SZ-Adventskalender:Eine Schule fürs Leben

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Die Heilpädagogische Tagesstätte der Tölzer Von-Rothmund-Schule gibt behinderten Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 19 Jahren Halt

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz

Die Mädchen und Buben ziehen Schuhe und Jacken an. Nur nicht die Mützen vergessen, draußen ist es kalt. Die "Blaubären" gehen spazieren. "Natürlich müssen wir wachsam sein und stets sehr aufpassen", sagt Renate Wacker. Die Schützlinge der Leiterin der Heilpädagogischen Tagesstätte, einer Einrichtung der Lebenshilfe, sind schwerst mehrfach behindert. Neben Entwicklungsverzögerungen sind Sprach- und Hörschwierigkeiten nahezu der Regelfall; auch Kinder mit Autismus, Hyperaktivität, fremdaggressivem oder selbstverletzendem Verhalten werden dort betreut. Die Kleinen freuen sich auf ihren Ausflug. Renate Wacker verabschiedet die Gruppe und deren Betreuerinnen. "Wir können hier die schönen Dinge des Lebens machen", sagt sie.

Die Heilpädagogische Tagesstätte ist ein zusätzliches Förderangebot der Tölzer Von-Rothmund-Schule, dem privaten Förderzentrum der Lebenshilfe. Es richtet sich an deren Schüler wie auch an die Kinder der schulvorbereitenden Einrichtung. Nach dem Unterricht werden die Kinder und Jugendlichen in die Tagesstätte gefahren, um sie dort nachmittags gezielt zu fördern und zu betreuen. "Kurzum, wir sind für die Freizeit zuständig", sagt Wacker.

Wobei diese "Freizeit" nicht bedeutet, dass die Kinder tun und lassen können, zu was sie in der Lage sind. In erster Linie gehe es darum, den Jungen und Mädchen Strukturen beizubringen. Dass es Zeiten fürs Spielen, gemeinsam Essen, Aufräumen und Schlafen gebe, betont die Tagesstätten-Leiterin.

Diese Strukturen bereiteten die Kinder auf das Leben vor. Wiederkehrende Abläufe und Rituale böten ihnen Sicherheit und Orientierung. Unterstützt werden die pädagogischen Betreuerinnen von Logopäden, Ergotherapeuten und Psychologen. Eine Gruppe mit sechs bis zehn Kindern wird von zwei bis drei Betreuerinnen versorgt. Die Jüngsten sind drei Jahre alt, die Ältesten zwischen 18 und 19. Sie besuchen die Berufsschulstufe, die auf das Arbeitsleben in einer Behindertenwerkstatt vorbereitet.

"Unsere Kinder sind bis zum zwölften Schulbesuchsjahr bei uns. In der Berufsschulstufe werden sie gezielt praktisch gefördert. Sie sammeln etwa Wäsche ein, lernen eine Bügelmaschine zu bedienen." Auch kümmerten sich die Älteren einmal in der Woche um den Frühstücksservice. "Wir bieten zudem ein Wohntraining an. Wir schauen immer, was könnten sie an Tätigkeiten später brauchen. Und das üben wir. Auch nach Neigungen und Begabungen."

An drei Standorten werden die Kinder in der Heilpädagogischen Tagesstätte betreut: im Haupthaus an der Bairawieser Straße, im Haus auf der Flinthöhe und in einer Außengruppe in Bad Heilbrunn. Insgesamt hat die Von-Rothmund-Schule 104 Schüler. Die Tagesstätte hat 70 Plätze mit 73 Kindern, einige sind nur Teilzeit in der Einrichtung. Neun Gruppen sind auf die drei Standorte verteilt. Die Einrichtung könnte eine zehnte aufmachen.

Nicht immer ist die Arbeit für die Betreuerinnen leicht. So beim elfjährigen Xaver (Name geändert). Der schwer behinderte Junge sitzt im Rollstuhl, er trägt zusätzlich unter anderem Orthesen - medizinische Hilfsmittel, um Gliedmaßen und den Rumpf zu stabilisieren. Obschon er zierlich ist, haben die Erzieherinnen Mühe, den Jungen aus dem Rollstuhl zu heben. "Das geht auf Dauer aufs Kreuz", erklärt Renate Wacker.

Um ihnen den Alltag zu erleichtern, möchte die Tagesstätten-Leiterin, einen Patientenlifter anschaffen. "Wir brauchen auch ein spezielles Gurtsystem für das Auto", sagt Wacker. Die Kinder werden von der Schule nicht nur abgeholt, sondern um 16.30 Uhr auch nach Hause gebracht. Beide Anschaffungen haben ihren Preis. Könnte sie den Lifter und die Gurte über Spenden finanzieren, "hätten wir es schön, ohne dass ich recht sparen müsste".

Seit 38 Jahren arbeitet Renate Wacker bei der Lebenshilfe. Das spreche für ihren Arbeitgeber und für ihren Job, meint sie. Nicht nur die Kinder müssten sich wohlfühlen, sondern auch die Mitarbeiter. Denn die Kinder hätten "Riesenantennen" dafür, wenn irgendetwas in ihrem Umfeld nicht stimme. "Das Wichtigste sind die Kinder."

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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