Biodiversität an der Isar:Mehr Platz für tierische Landschaftspfleger

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Die Murnau-Werdenfelser erkunden seit etwa einer Woche ihr neues Terrain. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Murnau-Werdenfelser Rinder haben den Kiefernwald in der Pupplinger Au bewahrt. Nun werden ihre Weideflächen nochmal vergrößert.

Von Veronika Ellecosta, Egling

Der bayerische Naturschutzfonds, die Isarranger, der Landesbund für Vogelschutz - in Puppling haben sie sich alle versammelt. Das "Who is Who der Naturschützer", wie Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) sagt, und er ist selbstredend auch da. Der Gasthof Aujäger hat passend zu diesem Festakt ein kleines Buffet aufgebaut, es gibt geräucherte Forelle, aber auch vegane Auberginencreme. Nur die Hauptakteure, die an diesem Freitag geehrt werden, lässt der ganze Aufwand kalt: Die Murnau-Werdenfelser Rinder fläzen lieber in einer halbschattigen Senke zwischen den Kiefern und knabbern hie und da an einem Grasbüschel. Vom Aujäger aus sind sie nicht mal zu erspähen.

Dabei sind all die Naturschutzverbände, Stiftungen und Ämter wegen der Weiderinder da. Der Isartalverein und die Heinz-Sielmann-Stiftung haben die Beweidungsflächen für die Tiere in der Pupplinger Au vergrößert, und weil das ein großes Gemeinschaftsprojekt ist, wie die Beteiligten hervorheben, sind heute alle da, um einander zu feiern.

"Die Flächen sind beim Isartalverein gut aufgehoben"

Von 60 auf 75 Hektar wurden die Weideflächen diesmal erweitert. Im vergangenen Jahr hatte der Isartalverein dazu zehn Grundstücke im Naturschutzgebiet in der Au von den Bayernwerken erworben, auf wiederum sechs Hektar davon können sich die Rinder von nun an gütlich tun. "Die Flächen sind beim Isartalverein gut aufgehoben", sagt Landrat Niedermaier zufrieden.

Martin Kiechl vom Isartalverein sagt, die Beweidung habe dazu beigetragen den Schneeheide-Kiefernwald zu erhalten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Murnau-Werdenfelser sind in der Pupplinger Au tierische Landschaftspfleger. Als die Isar noch ein Wildfluss war, überschwemmte sie regelmäßig die angrenzenden Auwälder, sodass Geröll und Steine die Gebiete durchlichteten. In diesem hellen Wald konnten Schneeheide und Kiefern aufkommen. Seit die Isar verbaut und gezähmt Richtung München fließt, bleiben auch Überschwemmungen und das Geröll aus. In der Konsequenz wächst Altgras zu einer dichten Filzmatte zusammen, Flora und Fauna verarmen. Die Murnau-Werdenfelser übernehmen nun die Rolle des Gerölls und fressen gegen die Verbuschung an. So erhalten sie den Lebensraum jener Arten, die in lichten Wäldern gedeihen: die Fliegen-Ragwurz, der Frauenschuh, die Kiefer. Diese wiederum locken seltene Tiere, Insekten und Amphibien an.

Die Weidefläche wurde nach und nach vergrößert

Bereits seit 2010 gibt es das Weideprojekt in der Pupplinger Au. Damals fraßen sich sechs Mutterkühe und sechs Kälber durch den Auwald. Von Anfang an wurde ihr Tun wissenschaftlich begleitet und unterlag einer Erfolgskontrolle, wie Martin Kiechl, der Vorsitzende des Isartalvereins, betont. Bereits zwei Jahre später hätten sich die ersten Erfolge bestätigt: "Die Biodiversität nahm sichtbar zu." Folglich wurden die Anzahl der Rinder auf 30 aufgestockt und die Flächen sukzessive vergrößert. 2017 grasten zuletzt 50 Rinder auf 60 Hektar Auwald.

