Egling:Landmaschinen für die Ewigkeit

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Stolz auf alte Motoren: Die Oldtimer-Freunde Rainer Wirkert, Sepp Houzer, Paul Gröbmair, Anne Korntheuer, Valentin Dietrich, Otto Eisenmann und Hans Korntheuer (v.li.) mit den Kindern Theresa und Simon und ihren Traktoren. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Mitglieder des Oldtimer-Vereins Endlhausen blicken auf mehr als 25 bewegte Jahre zurück. Zuletzt aber ist das Interesse an alten Traktoren abgeebbt. Das könne sich bald ändern, hoffen sie - mit der Verkehrswende.

Von Marie Heßlinger, Egling

Ein Knattern geht durchs Dorf, zwischen den Wiesen taucht ein Traktor auf. Der Fahrer hat das Kinn nach vorne gereckt, er trägt Hut und Mantel, der holprige Boden lässt ihn im Sitz hüpfen. Sein Fahrzeug ist blassgrün - und irgendwie anders: mechanischer, eckiger als die, die man sonst auf Feldern sieht, ein Insekt aus Blech. Bei einer Scheune kommt es zum Stehen. Ein paar Traktoren stehen dort, und eine Gruppe Männer - die Oldtimer-Freunde aus Endlhausen. Seit ein paar Jahren passiert nicht mehr viel im Verein. Doch mit der Verkehrswende, so hoffen die Mitglieder, wird sich das ändern.

"Das ist der Mann, der für uns spricht", sagt ein Mann mit Filzhut, Schnauzer und orangefarbener Warnjacke. Er lacht und zeigt auf einen anderen, mit Brille und blauer Strickjacke: Paul Gröbmair ist Ehrenvorsitzender der Oldtimer-Freunde. Der 77-Jährige war von Anfang an dabei, also seit 1994, als der 600-Einwohner-Ort Endlhausen sein 1 000-jähriges Bestehen feiern wollte. Die Bewohner überlegten, was für ein Programm sie organisieren könnten. "Der Dietrich, der hat die Idee gehabt: Machen wir doch ein Oldtimer-Treffen", erinnert sich Gröbmair. "Da haben alle erst mal gelächelt."

Zu den Schmuckstücken der Oldtimer-Freunde Endlhausen gehört auch ein alter Wasserverdampfer-Traktor mit Schwungrad. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zu jener Zeit waren alte Traktoren in Endlhausen nichts Besonderes. Ständig gab es neue, größere Modelle mit immer mehr Gängen. "Das war eine Zeit, da haben die Bauern die alten Traktoren alle weggeschmissen", sagt ein Mann mit Trachtenhut und grauer Strickjacke, der sich dazu gestellt hat. Gegner formierten sich, sie hielten ein Oldtimer-Treffen für eine Schnapsidee. "Die haben gemeint, wir machen jetzt eine Veranstaltung, zu der keiner kommt", sagt der Mann in der grauen Strickjacke. Es ist Valentin Dietrich, der damals die Idee hatte. Zehn Dorfbewohner ließen sich von den Zweifeln nicht unterkriegen. Sie organisierten eine Oldtimer-Parade. "Da waren 1000 Zuschauer da", sagt Dietrich. "Mehrere Tausend", korrigiert ihn ein Mann im Karohemd, der Vorsitzende Johann Korntheuer.

27 Jahre später ist aus der Sache längst ein ganzer Verein geworden, mit mehr als 200 Mitgliedern, die im Eglinger Umland und selbst in Südtirol wohnen. Vergangenes Jahr hätten die Oldtimer-Freunde ihren 25. Geburtstag gefeiert, wegen Corona war das aber nicht möglich. Die Liste der Ereignisse im Vereinsheft aber ist lang. "Angela Merkel wird erste Bundeskanzlerin der BRD" steht unter der Jahreszahl 2005. Und: "Papst Johannes Paul II stirbt." Gleich darüber: "Zehn Jahre Oldtimer-Verein mit dreitägigem Programm".

Die Oldtimer-Freunde aus Endlhausen haben in den vergangenen Jahren nicht nur alte Traktoren restauriert und sind damit zu Oldtimer-Paraden gefahren. Sie haben sich nicht nur jeden Freitag zu ihrem Wirtshaus-Stammtisch getroffen und sind zu Wanderungen in die Alpen aufgebrochen. Sie haben auch eine alte Säge aus Tirol in ihrem Dorf wiederaufgebaut, Erntefeste mit alten Mähdreschern gefeiert und einen Stadl für ihre Maschinen gezimmert. Die Begeisterung bei den Mitgliedern war groß. Doch irgend etwas scheint sich in der jüngsten Vergangenheit geändert zu haben. Sechs Männer, eine Frau und zwei Kinder stehen nun um vier Traktoren herum. Zu den Stammtischen kämen um die 20 Mitglieder, schätzt Gröbmair. "Die Sammelleidenschaft ist nach wie vor da", sagt er. "Aber als ich Vorstand war, ist mehr Motivation dagewesen." Das war von 2001 bis 2010.

Der Ehrenvorsitzende Gröbmair tritt nun an seinen Traktor. Es ist der älteste von den vieren, die die Mitglieder hergefahren haben. Die anderen drei Traktoren sind hellblau und hellgrün, "Ackerdiesel" steht in geschwungener Schrift auf einem. Gröbmairs Oldtimer aber ist schwarz, die Innenfläche der Reifen rot. Baujahr 1942. Was ihm an seiner alten Traktor gefällt? Gröbmair lacht. "Das ist einfach die Sammelleidenschaft", sagt er. "Außerdem war der so verrostet. Den hab ich wieder zum Leben erweckt."

