Stadtplanung in Bad Tölz:Ein Drehbuch fürs Kurviertel

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Mit den Ergebnissen einer 169 Seiten umfassenden Untersuchung will die Stadt Bad Tölz künftig die Entwicklung des Badeteils steuern. Ziel ist eine Mischung aus Tourismus, Kultur, Wohnen und Gewerbe

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Von der Zeit der Kur sind in Bad Tölz nur Relikte geblieben. Die Wandelhalle, die leer steht und von Efeu umwuchert ist. Der verwilderte Parkplatz nebenan. Der Jodquellenhof, durch den nicht mehr Hotelgäste wandeln, sondern in dem Monteure übernachten. Das Alpamare-Gelände mit seinen Unkrauthügeln. Hotelruinen wie das Haus Bruckfeld. Seit dem Ende der alten Sozialkur von 25 Jahren ist das Gesicht des Bäderviertels stark gealtert. Die Zahl der Übernachtungen sank von einst 850 000 auf 300 000 pro Jahr, viele Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen schlossen. Dafür stellten private Bauträger oftmals charakterlose, dafür teure Wohnhäuser hin, vorwiegend für eine betuchte Klientel im vorgerückten Alter. So soll es nicht weitergehen. Als neues Drehbuch für die Zukunft des Kurviertels dient der Stadt ein 169 Seiten starkes Werk mit einem sperrigen Titel: "Vorbereitende Untersuchung Badeteil Bad Tölz".

Im Kurviertel, sagt Bürgermeister Ingo Mehner (CSU), "sind wir momentan nicht dort, wo wir in einigen Jahren sein wollen". Schon vor drei Jahren hatte der Stadtrat deshalb die Untersuchung in Auftrag gegeben, um endlich ein Steuerrad für die Entwicklung des historischen Stadtteils in die Hand zu bekommen. Diverse Gutachten, Analysen, Karten, historische Quellen, Interviews mit Eigentümern und Anwohnern, eine Online-Umfrage, die Ergebnisse eines Stadtspaziergangs mit dem beauftragten Büro "Die Stadtplaner" aus Kaufbeuren: All dies ist in die umfangreiche Untersuchung für den Rahmenplan Badeteil eingeflossen. Ziel ist es, den Sanierungsbedarf zu eruieren, das Bauerbe und das Flair zu bewahren, das Kurviertel aufzuwerten. Dabei gibt es vier große Aufgabenfelder .

Tourismus

Alpamare-Areal, Jodquellenhof, Wandelhalle, Herderpark: Für die Flächen der Jodquellen AG im Kurviertel hat Vorstandsvorsitzender Anton Hoefter vor sechs Wochen ein Gesamtkonzept vorgestellt, das die Komponenten Leben, Arbeiten und Kultur umfasst. Vor allem aber massiven Wohnungsbau: 13 Wohnungen sollen nach den Vorbescheidsanträgen der Jod AG in der denkmalgeschützten Wandelhalle entstehen, auf dem Parkplatz daneben vier mehrstöckige Mehrfamilienhäuser, nochmals drei an der benachbarten Seppstraße. Die Stadt will hingegen ausschließlich Gastronomie, Veranstaltungen und Kultur in der Wandelhalle. Und auch auf allen anderen Arealen der Jod AG schreibt sie eine touristische Nutzung vor. Dementsprechend erließ der Stadtrat vor zwei Wochen einstimmig und ohne jegliche Debatte eine Veränderungssperre für diese Flächen. Und nun? Solange über die Normenkontrollklage der Jod AG gegen den Bebauungsplan der Stadt nicht entschieden ist, geht es zu wie beim Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Sollte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Sinne der Stadt urteilen, dürfte sich im Kurviertel erst einmal wenig bewegen. Die Jod AG könnte ihre Gebäude - wie einstmals die Kurfürstin Adelheid GmbH in Bad Heilbrunn - einfach weiter leer stehen lassen. Denn auch der Rahmenplan Badeteil hat juristisch keine Konsequenzen und zwingt die Eigentümer nicht dazu, ihre Immobilien zu sanieren oder touristisch zu nutzen. Falls der Stadtrat die Vorbereitende Untersuchung als Satzung beschließt, geht er damit nur eine Selbstverpflichtung ein, sich fortan an dieses Drehbuch zu halten, wenn er über Bauprojekte oder Bebauungspläne befindet.

Die Eigentümer, sagt Bauamtsleiter Christian Fürstberger, könnten jedoch bessere Abschreibungsmöglichkeiten und Fördermittel erhalten, wenn ihre Häuser als sanierungsbedürftig im neuen Rahmenplan eingezeichnet wurden. "Das gilt auch für Herrn Dr. Hoefter", sagt Fürstberger. Leider sei es der Stadt bisher nicht gelungen, "die artikulierte öffentliche Meinung" hier auf ihre Seite zu bekommen, was die Zukunft des Kurviertels betrifft. Mit den Vorbescheidsanträgen für die sieben Mehrfamilienhäuser stellt Bürgermeister Mehner jedoch einen Stimmungswandel fest: "Da habe ich zum ersten Mal breite, positive Rückmeldungen für die Stadt bekommen."