Neuerdings ist auch die Heinz-Sielmann-Stiftung als Partner dabei. Im Zeichen von Tierfilmer Heinz Sielmann kümmert sich die Stiftung bundesweit um Verbund-Biotop-Projekte, also darum, nicht einzelne Arten, sondern ganze Lebensräume zu schützen. Seit 2022 ist die Stiftung in Süd- und Südostbayern bei Schutz- und Pflegemaßnahmen aktiv; sie hat dafür im September vergangenen Jahres ein Büro in Bad Tölz bezogen.

"Das Projekt kann man als Artenschutzprojekt sehen", sagt Volker Zahner, Wildtierökologe der Heinz-Sielmann-Stiftung, über die Beweidung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dung schafft Artenvielfalt

"Ein Grundtenor von Heinz Sielmann war: Auch vor der eigenen Haustür gibt es Schätze zu entdecken, die es wert sind, geschützt zu werden", sagt Volker Zahner, der im Stiftungsrat sitzt. So ein Schatz wäre für Sielmann, der seit 1965 in Oberbayern gewohnt habe, mit Sicherheit die Pupplinger Au gewesen. Zahner, der als Wildtierökologe an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf forscht und lehrt, betont auch nochmal die Rolle der Murnau-Werdenfelser als "Landschaftsgestalter", und macht dazu eine neue Rechnung auf. Die Rinder produzieren etwa 1000 Kilogramm Dung im Monat, "das macht 100 Kilo Insekten, und die machen zehn Kilo Vögel. Allein dadurch, dass man diese Nahrungskette zurück in den Auwald bringt, garantiert man Artenvielfalt. Klima-, Landschafts-, Kultur- und Artenschutz. Das schafft dieses Projekt."

Beim Murnau-Werdenfelser handelt es sich um eine alte Nutztierrasse aus Bayern. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dass die Pupplinger Au beweidet wird, hat eine Geschichte, die weit über das Jahr 2010 zurückreicht, wie Martin Kiechl hervorhebt: "Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Schneeheide-Kiefernwälder extensiv beweidet von Rindern, Schafen und Ziegen. Das Pfeifengras wurde für die Heu- und Strohgewinnung genutzt." Und der Landrat fügt hinzu: "Wir haben hier die Erkenntnis gewonnen, dass Naturschutz nicht heißt, alles stehen und liegen zu lassen. Dann wird man der Natur auch nicht gerecht. Erst die Beweidung der Isarauen hat sie zu dem gemacht, was sie heute sind. Dieses Beweidungsprojekt stellt vieles in kurzer Zeit wieder her."

Die Schneeheide-Kiefernwälder sind bewahrt

Denn mittlerweile ist auch das Ziel, die Schneeheide-Kiefernwälder und den dazugehörigen Magerrasen wiederherzustellen und zu erhalten, "im Wesentlichen erreicht und durch die andauernde Beweidung gesichert", wie Kiechl bestätigt. Nächster Schritt für den Isartalverein ist es nun, den Auwald bei der Verjüngung zu unterstützen, sodass junge Kiefern aufkommen können. "Hier werden wir im Rahmen der jetzigen Erweiterung auch Lösungen finden, die in Abstimmung zwischen den Fachleuten des Forstes und des Naturschutzes auf der einen und von der Sielmann-Stiftung und dem Isartalverein auf der anderen Seite entstehen."

Landwirt Markus Huber aus Deining kümmert sich um die Beweidung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Landwirt Markus Huber hat seine Tiere erst vergangenen Freitag in die Sommerfrische in der Au entlassen. Dort versorgen sich die Muttertiere und Kälber den Sommer über selbst, erklärt er, nur den Wassertank fülle er regelmäßig nach. Ob das Gras in der Au den Rindern wohl bekommen wird? "Das werden wir dann sehen", sagt er und lacht.

Mehr über die Arbeit der Heinz-Sielmann-Stiftung erfahren Sie hier .

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