SZ-Adventskalender:Die Welt zu sich holen

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Peter W. hat seit seiner Erkrankung keine Arbeit mehr, aber Zeit. Stundenlang warten will er dennoch nicht mehr

Von Marie Heßlinger, Bad Tölz-Wolfratshausen

Als Peter W. ( Name von der Redaktion geändert) wegen seines Fußes die Arbeit verloren hat, meldete er sich zunächst nicht beim Sozialamt. "Ich dachte, ich werde irgendetwas finden und ich schaffe es, wie so oft in meinem Leben, mich aus dem Dreck selber rauszuziehen", sagt der heute 60-Jährige. "Aber diesmal standen die Sterne nicht gut für mich." Nun ist er pleite, hat Schulden. Doch ein für ihn unerfüllbarer Wunsch drückt: Er hätte so gerne einen neuen Laptop.

Früher hatte Peter W. viel gearbeitet und das in vielen Bereichen. Er war Teilhaber eines Antiquitätengeschäfts, arbeitete als Verkäufer, versuchte es mit Immobiliengeschäften in seinem Herkunftsland Ungarn. "Aber das ist alles lange vorbei", sagt W. Seine Frau und er trennten sich, sie ließ die beiden Kinder - damals drei und vier Jahre alt - bei ihm zurück. "Sie wollte unbedingt weg", sagt Peter W. rückblickend. "Es war ihr vielleicht zu viel mit den Kindern." In der Folge der Trennung wurde er alleinerziehender Vater. Heute sind seine beiden Kinder in der Ausbildung. Etwas, worauf der 60-Jährige stolz sein könnte, doch etwas überschattet sein Leben: Peter W. ist krank. Die Diagnose kam vor drei Jahren: Er leidet unter einem sogenannten Charcot-Fuß. Wegen seines Diabetes, der, so Peter W., viel zu spät entdeckt wurde, erkrankte sein Fuß. Peter W. kann inzwischen nicht mehr darauf auftreten. Und sein Alltag ist seitdem ein anderer. Peter W. kann keiner erwerbsmäßigen Arbeit mehr nachgehen. Er steht dennoch früh morgens mit seinem Sohn auf, macht den Haushalt, geht an den Laptop. Er schaut, "was bürotechnisch zu erledigen ist", danach geht er in die Stadt einkaufen - er "muss ein bisschen draußen sein, Menschen sehen." Wegen des Fußes kann Peter W. jedoch keine schweren Einkäufe tragen. Nachmittags kocht er für seinen Sohn. "Wenn er nach Hause kommt, hat er immer einen Mordshunger."

Könnte Peter W. sich in seiner momentanen Situation etwas wünschen, wäre es ein Schuhmacher, der ihm einen orthopädischen Schuh fertigt. Peter W. hat ein Rezept dafür, doch er habe keinen Orthopäden gefunden, der ihm den Schuh anfertigen wolle, sagt er. "Alle haben Angst, dass das nicht klappt." Und über noch etwas würde er sich freuen: "Mein Herzenswunsch wäre wirklich", sagt er und hält kurz inne, "ein Laptop." Denn über sein veraltetes Modell ärgere er sich schon lange:

"Sie kennen das, wenn Sie stundenlang warten, bis endlich ein Bild reinkommt?"

© SZ vom 03.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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