Überlebende der Katastrophe in Nepal:"Alle hatten panische Angst vor Nachbeben"

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Eines der drei Basiscamps am Mount Everest vor dem Beben in Nepal: Die Lawine hinterließ ein völliges Chaos, zahlreiche Verletzte und viele Tote. (Foto: privat)

Als die Erde bebte, war Frank Irnich auf einer Expedition im Himalaja. Lara Miriam Loehr studierte an einem nepalesischen College. Beide blieben unverletzt - und berichten nun, wie sie die Katastrophe erlebt haben.

Von Barbara Brießmann, Wackersberg/Bad Tölz

Frank Irnich und Lara Miriam Loehr waren während des verheerenden Erdbebens in Nepal, jetzt sind der Wackersberger und die Tölzerin zurück. Die Eindrücke sind noch frisch, die Bilder der Katastrophe bekommen beide nicht so schnell aus dem Kopf. Deswegen wollen sie helfen und zwar so, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird.

"Es war die Hölle", sagt Frank Irnich. Der 53-jährige Physiotherapeut, der eine Praxis in Geretsried betreibt, war auf seiner vierten Expedition im Himalaja. Er wollte den Everest und den Lhotse besteigen, auf dem höchsten Berg der Erde stand er schon, beide Gipfel hintereinander wären deutscher Rekord gewesen. Es kam nicht dazu. An jenem Samstag befand sich der Extrembergsteiger in einem der drei Basiscamps am Mount Everest. "Das Wetter war grau in grau, es fiel Schnee", erinnert er sich an den Morgen. "Die Lawine hätten wir gar nicht sehen können."

Eines der drei Basiscamps am Mount Everest - nach dem Beben. (Foto: Privat)

Doch gegen 8.10 Uhr war sie da. Es habe über eine Dreiviertelstunde gedauert, bis sich die Naturgewalt beruhigt hatte. Anschließend habe Irnich Hilferufe gehört aus dem oberen Camp, unverletzte Sherpas waren vom Aufstieg zurückgekehrt. Irnich zögerte nicht lange, zusammen mit einem niederländischen Arzt barg er eine Chinesin. "Die Frau hatte ein gebrochenes Becken, schwere innere Verletzungen." Es habe gedauert, sie über das schwierige Gelände bis zum Ärztezelt zu tragen. "Dort herrschte das totale Chaos." 60 Verletzte mit zum Teil offenen Schädelfrakturen mussten versorgt werden, 22 Tote geborgen.

In Panik seien Teilnehmer der verschiedenen Expeditionen aufgebrochen, sie wollten nur weg vom Berg. "Es gab einen regelrechten Stau nach unten", erinnert sich der Physiotherapeut und Sportlehrer. Was sollten sie tun? Sein Expeditionsleiter Arnold Coster entschied: "Wir bleiben." Denn sie waren in ihrem Camp unverletzt geblieben, das Zelt stand noch, "wir hatten genügend zu essen und zu trinken". Deswegen brachten sie andere Menschen aus den zwei völlig vernichteten Camps in Sicherheit.

Nach und nach setzten die Rettungsflüge ein. "Bevor nicht der letzte Verletzte ausgeflogen war, durften keine privaten Helikopter zum Mount Everest. Noch bis Dienstag blieb Irnich am Berg in etwa 5400 Metern Höhe. "Ein reicher Mauretanier hat mich in seinem gecharterten Hubschrauber mitgenommen." Kathmandu sei ihm zunächst gar nicht sehr vom Erdbeben mitgenommen vorgekommen, bis er die Randgebiete sah. "Dort, wo die Mönche leben, ist alles zerstört."

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Auf dem Weg zum Flughafen begriff er das Ausmaß der Katastrophe, auch für die Bevölkerung. "Da ist ein Golfplatz, auf dem haben die Menschen Zelte aufgebaut", so Irnich. "Sie hatten alle panische Angst vor Nachbeben oder hatten ihre Häuser verloren."

Ähnliche Bilder hat auch die Tölzerin Lara Miriam Loehr im Kopf. Die 22-jährige Absolventin der Bavaria-Filmschule war vier Monate zum Studieren in Nepal. "Seltsamerweise ist das Dorf, in dem ich gelebt habe, vom Erdbeben weitgehend verschont geblieben", erzählt sie. "Nur fünf Kilometer weiter ist fast alles kaputt." Die Menschen seien auf Felder gezogen, zum Teil hätten sie Zelte gehabt, "andere schliefen nur auf Tischdecken". Das Schlimmste daran: Spätestens in zwei Wochen setzt der Monsun ein.

Loehr wollte helfen: Über die Dolmetscherin an ihrem College in Nepal kam Loehr in Kontakt mit der "Dolpo Tulku Foundation". Die Organisation leistet Entwicklungshilfe und sucht Unterbringungsmöglichkeiten. Für das "Shelter-Projekt" wurden Häuser entworfen, die bald stehen sollen. "Ich möchte die Menschen auch davor warnen, für eine Organisation zu spenden, die mit der nepalesischen Regierung kooperiert", sagt die Studentin. "Die haben keine Struktur, da kommen Geld und Hilfsgüter nicht dort an, wo sie gebraucht werden."

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Eigentlich wollte er sich nur in der Ayuverda-Heilkunst weiterbilden - dann kam das Erdbeben. Der Dachauer Facharzt Stefan Wolff hat seinen Urlaub verlängert, um in Nepal zu helfen.

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Davor warnt auch Frank Irnich, der befürchtet, dass "die Regierung das Geld in die eigene Tasche steckt". Er wolle Europäer ermutigen, nach Nepal zu fahren. Dort habe er einen zuverlässigen Spendenkontakt: Sein Freund und Expeditionsleiter Arnold Coster ist mit Maya Sherpa verheiratet, der Vorsitzenden der Everest Summiteers Association, einer Organisation, die nichts mit der Regierung zu tun habe. Beide lebten in Kathmandu und wüssten, wer Hilfe brauche. Mehr über Maya Sherpa erfahre man auf ihrer Facebook-Seite.

Irnich hat nach seiner Rückkehr aus Nepal wieder die Arbeit in seiner Praxis aufgenommen. Natürlich habe er noch ein "mentales Problem", sagt er. Die Bilder im Kopf sind zu stark. "Aber ich gebe nicht auf."

Spendenkonto: Everest Summiteers Association, Laxmi Bank Hatisar branch, Kathmandu. Kto: 00511010343, Swift LXBLNPKA

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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