Special Olympics Bayern:Gleiten ins Glück

Special Olympics Bayern: Bei den Winterspielen der "Special Olympics" gingen die Langläuferinnen und Langläufer in Lenggries an den Start. Auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne war dafür eine 500 Meter lange Loipe gespurt worden.

Bei den Winterspielen der "Special Olympics" gingen die Langläuferinnen und Langläufer in Lenggries an den Start. Auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne war dafür eine 500 Meter lange Loipe gespurt worden.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Skilanglauf in der ehemaligen Kaserne in Lenggries messen sich die Teilnehmenden der Winterspiele in Sprint- und Ausdauerdistanzen. Mit dabei ist auch eine äußerst talentierte Schweizerin.

Von Veronika Ellecosta, Lenggries

Es ist also doch noch Winter geworden, und was für einer. Kalt ist es, Nebel hängt über dem Brauneck, seit einigen Tagen mangelt es nicht mal mehr an Schnee in Lenggries. Kälte und Feuchtigkeit scheinen allerdings den Athletinnen und Athleten nichts auszumachen. In Rennanzügen und mit den geschulterten Langlaufskiern spazieren sie über das Start- und Zielgelände in der ehemaligen Prinz-Heinrich-Kaserne. Es wird geplaudert, gelacht, einige Jungen tollen im Schnee miteinander, und einen Stand mit Kaffee und Kuchen gibt es auch. Für die Winterspiele der "Special Olympics Bayern" wurde durch das Kasernengelände eine 500 Meter lange Langlaufloipe gezogen, am Rande der Strecke dekorieren verschneite Nadelbäume das Ambiente. Am Vormittag gingen hier die Langlaufwettbewerbe über 1000 und über 50 Meter über die Bühne, die ersten Ergebnislisten wurden bereits an die Tafel neben dem Siegertreppchen getackert - dort wurden auch schon die ersten Medaillen umgehängt. Nun kehren die Teams gerade aus der Mittagspause zurück. Die 2,5 Kilometer-Rennen stehen an.

Special Olympics Bayern: "Da san´s alle mit Herz dabei": Rennleiter Stefan Nothegger aus Reit im Winkel

"Da san´s alle mit Herz dabei": Rennleiter Stefan Nothegger aus Reit im Winkel

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Einer hat in der Mittagspause die Stellung gehalten: Rennleiter Stefan Nothegger aus Reit im Winkel, verspiegelte Sonnenbrille und Eisbär-Mütze, steht vor dem Container. Dort, wo auf die Loipe eine blaue Ziellinie gesprayt wurde. Er studiert Unterlagen, muss sich noch kurz mit anderen aus dem Organisationsteam besprechen, dann hat er Zeit zum Reden. Die Stimmung bei den Wettbewerben sei super, alle seien motiviert. Schließlich seien die Special Olympics auch das erste Sportevent für Menschen mit geistiger Behinderung nach der Pandemie. "Da san's alle mit Herz dabei." Stefan Nothegger begleitet die Wettkämpfe nicht zum ersten Mal - dieses Jahr beobachte er allerdings, dass weniger Teilnehmende für die Wettbewerbe angemeldet sind. "Man sieht, dass alle wegen Corona weniger trainieren konnten. Hoffen wir, dass das wieder besser wird", sagt er.

Special Olympics Bayern: Eine Goldmedaille gewann Stefan Nothegger, der 23-jährige Sohn des Rennleiters.

Eine Goldmedaille gewann Stefan Nothegger, der 23-jährige Sohn des Rennleiters.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu Stefan Nothegger gesellt sich Stefan Nothegger, 23 Jahre alt, der Junior. Um seinen Hals baumelt eine Goldmedaille. "Das sind die Gene. Wir sind alle sehr sportlich in der Familie", sagt der Senior mit einem Lächeln und gibt zu, dass er einst selbst Langläufer war. Seine Medaille hat der Sohn am Vormittag gewonnen, er ist über 1000 Meter gestartet und sehr zufrieden mit seiner Leistung. Er macht mit, weil es ihm Spaß macht. Wie lange er schon Langlaufen geht? Das wisse er nicht mehr so genau, Blick zum Vater. "Bist sicher schon so zehn Jahre dabei", sagt dieser. Es sind die ersten Special Olympics von Stefan Nothegger, dem Junior, bei den letzten war er noch zu jung. Was ihm am besten gefällt? "Alles."

Über das Stimmengemurmel erhebt sich die Moderatorinnenstimme, lädt die Damen für die 2,5 Kilometer ein, sich an den Start zu begeben. Und aus der Mittagspausen-Gemütlichkeit wird Hektik: Am Startgelände hinter den Absperrungen kommen Athletinnen und Trainer zusammen, man sieht vielerote Trikots, denn rot ist das Dress der Schweizer Delegation, und die Schweizerinnen sind heute augenscheinlich in der Überzahl. Organisatoren mit Klemmbrettern gehen die Listen durch, die einzelnen Starterinnen passieren nacheinander die Klemmbrett-Männer und reihen sich hinter dem Startbogen auf. Eine Frau in hellblauem Dress und oranger Schneebrille macht ein paar Sprünge mit den angeschnallten Skiern. Und lächelt.

"Noch fünf Minuten bis zum Start" sagt die Moderatorin. Stefan Nothegger, der Junior, steht an der Absperrung. Er hat einen guten Platz gefunden, um das Rennen der Damen mitzuverfolgen. Auch er wird nachher bei den Herren auf die 2,5 Kilometer starten, um 13.56 Uhr geht es für ihn los, erzählt er. Ein bisschen nervös sei er, ja.

