Lebenswerk:Die Vögel fliegen wieder

Lesezeit: 3 min

Hans Langner, durch seine Kunstwerke als "Birdman" bekannt geworden, lebt und arbeitet jetzt in Starnberg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Hans Langner alias "Birdman" hat sich nach schwerer Krankheit zurück ins Leben gekämpft. In einem goldenen Zimmer in Starnberg erschafft er nun wieder Kunst.

Von Katja Sebald

Die Vögel sind überall. Sie flattern über die Wände und unter der Zimmerdecke. Einige haben sich in den Regalen niedergelassen oder auf einem goldenen Tischlein. Überhaupt glänzt und schimmert der ganze Raum in Gold. Vor dem unbändigen Gestaltungswillen des Künstlers Hans Langner, besser bekannt als "Birdman", ist nichts sicher.

Wieder einmal hat er seine Umgebung in ein Gesamtkunstwerk verwandelt, so wie er es einst mit seinem legendären Wohnhaus in Ratzenwinkl bei Bad Tölz gemacht hat. Vor knapp zehn Jahren hat er dort seine Zelte abgebrochen, jetzt ist er in Starnberg gelandet. "Von Bird Tölz nach Starnbird", sagt er und lacht.

Dazwischen gab es unstete Zeiten und schließlich einen vielversprechenden künstlerischen Aufbruch in Wien, wo er in seiner Wohnung einen opulenten "Temple of Birds" einrichtete und sein Markenzeichen, die Vögel, auf Gobelins malte. Es folgten ein Galerievertrag, Ausstellungen in New York und Chicago, ein Arbeitsaufenthalt in Malta. Dort jedoch wurde Hans Langner im Januar 2019 aus seinem Leben katapultiert: Nach einer durch ein Aneurysma ausgelösten Hirnblutung kam er ins Krankenhaus, wurde zwei Tage später nach Deutschland geflogen und dort operiert. Er selbst hat bis heute keinerlei Erinnerung an das, was geschehen ist.

In verschiedenen Reha-Einrichtungen hat er sich ins Leben zurück gekämpft. Eineinhalb Jahre war er in der Klinik in Bad Tölz. Dort hat er wieder angefangen, künstlerisch zu arbeiten. Seit diesem Sommer wohnt er bei einer Freundin in Starnberg. Er hat sich ein Atelier eingerichtet und innerhalb weniger Monate sein neues Zuhause gestaltet. Sein goldenes Zimmer ist ein kleiner Andachtsraum, in dem die Kunst gefeiert wird - und das wiedergewonnene Leben.

Vögel sind das Markenzeichen des Künstlers. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Ein gekreuzigter Jesus mit Engelsflügeln. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Ein aus Fundstücken zusammengesetzter und mit Goldfarbe bemalter Vogel. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schon mehrmals hat Hans Langner, 1964 in Karlsruhe geboren, alles hinter sich gelassen und ganz neu begonnen. Anfang der 1990-er Jahre hängte er seinen bürgerlichen Beruf an den Nagel, um Schauspielunterricht zu nehmen. Später wurde er als Künstler mit Vogel-Performances in Hongkong gefeiert und mit einem Kulturförderpreis ausgezeichnet. Von dort brachte er seinen Künstlernamen "Birdman" mit, den ihm ein Journalist verpasst hatte.

Dreizehn Jahre lebte er in Bad Tölz, wo er in und um ein einsam gelegenes Häuschen ein einzigartiges Wohnkunstwerk schuf und schnell eine feste Größe in der regionalen Kunstszene wurde. Seine fröhlich-bunten Vögel, für Langner das Symbol für Freiheit und Leichtigkeit, machten ihn weithin bekannt.

2002 wurde er mit dem Tassilo-Preis ausgezeichnet. "Gerne habe ich nichts/oder wenig/dann habe ich alles/die Freiheit/alles zu haben", schrieb Hans Langner damals als eine Art Lebensmotto. Und tatsächlich verkaufte er nahezu seinen gesamten persönlichen Besitz, bevor er von Bad Tölz zunächst nach Ismaning zog, danach mehrere Jahre lang mal hier, mal da wohnte und schließlich in Wien durchstartete.

Nach der Operation ist die rechte Hand gelähmt - also malt er jetzt mit links

Jetzt allerdings sieht sein Neuanfang etwas anders aus: Als Langner nach der Operation aufwachte, war seine rechte Hand gelähmt und die Sicht auf dem rechten Auge stark eingeschränkt. Er musste erst einmal Linkshänder werden, um überhaupt wieder arbeiten zu können. Noch heute gehorcht ihm die rechte Hand nicht richtig.

Auch hat er die Namen seiner Freunde vergessen und braucht ein Gesicht, um sich erinnern zu können. Immer wieder fehlen ihm die Worte für alltägliche Gegenstände. Auch das Lesen und Schreiben fällt ihm schwer. Er ist auf Hilfe angewiesen, um sein Leben bewältigen zu können. Die Vögel jedoch sind fast von selbst zu ihm zurückgekehrt.

"Es macht mich glücklich, dass ich wieder als Künstler arbeiten kann", sagt Langner, der lieber auf das blickt, was möglich ist, als auf das, was er verloren hat. Im März wird er wieder nach Malta reisen. Er hat den Auftrag, in einem Haus, das als Bed and Breakfast umgebaut werden soll, einen ganzen Raum zu gestalten. Die Materialien für seine Kunstwerke findet er wie eh und je auf Flohmärkten, im Sperrmüll und im Keller von Freunden und Bekannten, in der Natur und manchmal auch einfach im Supermarkt wie etwa die goldfarbenen Pappteller, die er mit Vogelzeichnungen versehen und an die Wände geklebt hat.

Auch die banalsten Dinge können ihn inspirieren, er hat sich seine Leichtigkeit und seine beinahe kindlich unbeschwerte Herangehensweise bewahrt. So dreht und wendet er etwa einen hölzernen Kamm oder eine schnöde Zange so lange, bis er einen Vogel in ihnen entdeckt und er nur noch einen Schnabel und ein rundes Auge aufmalen muss. Die Vogelfiguren leben von der Beschränkung auf das Wesentliche: ein Dreieck für den Schnabel, ein Kreis für den Körper, ein Punkt für das Auge und ein paar Striche für die Beinchen.

Die wundersam kuriosen Vögel, die jetzt mit der linken Hand gezeichnet oder aus mit Goldfarbe bestrichenen Fundstücken zusammengefügt werden, haben an Ausdruckskraft gewonnen. Anders als früher ist jeder einzelne Vogel eine individuelle Persönlichkeit, der seine eigene kleine Geschichte erzählt.

Nicht immer ist es eine fröhliche Geschichte.

Atelierbesuche sind nach Terminvereinbarung unter birdman@birdman.de möglich.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrise im Einzelhandel
:Sparen die reichen Starnberger?

Lebensmittel, Energie, alles wird teurer. Wie wirkt sich das auf den Verkauf von Premiumfood in einem Landkreis aus, der als einer der wohlhabendsten Deutschlands gilt?

Von Astrid Becker und Nila Thiel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: