Neuanschaffung:Es werde Licht

Lesezeit: 3 min

Das neue Lichtobjekt "Die goldene Mitte". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Stadt Geretsried hat die Kunstmeile um "Die goldene Mitte" erweitert. Das Objekt der Eglinger Künstlerin Johanna Widmann hängt im Rathaus.

Von Anja Brandstätter, Geretsried

Die Geretsrieder Kunstmeile ist um ein Objekt reicher. Im kleinen Sitzungssaal im Rathaus, wo auch Trauungen stattfinden, hängt das Werk "Die goldene Mitte" der in Egling beheimateten Bildhauerin Johanna Widmann. Für die Geretsrieder ist es kein unbekanntes Objekt. So hing es bereits ein halbes Jahr während der Corona-Pandemie am Kirchturm der Petruskirche. Es soll nicht das letzte Kunstwerk sein, dass sich die Kommune gönnen möchte. Nach und nach soll die Innenstadt rund um Karl-Lederer-Platz und Egerlandstraße mit Skulpturen und mehr aufgewertet werden.

Im Sitzungssaal ist das Leuchtobjekt an der Rückwand installiert: rund wie eine Iris mit einer Pupille aus Gold. Der Kreis ist das formgebende Element: Zunächst fallen dem Betrachter die filigranen, grauen Äste auf, die sich überkreuzend einen Ring um ein goldenes Zentrum bilden. "Die feinen Äste sind so individuell wie wir Menschen. Die Äste berühren sich, sie sind ausgerichtet zur Mitte, aber auch in alle Richtungen", sagt Johanna Widmann. Für diese goldene Mitte hat sie zunächst eine von Hand getriebene, nach außen gewölbte Metallschale angefertigt als Untergrund für 24 Karat Blattgold. "Gold wird verwendet, wenn etwas wertvoll ist. Wenn sich Menschen zentrieren, kann etwas Gutes entstehen", sagt die Künstlerin. "Die vergoldete Schale habe ich mit dem Reisigkranz an drei Punkten verbunden. Dabei war es mir ein Anliegen, dass ich diese Verbindungspunkte in einem gleichschenkligen Dreieck und im goldenen Zentrum anordne", führt die Künstlerin bei der Vorstellung des Objekts im Geretsrieder Rathaus. Während der Kreis für Widmann als Symbol für das große Ganze steht, bedeutet das gleichschenklige Dreieck Ausgewogenheit und die Zahl drei - Sinnbild für "Geburt - Leben - Tod" oder "Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft".

Interessantes Schattenspiel

Doch noch schien der Eglingerin das Kunstwerk nicht komplett, es fehlte ihr das Licht: "Es war mir wichtig, dass sich das Licht zwischen dem Gold und den matten Zweigen ausbreiten kann, diese durchdringt und somit einen unbegrenzten Strahlenkranz wirft", erklärt sie. Als Untergrund verwendete sie ein 20 Jahre altes, oxidiertes Blech. Dieses hat sie horizontal und vertikal durchschnitten, sodass vier gleiche Kreissegmente entstanden. Die Segmente hat die Künstlerin ein paar Zentimeter auseinandergezogen, sodass ein Kreuz entstand: "Es verweist auf die vier Himmelsrichtungen sowie auf die spirituellen und materiellen Aspekte des Lebens", betont Johanna Widmann.

Das Lichtobjekt wirkt zu allen Tageszeiten unterschiedlich: Beim Einsetzen der Dämmerung fallen die indirekt angestrahlten Äste auf, die sich bei Nacht gelb-orange färben. Ein interessantes Schattenspiel.

