Auftritt eines Gesamtkunstwerks:Mit Wullu Wullu in Wallung

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Peter Spielbauer präsentiert sein neues Programm "Das große Wullu Wullu oder: Andere Leute sagen auch schöne Sachen". (Foto: Hartmut Pöstges)

Peter Spielbauer wird im Irschenhauser Theater unterm Apfelbaum für sein neues Soloprogramm gefeiert.

Von Susanne Hauck, Icking

Viel genialer Blödsinn, kuriose Gedankenflüge und mehr oder weniger tiefsinniger Nonsens: Peter Spielbauer ist sich auch bei seinem neuesten Soloprogramm treu geblieben. Mit "Das große Wullu Wullu oder: Andere Leute sagen auch schöne Sachen" feierte der Wortkünstler bei der Gesellschaft unterm Apfelbaum eine umjubelte Premiere. Dass die Fans jetzt schon in den Genuss kamen, haben sie der Hartnäckigkeit von Veranstalterin Barbara Reimold zu verdanken. Eigentlich wollte sich Spielbauer mit der Fertigstellungnach eigenem Bekunden bis zum Herbst Zeit lassen. Doch Reimold habe ihn gefragt, ob er nicht was Neues auf Lager habe. "Das war ein guter Arschtritt", bekannte er. Somit war der Auftritt beim sommerlichen Irschenhauser Freilufttheater für den Ickinger Spielbauer natürlich ebenso Ehrensache wie Heimspiel.

Schade zwar, dass auch dieser Abend wieder verregnet war, trotzdem war der Andrang riesengroß. Das Publikum eine wilde Mischung aus alternativer Szene und Barfußläufern bis zu kreuzbraven Nachbarsleuten und Rentnerpaaren, auch jüngere Leute haben sich eingefunden. Alles saß auf Tuchfühlung im Zelt, die zuletzt Gekommenen nahmen anstandslos Platz auf schnell aufgestellten Bänken weiter draußen im Garten. "Peter, Peter" schallte es dem Lokalmatador dann auch schon entgegen, der, eine gelbe Kiste auf dem Kopf balancierend, in bis über den Bauchnabel hinaufgezogener Schlabberhose auf die Bühne tänzelte.

Zitiert er noch oder mäandert er schon? (Foto: Hartmut Pöstges)

Spielbauers Markenzeichen ist es, dass er erstens sehr schnell und zweitens so schön um die Ecke denken kann. Und so geht es, dank seiner sprachlichen Virtuosität und seinem unerschöpflichen Wortschatz, auch diesmal wieder im atemberaubenden Galopp einmal querbeet durch die großen und kleinen Themen der Zeit. Corona, Impfgegner, Impfgläubige, Klimawandel, Korruption, böser Putin, böse Amis, Astrophysik, Rohstoffausbeutung, Mikroplastik, Nahrungsüberfluss, alles landet in der Spielbauerschen Verwertungsmaschine und wird in Sprüchen und Versform wieder ausgespuckt, gern garniert mit einem Sahnehäubchen an Goethe-Zitaten oder einem Shakespeare-Monolog. Der Mann auf der Bühne ist alles Mögliche: ein spinnerter Tausendsassa, ein wandelndes Gesamtkunstwerk.

Regen unterm Apfelbaum hielt das Publikum nicht ab, zahlreich zu erscheinen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Kosmos von Spielbauer reicht von platten Sprüchen ("Ein guter Satz ist besser als ein Cappuccino") über lustige Reimereien ("Welch glückliches Schicksal schickte uns in diesen Saal") bis zu tiefsinnigen Gedankenspielen ("Ein Zweifel kommt selten allein"). Zwischendurch darf's auch mal konkreter und böser werden, und dann ist er am besten. Die Maskenaffäre ist ein schönes Beispiel dafür. Spielbauer nimmt sich Sauter, Nüsslein und Tandler vor, die "coronösen Speerspitzen des bayerischen Maskenbeschaffungssumpfes", die wegen einer vom Gericht festgestellten Strafbarkeitslücke "ihre schmierigen Provisionen behalten durften". Wenn sich der Künstler ausmalt, wie sich die erwähnten CSUler das Wort Strafbarkeitslücke "genüsslich tandlernd auf ihren versauterten Zungen zergehen lassen", johlt das ganze Zelt vor Vergnügen. Ja, Wörter können scharf wie Chirurgenstahl sein. Danach suhlt sich Spielbauer schwelgerisch in dem sprachlich sehr eleganten Satz einer Schweizer Theaterkritikerin, die selbstverliebte und machtgierige Politiker mal eben so zerlegt hat: "Sie agieren mit jener souveränen Arroganz, die auf Naivität und Egomanie beruht." Als man sich noch fragt, was jetzt als nächstes kommt, schiebt Spielbauer hinterher: "Ich wusste nicht, dass Annalena schon 2009 so durchschaut wurde."

Peter Spielbauer auf der Suche nach der Wahrheit in einer Welt von Fake News, aufgeregten Massenhypes und nutzlosem Informationsmüll. (Foto: Hartmut Pöstges)

In der Quintessenz dreht sich in Spielbauers neuem Programm alles um die Suche nach der Wahrheit in einer Welt von Fake News, aufgeregten Massenhypes und nutzlosem Informationsmüll. Und genau das ist dann auch das geheimnisvolle, titelgebende "Wullu Wullu". In Asien hergestellte Billighosen mit sinnlosen Modelöchern? Großes Wullu Wullu! Die Tagesschau? Voll mit belanglosen Wullu Wullus, denn Nachrichten heißen so, damit man sich nach ihnen richtet! Um was geht's in der Welt? Nur um die Rohstoffe, alles andere ist Wullu Wullu! Die Sonne aber - kein Wullu Wullu, sondern Spielbauers geliebtes Lebenselixier: "Sonne, Sonne scheine, lass' mich nicht alleine!"

Mit der Zeit geht Spielbauer ein wenig die Puste aus inmitten all der sprachlichen Drehungen und Wendungen und aberwitzigen Pirouetten und Kapriolen, die er mit großem Körpereinsatz auf der Bühne vollführt. Nach der Pause plätschert das Programm eher vor sich hin, und so ist das große Wullu Wullu am Ende doch auch ein bisschen Wischiwaschi. Das lässt sich verschmerzen. Auch mit diesem Programm hat Spielbauer seine Stellung als einer der ausgefallensten Künstler einmal mehr bewiesen.

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