Gröbmairs Trecker war in Besitz eines Landwirts und eines Landmaschinen-Händlers, er wurde vom Eishockey-Verein genutzt, um die Eisfläche zu glätten und später von einem Bildhauer, um Steine zu schleppen. Und dann stand er nach einem Unfall unter einer Linde und verrostete bis zur Unkenntlichkeit. Wie die meisten Oldtimer-Freunde ist auch Gröbmair kein Landwirt. Aber nun fährt er mit seinem Oldtimer-Traktor in den Wald und holt Brennholz nach Hause. "Den hab ich so restauriert, dass er wieder 100 Jahre laufen kann."

Die Oldtimer-Freunde sich einig, dass die Maschinen von damals um Jahrzehnte länger leben als die von heute. Hans Korntheuer, ihr aktueller Vorsitzender, hat deshalb angefangen, all das Wissen um die Maschinen zu sammeln und in einer Datenbank festzuhalten. Dutzende Artikel aus Fachzeitschriften und Videos hat er bereits zusammen getragen. "Es ist bloß so, dass sich niemand dafür interessiert", sagt er.

Der 69-Jährige hat einen grauen Bart und eine Brille. Er wurde für den Vorsitz vorgeschlagen, weil er sich mit Geschichte auskennt. Aber Korntheuer sieht sich bloß als Übergang. Er habe den Posten nur angenommen, weil kein anderer wollte. Mühe gibt er sich trotzdem viel. Vor zwei Jahren lud Korntheuer die Mitglieder zu einer "Zukunftswerkstatt" ein, die er moderierte. "Da wollte ich mal herausfinden, was die Mitglieder eigentlich wollen", sagt er. Und: "Das war vielleicht ein Schuss in den Ofen." Dietrich schaltet sich ein: "Du musst das Gute sagen, Hans!"

Bei der Zukunftswerkstatt kam heraus, dass die Oldtimer-Freunde Geselligkeit suchten und Wissen erhalten wollten, sagt Korntheuer. Und bei den Stammtischen zeige sich ihre Freude an Geselligkeit. Bloß das Interesse am Wissen sei vielleicht doch nicht so groß. Korntheuer hielt zwei Vorträge - beim ersten kamen um die 25 Zuhörer, beim zweiten um die zehn. Eigentlich habe man mal das Ziel gehabt, ein Museum zu eröffnen, sagt er. Doch bislang sei in diese Richtung wenig passiert. Auch andere Projekte kamen in jüngster Vergangenheit kaum zustande. Erschwerend hinzu kam die Pandemie.

"Wenn wir einen Vorstand hätten, der die Leute motivieren könnte, ginge es wieder aufwärts", sagt Gröbmair. Er hofft, dass sich bei der Vorstandswahl im kommenden Jahr ein jüngeres Mitglied zur Wahl stellen wird. Denn auch darin sieht er einen weiteren Grund für die nachlassende Arbeitsbereitschaft: "Als wir den Verein gegründet haben, waren wir um die 50", sagt Gröbmair. "Jetzt sind wir halt alt." Dabei gibt es im Verein durchaus auch ganz junge Mitglieder: Etwa zehn von ihnen seien um die 20 Jahre alt, schätzt Gröbmair. Doch um sie konkurrieren auch andere Vereine, wie etwa die Burschen oder die Feuerwehr. Dass es mit den Oldtimer-Freunden Endlhausen irgendwann ganz vorbei sein könnte, glauben seine Mitglieder jedoch nicht. Im Gegenteil.

Korntheuer hofft auf Aufbruchsstimmung nach der Pandemie - so wie nach dem 30-jährigen Krieg: "Was da für ein Aufschwung gekommen ist, was da für Freude gekommen ist", sagt er, "da haben sie die ganzen Kirchen gebaut." Und Gröbmair und Dietrich setzen auf die Verkehrswende. Von Autos mit Elektrobatterien halten einige Vereinsmitglieder eher wenig. "Wasserstoff wäre halt die Zukunft, Wasserstoff", sagt auch Korntheuer. Aber dürften Verbrenner-Motoren tatsächlich bald der Geschichte angehören, würde die Sammelleidenschaft mancher Menschen sicherlich geweckt, glauben die Oldtimer-Freunde. "Wenn die Elektromobilität zunimmt, kriegen wir mehr Zulauf", sagt Gröbmair.

Dann steigen die Oldtimer-Freunde auf ihre Traktoren. Der Herr mit Mantel und Hut als erster, er hebt die Hand zum Gruß, eine Rauchwolke bleibt. Als zweiter der Mann mit Schnauzer und Warnweste, er winkt, sein Traktor knattert heiser. Als letzter nimmt Paul Gröbmair einen Hebel in die Hand und beginnt, damit am Schwungrad seines Wasserverdampfers zu drehen. Der stößt erst langsam und dann immer schneller und rhythmischer ein Tuff-Geräusch aus. Wie eine Lokomotive fährt er davon. Den Mann mit Schnauzer und Warnweste trifft man eine Viertelstunde später wieder. Sechs Autos fahren in der Schlange hinter ihm. Er hat die Landstraße gewählt.

© SZ vom 10.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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