Die Künstlerin Johanna Widmann stellte ihr Werk im Geretsrieder Rathaus vor. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Wir wollen die Kunstmeile auch hier im Rathaus fortsetzen", erläutert Bürgermeister Michael Müller (CSU) bei der Präsentation. Die Kunst soll erlebbar gemacht werden und dort zu sehen sein, wo gearbeitet und gelebt wird. "Das Rathaus wird durch Kunst aufgewertet, es ist ein öffentliches Gebäude und ich freue mich, wenn viele Menschen inspiriert werden", sagt Müller. "Hier ist ein Startpunkt, denn das Rathaus ist für uns ein historisches Gebäude", so der Bürgermeister weiter. Vor dem Amt ist eine Gedenktafel aus dem Jahr 1956 auf einem Findling angebracht. Darauf ist zu lesen: "Not und Tod brachten uns her, Arbeit und Fleiß schufen uns Ehr."

Mit der Hilfe von Kunst soll die Geschichte der Stadt Geretsried erzählt werden, das ist die Idee der Kunstmeile, die im November 2023 im Kulturausschuss vorgestellt wurde. Ihr Narrativ lautet: Flucht, Vertreibung, Ankunft, Wiederaufbau, Gemeindegründung, Schaffung eines neuen Gemeinwesens, Dynamik, Entwicklung, Erfolg, die Menschen in der Stadt, der Glaube an Gott. Die Kunstmeile beginnt am Stadtmuseum an der Graslitzer Straße und endet an der Petruskirche. Dazwischen liegen etwa 500 Meter. Viel Platz für Kunst also. Vor dem Museum liegt das "Sterbende Pferd" des Künstlers Hans Neumann aus Münsing, das sinnbildlich für die Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg steht.

Betritt man das Rathaus, so begrüßt der "Harlekin" des verstorbenen Bildhauers Hans Kastler aus Eurasburg die Bürgerinnen und Bürger. "Er muss bald nach draußen umziehen", erklärt Anita Zwicknagl, Fachbereichsleiterin für Kultur. Kein leichtes Unterfangen: Die überlebensgroße Bronzeplastik wiegt nicht nur schwer, sie muss auch sicher stehen. Bürgermeister Müller hat in seinem Amtszimmer unter anderem das Bild "Amtsschimmel" des Reichersbeurer Karikaturisten und Illustratoren Hans Reiser hängen. "Von Volker Witte hängt das Bild 'Geretsried' bei mir im Zimmer", erzählt er. Witte ist nicht nur künstlerisch tätig, er saß 24 Jahre lang für die Grünen im Geretsrieder Stadtrat.

"Die neue Innenstadt einzurichten, ist ein Prozess"

Schlendert man über den Karl-Lederer-Platz, trifft man auf die Bronzeplastik "Dialog" des Münsinger Künstlers Ernst Grünwald. Dort können Kunstinteressierte auf ihrem Rundgang verweilen und das Treiben auf dem Platz verfolgen, an dessen Ende markant der "Gorilla" von Hans Kastler steht. Biegt man nach rechts und geht zur Petruskirche, so ist die "Vaterunser Säule" von Otto Süßbauer aus Mooseurach eine weitere Station der Geretsrieder Kunstmeile. Ein weiteres Objekt sind etwa die "Wasserträgerinnen".

"Die neue Innenstadt einzurichten, ist ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist", betont Bürgermeister Müller und fügt hinzu: "Wir sind eine moderne Stadt, die sich anders ausdrückt. Die Plätze müssen erst mal genutzt werden. Es ist wie ein Zimmer, das man erst einrichten muss." Müller entscheidet indes nicht alleine, welche Objekte in die Kunstmeile aufgenommen werden. Bei Ankäufen wird der Geretsrieder Bürgermeister von einem Kunstbeirat, bestehend aus Galerist Albrecht Widmann, Künstler Ernst Grünwald und Kunstlehrer Gerhard Kühne, fachkundig unterstützt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Aus dem Sozialausschuss
:Stadt unterstützt Förderprojekte an den Schulen 

Geretsried gibt Zuschüsse zu Assistenz im Unterricht und zur Hausaufgabenbetreuung. Kritik am Staat, der Aufgaben auf die Kommunen "abwälzt".

Von Felicitas Amler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: