Prozess zum Königsdorfer Gewaltakt:Puzzlestücke im Mordfall Höfen

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Am neunten Prozesstag gegen die mutmaßlichen Raubmörder wird deutlich, wie sehr das überlebende Opfer leidet. Ein Verteidiger hegt Zweifel an der Rolle von Jakub G., der bisher als einziger ausgesagt hat.

Von Andreas Salch, Königsdorf

Fast eineinhalb Jahre nach dem Doppelmord von Höfen leidet die Witwe noch immer unter den Folgen der Tat. Am 25. Februar vergangenen Jahres waren drei Männer in ihr Haus eingedrungen und hatten anschließend zwei ihrer Bekannten auf unvorstellbar brutale Weise getötet. Ein Notarzt, der mit als einer der ersten im Haus war, sagte in dem Prozess vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II, er habe bislang um die tausend Einsätze gehabt. Doch der Doppelmord in Höfen sei "das Schlimmste, was ich je in meinem Leben gesehen habe."

Die 76-jährige Witwe war drei Tage nach der Tat durch einen Zufall entdeckt worden. Sie lag im Heizungskeller ihres Hauses neben der Leiche des 81 Jahre alten Johannes S. Im Obergeschoss fanden die Ermittler den Leichnam einer weiteren Frau. Es war Inge B.

Die Witwe, die die Täter ausraubten, leidet seither laut ärztlicher Diagnose an einer "mittelgradigen Depression" sowie einem "phobischen Schwankschwindel". Zurückzuführen sei dieser auf die Vielzahl der Schläge und Tritte der Täter gegen den Kopf der 76-Jährigen. Sollte die Frau in Anwesenheit der Angeklagten vor Gericht aussagen müssen, bestehe für sie die Gefahr "eines schweren gesundheitlichen Nachteils". Das Gericht hat am Dienstag, dem neunten Verhandlungstag, deshalb dem Antrag des Verteidigers der Frau, Rechtsanwalt Derek Setz, zugestimmt, seine Mandantin kommende Woche im Rahmen einer sogenannten audiovisuellen Vernehmung zu befragen. Dabei wird sich die 76-Jährige in einem anderen Raum des Strafjustizzentrums befinden und per Videoschaltung mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal A 101 verbunden sein.

Die Verteidiger von Robert P., dem Hauptangeklagten, sagten am Dienstag, dass sie für ihren Mandanten erst nach der Sommerpause eine Erklärung zu den Vorwürfen aus der Anklage abgeben werden. Auch von den Anwälten der beiden anderen Angeklagten, Malgorzata L. und Michal N., wird dies erst für Anfang September erwartet. Der einzige, der bislang überhaupt etwas sagte, ist Jakub G., genannt "Kuba". Wie berichtet, hat der 34-Jährige seine Rolle bei der Tat heruntergespielt und behauptet, er habe sich "ganz entschieden gewehrt" mit in das Haus der Witwe einzusteigen. Erst als ihn Robert P. angeblich bedroht habe, sei auch er mit in das Anwesen. Bei den brutalen Übergriffen gegen die Senioren will Jakub G. sich zurückgehalten haben. Einem Mithäftling hatte der gelernte Koch, der vor der Tat in Strullendorf im Landkreis Bamberg lebte, allerdings erzählt, dass allein er etwa "fünfzig Mal" gegen den Kopf des 81-Jährigen Johannes S. getreten habe. Rechtsanwalt Benjamin Ruhlmann, der mit seinem Kollegen Hans Schröder den 44-jährigen Robert P. verteidigt, sagte am Dienstag am Rande der Verhandlung, dass er davon überzeugt sei, dass Jakub G.s Darstellung von seiner angeblich eher untergeordneten Rolle, die er bei der Tat in Höfen gespielt haben will, nicht in das Gesamtbild passe. Detaillierte Angaben wollte Ruhlmann nicht machen.

Weitere acht Verhandlungstage hat das Gericht eingeplant. Ob es dabei bleibt, scheint fraglich. Denn es ist ein Puzzle aus einer Vielzahl von Spuren und Ermittlungsergebnissen, das die Richter zusammensetzen müssen: etwa die Funkzellenauswertung der Handys der Angeklagten oder deren Schuhabdrücke am Tatort. Rechtsanwalt Benjamin Ruhlmann stellte zu den Abdrücken einem Beamten des Landeskriminalamtes so detaillierte Fragen, dass dieser auf einen Fachmann des US-amerikanischen Federal Bureau of Investigation (FBI) verwies. Ehemalige Mithäftlinge der Angeklagten brachten Richter Thomas Bott bisweilen in Rage. "Man merkt deutlich, dass Sie keine Lust haben, über Mitgefangene auszusagen", fuhr er etwa Krzysztof K. an und fügte hinzu, dass er sich durch ihn "verarscht" fühle. Staatsanwältin Ines Wießner fragte den 32-Jährigen, ob er "auf den Kopf gefallen" sei, da er vorgab, sich nicht mehr an den Inhalt der Gespräche erinnern zu können, die er mit Michal N. in der Untersuchungshaft geführt hatte. Michal N. hatte die Tat in Höfen gegenüber Krzysztof K. so dargestellt, als sei sie aus dem Ruder gelaufen. Die zwei Toten seien nicht "geplant" gewesen, habe Michal N. ihm gesagt, berichtete Krzysztof K.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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