Reinhold Krämmel:Gesandter der gelben Sonne

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Wie der Unternehmer erst Konsul von Kasachstan wurde - und dann von Kirgisien.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Eigentlich erwartet man vor der Firmenzentrale eines Bauunternehmens optische Reize wie Kräne, Bagger oder zumindest stilisierte Werkzeuge. Vor dem Eingang des Krämmel-Gebäudes in Wolfratshausen aber sticht etwas anderes ins Auge: Eine rote Fahne mit gelber Sonne. Die wird von einem roten Ring und sechs Linien gebildet, 40 gelbe Strahlen gehen von ihr aus. Es ist die Nationalflagge Kirgisiens. Denn das Gebäude am Hans-Urmiller-Ring fungiert zugleich als Sitz des kirgisischen Honorarkonsuls in Bayern und Thüringen. Sein Name ist Reinhold Krämmel.

"Ein durchaus zeitintensives Ehrenamt", nennt es der Bauunternehmer, zu dem er gekommen sei "wie die Jungfrau zum Kinde". Oder anders: Reisen, Zufälle und eine Art Länder-Ringelpiez brachten ihn ins Amt. Der passionierte Reisende, Netzwerker und Jäger war vor Jahren mehrere Male als Tourist in Zentralasien unterwegs. Aufgrund der Kontakte, die er dabei knüpfte, "stand auf einmal der kirgisische Botschafter auf der Matte und fragte, ob ich Honorarkonsul werden könnte", erinnert er sich. Allerdings gab es ein Problem: "Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, was das ist, ein Honorarkonsul". Krämmel bat sich Bedenkzeit aus, informierte sich - und kam zu spät: "Inzwischen hatte es einen Botschafterwechsel gegeben, und der Neue verfolgte die Sache nicht weiter". Das wiederum erfuhr der diplomatische Vertreter des benachbarten Landes Kasachstan: "Er wusste, wenn da einer ist, der schon mal grundsätzlich bereit war, ein solches Amt zu übernehmen, dann muss man dabei bleiben". Er lud Krämmel ein und bot ihm den Posten für sein Land an: "Warum nicht, dann eben Kasachstan", dachte er sich. 2013 aber eröffneten die Kasachen in München ein Berufs-Konsulat, "damit war mein Ehrenamt obsolet." Eine zweite Chance für die Kirgisen, mit denen er Kontakt gehalten hatte. Nach einem neuerlichen Botschafterwechsel sprach ihn der kirgisische Vertreter an: Jetzt, da er frei sei, könnte er doch mit zehn Jahren Zeitverzug Kirgisien übernehmen. Oder Kirgistan? Oder Kirgisistan? "Alle drei Namen sind gültig und meinen das gleiche Land", erklärt Krämmel. Er sagte zu und vertritt seither das Binnenland in Zentralasien, das rund 5,5, Millionen Einwohner zählt und an Kasachstan, China, Tadschikistan und Usbekistan grenzt.

Das Wort "Honorar" vor Konsul kommt nicht von der Bezahlung, sondern dem englischen Begriff "honorary" - ehrenhalber. "Ich trage alle Kosten selbst, von den Reisen angefangen bis zu Projekten und Veranstaltungen", erklärt Krämmel. Er interessiere sich dabei weniger für das gesellschaftliche Parkett als für gezielte Projekte: "Ich will was bewegen", sagt er. So hätten die Kirgisen traditionell Pferde- und Schafszucht, aber keine Milchwirtschaft. Milchprodukte aber seien ein wichtiger Teil der Nahrungsmittelkette, vor allem in urbanen Gesellschaften. Deshalb hat er Pilotprojekt angestoßen für den Aufbau von landwirtschaftlichen Familienbetrieben in Kirgisien. "Ich bin sehr pragmatisch, ich will nicht das große Spektakuläre, sondern kleine Beispiele setzen, wie es funktionieren kann", sagt er über sein Engagement. Teil seiner Aufgabe ist zudem, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, also für das Land und die Kultur zu werben. Gerne sähe er mehr Tourismus in Kirgisien: "Das Land ist traumhaft schön. Wenn man Berge und Natur mag, dann ist man dort richtig", betont er. Sprachlich komme man gut mit Deutsch, Englisch und Russisch oder mit Dolmetschern durch. Kirgisisch spricht Krämmel nicht - "nur Danke kann ich sagen: Rachmat".

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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