Helferinnen verteilen Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold an das Publikum hinter den Absperrungen. Eine von ihnen ist Vanessa Bauer. Wie die anderen jungen Frauen ist die 17-Jährige eine Schülerin der St.-Ursula-Mädchenrealschule Schloss Hohenburg, wo die Mitbetreuung der Special Olympics als Schulstufenprojekt der neunten Klassen läuft. Die Schülerinnen begleiten die Labstation, küren die Sieger und Siegerinnen, unterstützen die Veranstalter beim Start und im Ziel. "Alle sind sehr glücklich. Es ist eine schöne, neue Erfahrung", erzählt Vanessa Bauer. Dann verschwindet sie zurück an ihren Posten beim Siegertreppchen.

Special Olympics Bayern: Eine ganze Reihe an Medaillengewinnern wurden bei den Finalläufen in Lenggries ausgezeichnet. Dabei halfen auch Schülerinnen der St.-Ursula-Mädchenrealschule Schloss Hohenburg.

Eine ganze Reihe an Medaillengewinnern wurden bei den Finalläufen in Lenggries ausgezeichnet. Dabei halfen auch Schülerinnen der St.-Ursula-Mädchenrealschule Schloss Hohenburg.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Mit Glockengeläut und unter lautem Jubel stürzt die erste Langläuferin auf die Loipe, es ist die Dame im hellblauen Dress. Vor sich hat sie einen Guide in Orange, weil ihre Sehkraft offenbar stark vermindert ist. Die beiden gleiten über den Schnee und verschwinden bald im kleinen Wäldchen am anderen Ende der Runde. "Startnummer 264 startet sehr schnell", sagt auch die Moderatorin beeindruckt. Hinter Nummer 264 starten noch acht weitere Damen, das Gebimmel und der Jubel werden mit jeder Runde lauter. "Luisa, gib Gas", ruft jemand, Fähnchen der Firma Roche wedeln durch die Luft.

Special Olympics Bayern: Glücksmoment: Erika Rosa Kälin aus der Schweiz lief mit ihrem Guide Reinhard Schütz zwei Mal als Erste über die Ziellinie.

Glücksmoment: Erika Rosa Kälin aus der Schweiz lief mit ihrem Guide Reinhard Schütz zwei Mal als Erste über die Ziellinie.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Startnummer 264 erreicht schließlich als erste mit ihrem Begleitläufer das Ziel, noch lauterer Jubel bricht aus: Nummer 264 heißt Erika Rosa Kälin vom Schweizer Skiclub am Bachtel, Kälin ist eine der vielsprechendsten Schweizer Behindertensportlerinnen. Weil sie eine Sehkraft von acht Prozent hat, startet sie stets gemeinsam mit ihrem Begleitläufer und Partner Reinhart Schütz. Ob sie das Rennen für sich entschieden hat, steht noch nicht fest, weil die Teilnehmenden einzeln starten. Wenn ja, wäre es ihr zweiter Sieg an diesem Tag: Auch die 1000 Meter am Vormittag hat Kälin bereits für sich entschieden. Reinhart Schütz läuft erstmal los, um Erika Kälin eine Jacke zu organisieren, es ist ja immer noch kalt. Von Kindesbeinen an habe sie Langlaufen geliebt, erzählt sie. "Wir hatten eine Loipe vor der Tür. Mein Vater hat mich immer mitgenommen." Auch die Loipe in Lenggries findet sie super - und weil sie einen feinen Geruchssinn hat, wie ihr Partner beim Zurückkommen mit Stolz betont, beschreibt sie die Strecke auch gleich in olfaktorischer Hinsicht: "Dort hinten gibt es ein Stromaggregat, es riecht nach Diesel. Dann die Bäume dort drüben, die Tannen. Es riecht nach Bäumen. Und nach Winter."

Mittlerweile kommen immer mehr Teilnehmerinnen ins Ziel eingelaufen, Erika Kälin nimmt die Kolleginnen aus der Schweiz in den Arm. "Siehst du, welche Freude sie hat", sagt sie strahlend über eine andere Athletin. Dazwischen eilen Betreuer und Trainer, reichen Jacken, klopfen auf Schultern. Erika Kälin bedankt sich fürs Gespräch und verschwindet mit Reinhart Schütz in der Menge.

Als sich einige Minuten später die Herren in Startposition begeben, steht sie in den hinteren Reihen bei den Absperrungen, sie schwenkt ein Deutschlandfähnchen. "Richtig gut warst du, fast schneller als dein Begleitläufer", sagt ein Mann im Vorbeigehen mit einem Augenzwinkern - und Erika Kälin lacht.

Dann geht auch das Rennen der Herren los. Währenddessen werden die Ergebnisse der Damen an die Tafel getackert. Erika Kälin hat gewonnen: Mit mehr als einer halben Minute Vorsprung auf die Zweitplatzierte.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusSkitouren in den Alpen
:"Das ist nicht die richtige Sportart, um aus Fehlern zu lernen"

Skitouren liegen im Trend, doch was müssen Anfänger beachten, bevor sie sich das erste Mal abseits der Piste wagen? Alpenexperte Benedikt Hirschmann über Lawinengefahr, unerwartete Muskelkater und die ideale Einstiegstour.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: