Bad Tölz:Doktor Faustus in der Kurstadt

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Im neuen Literatenzimmer des Tölzer Stadtmuesums erklärt Museumsleiterin Elisabeth Hinterstocker Christoph Botzenhart (Mitte) und Eckhard Zimmermann die Bedienung der Audio-Tastatur für die neue Medienstation zu Thomas Mann. (Foto: Manfred Neubauer)

Beim zweiten Thomas-Mann-Festival in Bad Tölz steht sein Epochenroman im Fokus, der zahlreiche Bezüge zu Tölz aufweist. Im Stadtmuseum wird das neue Literatenzimmer eröffnet.

Von Anja Brandstaeter, Bad Tölz

In zwei Wochen dreht sich in Bad Tölz wieder einmal alles um Thomas Mann: Zum zweiten Mal lädt die Stadt vom 12. bis 20. Mai zu einem Festival ein, das dem Literaturnobelpreisträger gewidmet ist. Diesmal steht sein Epochenroman "Doktor Faustus" im Fokus des Programms, der zahlreiche Bezüge zu Bad Tölz aufweist. Mit Lesung, Vortrag, Musik, einer Ausstellung, Film, Themen-Spaziergängen und einer Exkursion nach Polling lernen Besucher den Schriftsteller und sein Werk näher kennen.

"Der Roman ,Doktor Faustus' ist gereift, als Thomas Mann hier in Bad Tölz war", sagt Christof Botzenhart, Dritter Bürgermeister und Initiator des Programms bei einem Pressegespräch im Stadtmuseum. Zusammen mit dem Kurator Eckhard Zimmermann erläutert er das hochkarätige Angebot, das sich nicht nur an Thomas-Mann-Experten richtet. Elisabeth Hinterstocker, Leiterin des Stadtmuseums, freut sich, dass das sogenannte Literatenzimmer mit Audiodokumenten pünktlich fertig geworden ist. "Wir sind dankbar, dass Albert von Schirnding einige Texte von Thomas Mann ausgesucht und eingelesen hat", sagt sie. "Kein anderer hätte es besser gekonnt". Zu hören sind beispielsweise "Wie wir Bauschan gewannen" aus "Herr und Hund" oder "Felix Krull wird Liftboy" aus den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull". Hinterstocker stellt auch die neue Medienstation vor: "Hier kann sich der Besucher über die Biografie genauer informieren." Für die Station hat sich Albert von Schirnding 101 Fragen zu Thomas Mann einfallen lassen. Darunter die folgende: "Besaß Thomas Mann Lackpantoffeln?"

Von 1909 bis 1917 verbrachte Thomas Mann die Ferien in Tölz

Auch das Literatenzimmer ist ein Bestandteil der bleibenden Infrastruktur, die Einblicke in das Leben eines der bedeutendsten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts ermöglicht, der von 1909 bis 1917 in seiner Tölzer Villa die Ferien verbrachte. Es ist Botzenhart zu verdanken, dass Thomas Mann im Stadtbild längst fest verankert ist: Es gibt einen Thomas-Mann-Weg und ein Thomas-Mann-Zimmer in der Stadtbibliothek. Mit dem Literatenzimmer im Stadtmuseum kommt noch ein Beitrag hinzu.

Christof Botzenhart bezeichnet die gute Zusammenarbeit mit dem Thomas-Mann-Sammler und Doktor-Faustus-Spezialisten Eckhard Zimmermann aus Polling als ausgesprochenen Glücksfall. Zimmermann betont: "Thomas Mann ist so aktuell wie noch nie. Er hat Orientierung gegeben. Wir haben keinen Thomas Mann heute." Er kuratiert die Ausstellung "Verantwortung des Geistes" zu Thomas Mann und seinem Doktor Faustus-Roman, die zum Auftakt des Festivals am 14. Mai im Stadtmuseum eröffnet wird. "Exponate werden zu sehen sein, die heute längst vergessen sind", sagt Zimmermann.

Den Festvortrag hält Professor Tobias Boes, ein ausgewiesener Thomas-Mann-Spezialist. Der Germanist lehrt an der Notre Dame University in Indiana, USA, und reist extra für das Festival an. "Wir sind stolz, einen Thomas-Mann-Experten jüngeren Alters gewonnen zu haben", sagt Botzenhart. Am Eröffnungsabend ist im Tölzer Marionettentheater das Stück "Doctoris Johannis Faust" zu sehen. "Das Marionettentheater war eine wichtige Inspirationsquelle für Thomas Mann", sagt Botzenhart. Puppen und Inszenierung stammen von Otto Bille, dem Vater von Karl-Heinz Bille, der das Marionettentheater gemeinsam mit Albert Maly-Motta leitet.

