Unfall:Falschaussage aus Liebe

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Er fährt ein Auto betrunken in die Böschung, sie gibt sich als Fahrerin aus - beide werden verurteilt

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Vor der Urteilsverkündung bricht es aus der 21-jährigen Tölzerin heraus. Sie seien drei Jahre zusammen, sagt sie, fängt zu weinen und laut zu schluchzen an. Zusammen mit dem 31-Jährigen aus der Dominikanischen Republik habe sie Bewerbungen geschrieben. Nur Absagen seien gekommen. Wurde ein Problem gelöst, seien fünf neue aufgetaucht. Nur deshalb stehe sie jetzt hier vor dem Amtsgericht: Nachdem ihr Freund ihr Auto in die Straßenböschung gesetzt habe, habe sie sich selbst als Fahrerin vor der Polizei ausgegeben, sagt sie, um ihn zu schützen, aus Liebe. Da kommen selbst ihrem 31-jährigen Freund die Tränen. Der Staatsanwältin blieb nüchtern: Sie klagte den Mann wegen Trunkenheit am Steuer und die Frau wegen Strafvereitelung an.

Beide hatten die Nacht zum 31. Oktober 2014 in einem Münchner Nachtclub verbracht. Dort kellnerte der junge Mann in einem Minijob. Sein Mandant sei bester Stimmung gewesen, habe bedient und mit zwei Damen geflirtet, erklärte dessen Rechtsanwalt. Eine für seine Freundin nur schwer erträgliche Situation. Denn sie habe den Mann aus der Karibik heiraten wollen, fuhr dessen Anwalt fort. Doch er habe das Vorhaben stets aufgeschoben. Seine Argumentation: Er wolle sie erst heiraten, nachdem er Arbeit gefunden und sich seine finanziellen Verhältnisse konsolidiert hätten.

Am nächsten Vormittag fuhren beide schließlich von München nach Bad Tölz. Der gelernte Tänzer saß am Steuer des Wagens. Während der Fahrt stritten beide. Seine Freundin habe ihm die Musik ausgedreht, sagte der junge Mann. Schließlich habe sich seine Freundin über ihn gebeugt, sagte er. "Ich konnte nicht mehr lenken." In einer lang gezogenen Kurve kam das Auto schließlich auf der Sachsenkamer Straße bei der Bahnunterführung in Bad Tölz von der Fahrbahn ab. Das Auto blieb an der Böschung stehen. Beide stiegen aus dem Fahrzeug aus.

Der ermittelnde Beamte sagte, die Polizei sei gegen 12.50 Uhr in die Sachsenkamer Straße gerufen worden. Der Mann habe 0,55 Milligramm Alkohol pro Liter Atemluft gehabt, die Frau 1,14 Milligramm - um den Promille-Wert zu erhalten, werden die Beträge für gewöhnlich verdoppelt. Wer gefahren sei, habe sich nicht feststellen lassen, sagte der Polizist. Die Tölzerin habe trotz mehrfacher Belehrung daran festgehalten, selbst gefahren zu sein.

Damit habe sie ihren Freund schützen wollen, erklärte sie. Denn sie habe gefürchtet, dass er endgültig keine Stelle mehr finden würde, sollte er seinen Führerschein abgeben müssen. Doch am nächsten Tag suchten beide nochmals die Polizeiwache auf und gestanden ihre Falschaussage.

Die Staatsanwältin sagte, der Mann sei stark angetrunken 50 Kilometer Auto gefahren und habe damit andere gefährdet. Sie forderte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Zudem solle er für zwölf Monate keine neue Fahrerlaubnis beantragen dürfen. Die Angeklagte habe zwar alles eingeräumt, sich jedoch in erheblichem Maße falsch verhalten. Sie forderte diese zu 50 Tagessätzen á 40 Euro zu verurteilen.

Der Rechtsanwalt des jungen Mannes plädierte, ihn wegen einer Ordnungswidrigkeit zu verurteilen. Ob der Alkohol den Fahrfehler ausgelöst habe, sei fraglich. Niemand Fremder sei geschädigt oder gefährdet worden. Beide hätten sich freiwillig gestellt, sagte er. Für die junge Frau forderte deren Anwältin einen Freispruch. Sie habe das Ziel gehabt, die Ehe zu erreichen, sich aber reuig gezeigt, sagte sie.

Er solle froh sein, eine Freundin zu haben, die so zu ihm stehe, sagte Richter Helmut Berger dem Angeklagten. Sie hätten aber nicht mit dem Auto fahren dürfen. Er verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen á zehn Euro. Er frage sich allerdings, warum sich dieser nicht zusammengerissen habe. Schließlich war er kurz vor dem Unfall wegen gefährlicher Körperverletzung auf Bewährung verurteilt worden. Die Restaurantfachfrau bekam eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 40 Euro. Er habe Fehler gemacht, sagte der Angeklagte. Er müsse drei Kinder unterstützten, fügte der geschiedene Familienvater hinzu. "Es tut mir leid."

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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