SZ-Adventskalender:Fehler mit fatalen Folgen

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Eine Unüberlegtheit kostet Mario T. den Führerschein. Nun fehlt dem Busfahrer das Geld für seine Familie.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Ich habe einen Fehler gemacht, einen richtig saudummen Fehler", sagt Mario T. und senkt sein Gesicht. Der Mittvierziger schämt sich dafür, und weiß doch, dass er um seine zweite Chance kämpfen muss. Mario T. ist Busfahrer, verheiratet und hat zwei kleine Kinder. In seinem osteuropäischen Heimatland hatte er zunächst ein Geschäft geleitet, doch die politische Lage sei zu wechselhaft und schwierig gewesen, um dort ein Leben für die Familie aufbauen zu können. "Man ist permanent im Stress, es gibt unglaublich viel Korruption, und man weiß nie, woran man ist, denn die Politik ändert sich schnell", sagt er.

Für seine Frau und seine zwei Kinder wollte er deshalb ein sicheres, stabileres Leben. Er entschloss sich deshalb 2016, nach Deutschland zu gehen, wo er bereits Verwandte und Freunde hatte. Allerdings ging er zunächst alleine in die neue Heimat, um den Boden für die Familie zu bereiten. Und zunächst sah es auch danach aus, als ob der Neustart gelingen könnte: Mario T. macht den Busführerschein und besteht ihn auf Anhieb. Er lebt in einem kleinen Zimmer, um Geld zu sparen. Doch aus den geplanten Wochen werden Monate.

"Für den Kopf und das Herz war diese Zeit schwer, sehr schwer", erinnert er sich. Er arbeitet zunächst in München als Busfahrer und ist schockiert über das Leben in der Großstadt. "Ich bin drei Schichten gefahren", erzählt er. "Vor allem in der Nacht waren die Leute sehr aggressiv, es gab viele Probleme mit Fahrgästen, die unter Alkoholeinfluss standen, Drogen genommen haben oder Schlägereien anzettelten." Das sei für ihn ein enormer Stress gewesen, so ganz alleine auf der Strecke und konfrontiert mit all den Problemen der dunklen Seite einer so großen Stadt.

Zumindest finanziell lohnte sich der Einsatz aber, so dass er in eine größere Wohnung ziehen und seine Familie nachholen konnte. Als sie bei ihm in Deutschland ankamen, wollte er aufs Land, um mehr Zeit für sie zu haben. Doch der Jobwechsel läuft anders als geplant. Im Unterschied zu München, wo er einer unter vielen war, stößt er bei seinem neuen Arbeitgeber auf eine geschlossene Gruppe von Kollegen, die ihn nicht willkommen heißt. Er bemerkt die ablehnende Haltung ihm gegenüber, dem Neuling und Ausländer. Nach und nach schlägt die Ablehnung Mario T. zufolge in Sabotage und Mobbing um.

Eine Tasche mit Fahrgeld, die er nach der Schicht kurz im Bus liegen lässt, bleibt verschwunden. Immer wieder sind Teile am Fahrzeug kaputt oder gelockert. Auch die erhoffte Freizeit mit der Familie bleibt aus, denn die Fahrzeit bis zur Arbeitsstelle ist, anders als gedacht, sogar noch länger als bis nach München. "Der Druck ist einfach zu viel geworden, alles war nur noch negativ", erzählt er. Und da, an einem Abend, als er in ein besonders tiefes Loch zu sinken droht, schenkt ihm ein Kollege eine Flasche Schnaps.

"Ich dachte einfach nicht nach. Die Schicht war zu Ende, ich habe einfach getrunken", sagt er. Und weil er zuvor koffeinhaltige Limonaden getrunken hatte, merkte er die Wirkung nicht. "Wie gesagt, ich habe ja nicht nachgedacht", so Mario T. "Ich habe gar nicht gedacht. Ich dachte nur, ich bin klar im Kopf."

Eine fatale Fehleinschätzung. Auf dem Nachhauseweg im Auto hielt ihn die Polizei an, der Test ergab mehr als zwei Promille. Damit war das Fahrverbot da - und für ihn als Busfahrer damit auch das Berufsverbot. Das ist nun zwei Jahre her, "und ich habe keinen einzigen Tropfen mehr getrunken seitdem", schwört Mario T. Das beweist er mit regelmäßigen Haaranalysen. Er will seinen Führerschein zurück, und das Leben wieder in geregelte Bahnen bringen.

Eine Zusage seines früheren Arbeitgebers hat er bereits, dass er wieder in München Busfahren kann, wenn er den Führerschein wieder hat. Doch die MPU wird ihn etwa 1000 Euro kosten. Sehr viel Geld, denn im Moment lebt die Familie nur von der Stütze. Das reicht für das Nötigste, nicht aber für die all die unerwarteten Kosten, die vor allem durch die Schule kommen.

Die Kinder bräuchten einen Laptop für die Hausaufgaben und vor allem Winterkleidung, die Ehefrau möchte gerne ein neues Sofa haben. Wünsche, die er seiner Familie nicht erfüllen kann, bis er seinen Fehler wieder gutgemacht hat. "Ich habe meine Lektion gelernt. Und werde mir nichts mehr zu schulden kommen lassen", verspricht er. Doch bis es soweit ist und er wieder Fuß fassen kann, braucht die Familie eben noch Hilfe.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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