Seine "101 wichtigsten Fragen" zu Thomas Mann hat der Schriftsteller Albert von Schirnding auch für die Audiostation des Literatenzimmers eingesprochen. (Foto: Manfred Neubauer)

Dieter Borchmeyer, einer der profiliertesten Thomas-Mann-Kenner, gestaltet mit dem renommierten Pianisten Gerold Huber den Abend "Beethoven im Doktor Faustus" am 15. Mai im Kurhaus. Musikalisch geht es am 16. Mai mit Liedern von Franz Schubert und Hugo Wolf nach Gedichten von Johann Wolfgang von Goethe im Kurhaus weiter. Die Tölzer Sopranistin Stephanie Krug wird begleitet von Breda Zakotnik, Klavier, und Heidi Litschauer, Violoncello.

Die literarische Führung "Schauplätze in Polling" am 17. Mai leitet Eckhard Zimmermann: "Dort lebte Thomas Manns Mutter Julia, die er von 1903 bis 1921 regelmäßig besuchte. Das Klosterdorf ist in seinem Spätwerk so gut beschrieben, dass man noch immer erkennen kann, was Thomas Mann damals gemeint hat", sagt der Experte. Seine Exkursion führe zum Museum für Kunst und Kultur, der Gemäldegalerie, den Thomas-Mann-Räumen und der Anita-Naef-Bibliothek. "Anita Naef war die letzte Sekretärin von Thomas Mann, und eine gute Freundin der Familie", erklärt Zimmermann. "Aus ihrem Nachlass stammen sehr viele Dokumente und Ausgaben von Thomas Manns Werken." Weiter geht der Spaziergang dann auf den Spuren von Thomas Mann und seinem Protagonisten Adrian Leverkühn.

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Unter der Rubrik "Das Schöne Zimmer" entführt der Vorsitzende des Thomas-Mann-Forums München dann am 17. Mai die Teilnehmer auf eine "literarische Weltreise durch die Arbeitszimmer Thomas Manns" - von München über Bad Tölz bis nach Amerika. "Ich bin gewohnt, im Zimmer zu arbeiten. Offener Himmel, meine ich, zerstreut die Gedanken", schrieb der Nobelpreisträger einst. Der Vortrag findet in der Stadtbücherei statt. Am 18. Mai referiert der Schriftsteller Albert von Schirnding über die Entstehung des "Doktor Faustus". Am Abend interpretieren die Sopranistin Christina Langsamer und der Pianist Gerold Huber unter anderem den "Brentano-Zyklus". Sein Schöpfer ist kein anderer als die Romanfigur Adrian Leverkühn. Gerold Huber hat ihn vertont. Auf dem Programm "Alles ist ewig im Inneren verwandt" stehen außerdem Werke von Richard Strauss, Gustav Mahler und Bettina von Armin.

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Albert Ostermaier beschäftigt sich am 19. Mai in seinem Vortrag "Betrachtungen eines Politischen" mit Thomas Manns politischer Haltung während der Weimarer Republik. Der Schriftsteller setzte sich für die Demokratie ein und agitierte später aus dem Exil gegen die Nationalsozialisten. Zum Abschluss des Thomas-Mann-Festivals liest der Schauspieler Stefan Hunstein die Reden, die Thomas Mann in den Jahren 1940 und 1945 für die BBC verfasste. Diese richtete er an "Deutsche Hörer" und redete ihnen ins Gewissen, sich von der Hitler-Diktatur zu lösen. In dieser Zeit arbeitete er gleichzeitig am "Doktor Faustus".

Zum umfangreichen Portfolio des Festivals gehört auch eine Lesung in der Buchhandlung Winzerer: Kerstin Holzer liest dort am 9. Mai aus ihrem Werk "Monascella - Monika Mann und ihr Leben auf Capri" über die Tochter des Schriftstellers. Im Kino Capitol ist die "Doktor Faustus"-Verfilmung von Franz Seitz zu sehen (11.Mai). Ferner bereichern die Thomas-Mann-Stadtführungen mit Dirk Heißerer, Martin Hake und Julia Friedel sowie die Kuratorenführungen mit Elisabeth Hinterstocker und Viola Otto im Stadtmuseum das Programm.

Termine, Preise und weitere Informationen unter www.bad-toelz.de

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