Wohnungsbau

Neben der Sicherung von Flächen für touristische Projekte ist die Schaffung von Wohnraum eine weitere Maßnahme, die das neue Vademecum fürs Badeteil auflistet. Allerdings nicht von solchem, den sich betuchte Senioren leisten können. Der Bürgermeister spricht von "Diversität": Im Kurviertel sollen demnach Quartiere für Jung und Alt, für Arme und Reiche, für Familien und Singles entstehen. Die könnten für ihn auch in einem Wohnblock vereint sein: Sozialwohnungen neben Mietwohnungen neben Eigentumswohnungen. "Es gibt fast keine Gruppe in Bad Tölz, die nicht auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum ist", sagt er. Außerdem brauche die Stadtgesellschaft in Tölz mehr Abwechslung. Ob das mit einem Drehbuch ohne juristischen Druck gelingen kann? Durchaus, erwidert Bauamtschef Fürstberger. Alleine die Debatte darüber, dass Bauträgerprojekte - "ohne sie zu verteufeln" - nicht gerade erwünscht seien, zeige Wirkung: "Wir haben im Bauamt keine mehr dazubekommen." Bürgermeister Mehner sagt, dass die Stadt alleine übers Baurecht "nicht die perfekte Wohnwelt hinbekommt". Aber es gebe da ja noch andere Instrumente wie etwa das Vorkaufsrecht. "Das klassische Bauträgermodell funktioniert dann nicht mehr."

Plätze und Straßen

Der Amortplatz, der Max-Hoefler-Platz, der Vichyplatz: Alle drei sollen aufgewertet und neu gestaltet werden. Am Amortplatz komme dem Capitol-Kino eine große Bedeutung zu, in dem Gebäude könne man sich auch noch ein Stadthotel vorstellen, sagt Fürstberger. Um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, müsste man allerdings die Parkplatzsituation am Amortplatz lösen. "Das Dauerthema waren und sind dort die Taxis." An der Badstraße hoch ins Kurviertel sollen vor allem kleine Läden zum Flanieren einladen. Ob dann oben am Max-Hoefler-Platz - wie im Verkehrsentwicklungsplan vorgeschlagen - ein Kreisverkehr entstehen soll, ist ungewiss. "Wir sind noch nicht überzeugt, dass das die richtige Lösung ist", so Fürstberger. Vorstellbar wäre auch eine Begegnungszone.

Der Fokus richtet sich nicht zuletzt auf den Vichyplatz. Als Entree zur Ludwigspromenade ist er bisher nicht viel mehr als eine kopfsteingepflasterte Autoabstellfläche. Fürstberger kann sich dort einen Springbrunnen oder ein Wasserspiel vorstellen. Dringend saniert werden muss der Kleine Kursaal. Wenn der Neubau am Kurhaus entsteht, wäre er für Veranstaltungen und kleine Konzerte nicht mehr vonnöten, dafür könnte er als eine Art Markthalle dienen. Dies würde auch einer besseren Nahversorgung im Badeteil dienen.

Parks und Bäume

Das Kurviertel ist grün. Der Rosengarten, der Franziskanergarten, der Herderpark, der Kurpark und der Vollmöllerpark an der Buchberg-Klinik prägen das Bild ebenso wie Alleen und einzelne Bäume. Diese Grünzüge seien umso wichtiger, je stärker eine Stadt verdichtet werde, sagt Mehner. Dies bedeute zwar nicht "dass wir jetzt Straßen abtragen und Rollrasen verlegen". Gedacht sei aber an Bäume, an Seitengrün, an erweiterte Grünzonen, beispielsweise vom Kurhaus bis zur Tankstelle nahe der Wengleinstraße. Und der Herderpark soll ein Park bleiben: "Wichtig ist für uns, ihn nicht weiterer Wohnbebauung zu überlassen", sagt Mehner. Auf das gartenhistorische Gutachten in der Vorbereitenden Untersuchung verweist Fürstberger: "Darin wurde festgestellt, dass er eine ganz ähnliche Qualität hat wie der gesamte Kurpark von Bad Reichenhall."

Um die 13 Maßnahmen in dem Drehbuch fürs Kurviertel umzusetzen, sind insgesamt 22,4 Millionen Euro nötig. Diese muss vor allem von der Stadt Bad Tölz, respektive auch der Jod AG aufgebracht werden. Das seien hohe Kosten, aber es gebe ja auch Fördermittel, sagt Bürgermeister Ingo Mehner. "Wir können nicht bloß von Privaten fordern, sondern auch als Stadt viel Geld in die Hand nehmen." Ziel ist es laut Fürstberger, die Sanierungsziele des neuen Rahmenplans in zehn bis 15 Jahren umzusetzen.

© SZ vom 12.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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