Tölzer Nordumfahrung:Ein Großprojekt auf heiklem Grund

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Wie sich die Bauarbeiten an der Tölzer Nordspange auf die Produktion der Firma Sitec Aerospace auswirken, soll von der TU München auf einem Testfeld überprüft werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Weil der Boden entlang der künftigen Umgehungsstraße wegen seiner Komplexität nochmals untersucht werden musste, verschiebt sich der Baubeginn auf 2024. Dieses Jahr stehen noch Rodungen, Altlasten-Proben und ein Testfeld bei der Firma Sitec auf dem Programm.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Sofern er nicht gerade aus hartem Fels besteht, ist der Erdboden meist eher labil als stabil. Genauer gesagt: Er verändert sich mit der Zeit. Die Grundwasserstände, das Material wie Ton, Lehm oder Stein, die Einschlüsse, etwa von Mineralien - all dies ist einem steten Wandel unterworfen. Und der Grund dafür, warum sich der Bau der Tölzer Nordumfahrung ins Jahr 2024 verschiebt. Über weite Strecke der künftigen Trasse müsse man den Baugrund "extrem differenziert" betrachten, sagt Martin Herda, zuständiger Abteilungsleiter im Staatlichen Bauamt Weilheim. Dies hat jetzt das Gutachten der Technischen Universität München gezeigt, das die Behörde bereits im Vorjahr in Auftrag gegeben hatte.

Die Baugrunduntersuchung aus dem Vorentwurf des Großprojekts ist schon einige Jahre alt und "nicht mehr ganz so frisch", wie Herda mitteilt. Über Rammkernsondierungen wurde nun etwa eruiert, wie stabil das Erdreich an der jeweiligen Stelle ist, welches Material vorkommt und auch, ob Altlasten vorhanden sind. Dies ist eine vergleichsweise einfache Methode: Dabei wird Herda zufolge ein Eisenstab tief in den Boden getrieben, wobei die Anzahl der Schläge zeigt, wie weich oder fest der Untergrund ist. Es gibt auch noch andere Verfahren. Veränderlich sind auch die Grundwasserstände. Auf der Trasse der Nordumfahrung habe man "Pegel verschiedenster Art in hoher Anzahl", sagt der Abteilungsleiter. "Sie schwanken sehr stark." All dies muss jedoch genau geklärt sein, ehe die Umgehungsstraße auf der Flinthöhe errichtet wird, die selbst eine schwere Last für den Boden darstellt. Die Gründung, so Herda, müsse passen.

Die Ergebnisse des TU-Gutachtens werden derzeit ausgewertet und fließen dann in die Ausschreibung ein. Eigentlich, sagt Herda, habe man ja vorgehabt, im Herbst dieses Jahres mit dem Bau der Nordspange zu beginnen, "das war der ambitionierte Plan". Aber nötig sei auch "eine qualifizierte Ausschreibung", weshalb sich das Ganze nun auf 2024 verschiebe. Dies gibt dem Staatlichen Bauamt noch Zeit, heuer zusammen mit der TU München ein Testfeld nahe der Firma Sitec Aerospace GmbH einzurichten. Auf diesem Areal soll untersucht werden, wie sich die Bauarbeiten an der Nordumfahrung, die nördlich an dem Firmengelände und unter der Bundesstraße 13 vorbei führt, auf die hochsensiblen Anlagen des Flug- und Raumfahrtzulieferers auswirken. Dort kommt es auf Millimeter-Genauigkeit an, Vibrationen könnten verheerende Folgen haben und die Produktion lahmlegen. Der Boden müsse deshalb Herda zufolge stabil aufgefüllt und im Rüttelplattenverfahren verdichtet werden, auch im Bereich um die Umfahrungstrasse herum.

Auch sonst gibt es für das Staatliche Bauamt noch einiges zu tun. Der schmale Streifen zwischen der Bundesstraße 472 und dem Bergwachtzentrum ist inzwischen gerodet, voriges Jahr war schon das Areal am Lettenholz zwischen dem Kreisverkehr an der Sachsenkamer Straße und der Einmündung in die B 472 dran. Nun folgt bis Ende Februar noch ein Teil des kleinen Waldstücks nördlich der Firma Sitec, das der neuen Trasse im Weg steht.

Zwischen der Sachsenkamer Straße und der Allgaustraße am Naturfreibad Eichmühle wird der Untergrund auch noch auf zivile und militärische Altlasten untersucht. Auf der Flinthöhe war schließlich die US-Armee bis in die Neunzigerjahre stationiert, vor 1945 betrieb die SS dort eine Junkerschule. Geprüft wird etwa, ob noch Kampfmittel im Erdreich liegen - "ob es einen Blindgänger gibt, der hochgehen kann". Aber auch, ob ein Teil des Bodens durch die zivile Nutzung belastet ist und entsorgt werden muss. Außerdem werde man dort die Gashochdruckleitung verlegen müssen, damit sie der neuen Trasse nicht im Wege ist, kündigt der Abteilungsleiter an.

Unterdessen verteuert sich das Großprojekt, das mit rund 50 Millionen Euro veranschlagt ist. Durch die hohe Inflation komme es zu einen entsprechenden Preisanstieg, avisiert Herda. "Wir werden einen starken Ruck bei den Baukosten verspüren, wir wissen noch nicht, wie stark." Im Moment rechnet der Abteilungsleiter in etwa mit einem Kostensprung in Höhe der gestiegenen Inflationsrate, die 2022 bei 7,9 Prozent lag. Anders ausgedrückt: Die Tölzer Nordumfahrung dürfte demnach um rund vier Millionen Euro teurer werden.

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