Stadtgestaltung:Krempel am Bau

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Vor dem Kunstturm am Schwankl-Eck in Wolfratshausen ist der Verhau groß. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ist das Kunst - oder kann das weg? Am Schwankl-Eck in Wolfratshausen treffen das Schöne und das Entsetzliche direkt aufeinander

Von Felicitas Amler

Kunstbanausen lieben diesen Spruch: "Ist das Kunst oder kann es weg?" Damit machen sie sich - ha, ha, ha - gern mal über moderne, nicht gegenständliche Skulpturen im öffentlichen Raum lustig. In ganze Sinnzusammenhänge übersetzt würde das in etwa heißen: Des Graffel soll Kunst sein? Des ko mei Bua fei a!

Nun gibt es in Wolfratshausen seit einigen Monaten einen Raum für zeitgenössische Kunst - und vor diesem, dem Kunst-Turm des Kulturvereins Isar-Loisach (KIL), einen Platz. Leider ist es so ganz und gar kein Platz für Kunst. Das heißt: Für Kunst wäre er schon geeignet. Es hat sich nur noch niemand gefunden, der ihn kunstvoll gestaltet hätte. Im Gegenteil, an dieser prominenten Stelle der Innenstadt, dem weithin als solchen bekannten "Schwankl-Eck", ist eine Art Sperrmüllsammelstelle der öffentlichen Hand entstanden. Es wurden dort aneinandergedrängt: ein als solches längst nicht mehr identifizierbares Brunnen-Kunstwerk - jetzt, in der kalten Jahreszeit auch noch schief und krumm blechern eingehaust; ein riesiger Pflanzcontainer mit winzigsten Blümchen, die kaum daraus hervorlugen; eine steinerne Sitzbank mit vergammelter Holzabdeckung und einem Schild "Kein Trinkwasser"; eine Laterne mit integriertem Mülleimer samt spezieller, metallener Kippenausdrückleiste; eine Trafostation, von der wiederum zwei Kabel zur Laterne führen, wo sie mit Kabelbindern festgemacht sind. Das ganze Arrangement ist farblich fantastisch akzentuiert - Hellgrau mit Dunkelgrau und Moderbraun - und dazu so geschickt in Szene gesetzt, dass es Müll aller Art nur so anzieht, zertretene Zigarettenkippen, ausgespuckte Kaugummis, zerknüllte Rechnungen ...

Der Kulturverein Isar-Loisach holt namhafte Künstler in den sogenannten Kunstturm, zuletzt zum Beispiel Hamit Cordan. Das städtische Entree zu der Galerie wirkt allerdings ziemlich trashig. (Foto: Manfred Neubauer)

Diese Assemblage bildet nun das Entree zu einem anspruchsvollen Raum für zeitgenössische Kunst. Allein die vergangene und die aktuelle Ausstellung - jene des Fotokünstlers Peter Euser und die des Malers Hamit Cordan - zeigen, wie ambitioniert hier gearbeitet wird. Ehrenamtlich versuchen die Aktiven des KIL etwas zu leisten, was das offizielle Wolfratshausen bisher so wenig geschafft hat wie Geretsried. Sie etablieren eine veritable Kunstgalerie. Der Raum, der sich über vier Halbetagen in Split-Level-Architektur erstreckt, ist ausreichend, um Einblick in ein künstlerisches Œuvre zu geben, und bietet durch die transparente Treppe reizvolle Perspektiven. Ein schönes Projekt. Als solches hätte es nicht nur alle materielle Unterstützung der Stadt verdient, sondern auch einen würdigeren Vorplatz. Denn was dort aufgestellt wurde, ist wahrlich keine Kunst. Es kann weg!

© SZ vom 15.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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