Pandemie in Bad Tölz-Wolfratshausen:Wirtschaftskrise Teil zwei

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Die Gastwirtschaften sind nun zwar nach der Pandemie wieder geöffnet - doch das Personal fehlt. (Foto: Manfred Neubauer)

Corona hat die Gaststätten im Landkreis mit monatelangen Schließungen schwer getroffen. Nun sind sie zwar wieder geöffnet, vielen fehlt jedoch das Personal, das im Lockdown die Branche gewechselt hat.

Von Kathrin Müller-Lancé, Bad Tölz-Wolfratshausen

Bei Martina Riesch vom Jachenauer Schützenhaus war es der Koch, der den Betrieb verlassen hat, um sich selbständig zu machen. Für ihn Ersatz zu finden, sei sehr schwierig gewesen, sagt die Wirtin. Mit Anzeigen und Mundpropaganda habe sie es versucht - "aber man findet momentan niemanden". In der Küche des Schützenhauses arbeiten jetzt neben dem verbliebenen Koch vier Aushilfen mit, jeden Tag jemand anderes. "Viele gute, leidenschaftliche Köche haben die Branche gewechselt", sagt Riesch. "Man weiß ja nie, was als nächstes passiert."

Die Gastronomie ist eine der Branchen, die von der Corona-Krise am schwersten getroffen wurden. Monatelang mussten Restaurants schließen, danach erschwerten immer neue Auflagen den Betrieb. Aber auch jetzt, wo die Gaststätten wieder offen sind, spüren die Wirtinnen und Wirte noch die Nachwirkungen der Krise: Viele haben in der Pandemie Kellner und Köchinnen verloren und finden nur schwer Ersatz. "Schon vor Corona haben wir unter dem Fachkräftemangel gelitten", sagt Monika Poschenrieder, Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. "Das hat sich jetzt noch verstärkt." Laut einer Branchenumfrage des Dehoga-Bundesverbandes vom Juni dieses Jahres beklagen 42 Prozent der Betriebe den Wechsel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in andere Branchen. Noch immer bangten 46 Prozent der Befragten um die Existenz ihre Betriebe. Auch im Landkreis hat innerhalb des vergangenen Jahres jeder achte Beschäftigte den Job als Koch, Hotelangestellte oder Servicekraft aufgegeben. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Verweis auf neueste Zahlen der Arbeitsagentur mit.

Aus Personalmangel hätten einige Gaststätten ihre Karte verkleinert und ihre Öffnungszeiten anpassen müssen, erklärt die Dehoga-Kreisvorsitzende Poschenrieder. "Das kommt nicht immer gut an - aber was soll man machen, wenn einem die Leute fehlen?" Martina Riesch vom Schützenhaus berichtet, dass sich die Wirte in der Jachenau mit ihren Ruhetagen abgesprochen hätten, damit die Gäste nicht an manchen Tagen gar nichts mehr zu essen bekommen.

Auch Rudolf Rohrmoser von der Reindl-schmiede in Bad Heilbrunn hat nach der Corona-Krise seine Öffnungszeiten angepasst und einen zusätzlichen Ruhetag eingeführt. Ihm sind zwei Kellnerinnen ausgefallen, die Suche nach Ersatz sei nicht einfach gewesen, sagt er. "Da ist schon ein Mangel zu spüren." Nicht nur die finanzielle Unsicherheit halte potenzielle Bewerber von der Branche ab, manche hätten auch Angst davor, sich im Kontakt mit den Gästen mit dem Virus anzustecken. Erst vor Kurzem gab es in der Reindlschmiede einen Gast, der im Nachhinein positiv auf Corona getestet wurde. Das Gesundheitsamt hatte den Wirt kontaktiert. "Zum Glück war die Servicekraft doppelt geimpft und hat draußen und mit Maske bedient", sagt Rohrmoser. Mittlerweile hat der Gaststättenbesitzer zwei neue Mitarbeiterinnen finden können. Eine von ihnen ist die Enkelin eines Stammgastes. "Wir haben die Leute einfach direkt angefragt."

Zwar kenne sie keine Restaurants in der Region, die aus Personalmangel sogar hätten schließen müssen, sagt die Dehoga-Vorsitzende Poschenrieder. Sie fügt aber hinzu: "Ich denke, die vollen Auswirkungen der Pandemie werden sich erst ab Mitte des nächsten Jahres herausstellen." Fragt man sie nach den Gründen für die schwierige Personalsituation, nennt Poschenrieder aber nicht nur Corona: "Den jungen Leuten wird heute alleneingetrichtert, dass sie studieren sollen. Das schadet dem Handwerk." Viele Jugendliche hätten ein völlig unrealistisches Bild von der Branche - durch weichgezeichnete Fernsehköche auf der einen und zu negative Berichterstattung auf der anderen Seite, so Poschenrieder.

Auch Reindlschmiede-Wirt Rohrmoser wünscht sich mehr Anerkennung für seine Branche: "Es wäre schön, wenn die Gäste ein bisserl mehr mit uns fühlen", sagt er. "Wir geben alle unser Bestes. Aber gerade bei Quereinsteigern kann es in den ersten Tagen schon mal ein bisschen rumpeln."

© SZ vom 03.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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