängern sehr gut, sagt Fessmann. "Alle sind beschäftigt." Ihr jedoch werde schwer ums Herz, wenn sie an den Herbst und Winter denke.
Für September hat sie deshalb etwas Außergewöhnliches geplant. Im Meierhof des Klosters Benediktbeuern will sie noch einmal ein großes Open-Air-Konzert gestalten, auf dem Programm: das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach. Die Konzert-Perspektive für den Winter sei katastrophal, sagt sie. Auf Dauer jedoch könne sie weder als Musikerin noch als Veranstalterin auf diese Musik verzichten. "Wirklich Freude macht mir das, woran viele Menschen Freude haben."
Beethovens 9. Sinfonie, Open-Air-Konzert vor dem Gemeindestadel Iffeldorf, Freitag, 23. Juli, Beginn 19.30 Uhr, Ausweichtermin bei Regen Sonntag, 25. Juli, 19.30 Uhr; Karten zu 30/25 Euro gibt es ausschließlich beim Kartenservice Iffeldorfer Meisterkonzerte (Christa Clauß, Tel. 08856/3695) oder online unter www.iffeldorfer-meisterkonzerte