Penzberg:Für alle offen

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Die Moschee und ihr Imam Benjamin Idriz gehören seit zehn Jahren zur Stadt Penzberg. Am Tag der Deutschen Einheit gibt es dort Führungen und die Gelegenheit zu Gesprächen.

Von Pia Ratzesberger, Penzberg

Es ist schon seltsam, dass dieser Satz noch immer fallen muss, nach solch einer langen Zeit: "Wir Muslime sind ganz normale Bürger", sagt Imam Benjamin Idriz, hier im ersten Stock der Penzberger Moschee. Ein Besprechungsraum mit großen Fenstern und schwarzen Ledersesseln, Idriz trägt einen dunklen Anzug - man könnte meinen, er führe hier Verhandlungen über Kaufverträge oder Unternehmensstrategien. Doch nein, wenn, dann führt Idriz Verhandlungen über Deutschland und den Islam. Er sagt: "Wenn der Islam zur Bundesrepublik gehört, dann der, den wir in Penzberg predigen".

Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, findet auch in seiner Moschee ein Tag der offenen Tür statt, wie in so vielen islamischen Gemeinden bundesweit. Nur, dass Idriz solch einen Anlass eigentlich nicht braucht. Schon die Architektur der Moschee vermittelt Offenheit, mehr als 65 Prozent des Gebäudes sind aus Glas. Ohne Kuppel, aber mit Minarett thront das Gebetshaus in der Bichlerstraße 15, gleich neben einem Getränkemarkt.

Seit zehn Jahren steht die Moschee dort, in zwei Wochen, am 17. Oktober wird das Jubiläum gefeiert. Blickt man auf den hellen Bau, ist es nur schwer vorstellbar, dass die Islamische Gemeinde vor zwanzig Jahren noch in einem umfunktionierten Kuhstall gen Mekka beten musste. Nur dort war für die dutzenden bosnischen Flüchtlinge, die damals nach Penzberg strömten, die Miete erschwinglich. Heute dagegen strahlt der Bayerische Rundfunk während des Ramadans live ein Festgebet aus der Penzberger Moschee aus. Auch viele Passanten, die früher noch vorsichtig fragten, ob sie das Gebetshaus denn betreten dürften, gehen heute einfach über die Schwelle. Penzberg und seine Bürger haben die Moschee zu der ihren gemacht, sagt Idriz. Wenn ein Fremder nach der Adresse frage, kenne die heute fast jeder im Ort.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Imam Benjamin Idriz will eine Moschee, die Menschen verbindet und nicht trennt.

Imposant: die Moschee in Penzberg.

Die Moschee steht für einen zeitgemäßen Islam, eine moderne Auslegung des Koran. Hier dürfen auch Frauen predigen, arbeiten in der Verwaltung. Kindern können beim Gebet direkt neben den Eltern Platz nehmen, müssen sich nicht in die hintersten Reihen setzen. Als eine Gruppe älterer Herrschaften sich zur Besichtigung der Moschee in der Eingangshalle versammelt und die Religionspädagogin Gönül Yerli ankündigt, dass auch Imam Idriz sich noch vorstellen werde, ist ein Raunen zu vernehmen, fast schon ehrfürchtig klingt das. Dass der Imam wenige Minuten zuvor bereits neben der Gruppe auf der Treppe stand, hat niemand bemerkt. Wahrscheinlich, weil keiner vermutet, dass der Imam in einem schlichten weißem Hemd und schwarzer Hose erscheint. Die gängigen Klischees will man hier nicht immer bedienen - aus gutem Grund. "Die Mehrheitsgesellschaft bringt die Muslime in Deutschland oft noch ausschließlich mit den Entwicklungen in der arabischen Welt in Verbindung", sagt Idriz. Wenn irgendwo auf der Welt ein Terroranschlag mit islamischem Hintergrund passiere, werde stets ein Statement erwartet, eine klare Distanzierung. Bei anderen Themen in der Bundesrepublik aber, bei innenpolitischen, wirtschaftlichen oder Bildungsfragen würden Muslime kaum nach ihrer Meinung gefragt.

Die Aussage des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff versieht Idriz noch immer mit einem "wenn" - die Moschee gehört zu Penzberg, das sei klar, aber dass der Islam zu Deutschland gehöre, das spricht der 43-Jährige nicht ohne Einschränkung aus. Es gebe schließlich genügend Anfeindungen, die dem im Wege stünden, von beiden Seiten: Da seien die Rechtspopulisten, die in den Muslimen eine feindliche Gruppe sähen, die ihnen ihr Deutschland raubten. Erst am vergangenen Wochenende warf ein Unbekannter eine mit braunem Farblack gefüllte Christbaumkugel gegen die Moschee. Und da seien die kritischen Muslime, die Vorbehalte gegenüber der Mehrheitsgesellschaft hätten - sowie manchmal auch Probleme mit modernen Islamauslegungen wie in Penzberg.

An manchen Tagen fällt Idriz besonders auf, dass der Islam zwar schon mehr zur deutschen Gesellschaft gehört wie noch vor zwanzig Jahren - aber eben immer noch nicht ganz angekommen ist. Vergangene Woche, als er mit seiner Familie gerade das Opferfest feierte, habe sein Handy geklingelt, erzählt der Imam - vor sich ein süßes Honiggebäck, Kadayif, ein Überbleibsel der Feierlichkeiten. Warum er denn nicht auf seine Mails antworte, fragte der Mann am anderen Ende der Leitung. Er hatte keine Ahnung, dass er am Tag des höchsten islamischen Festes angerufen hatte.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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