Oberbayern:Nach Mord in Königsdorf: Eine Gemeinde unter Schock

Lesezeit: 3 min

Die Sonderkommission Höfen wird am Dienstag auf 52 Ermittler erhöht, auch die Polizeipräsenz wird verstärkt. (Foto: Hartmut Pöstges)
  • Nach dem Doppelmord im Weiler Höfen in Oberbayern laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die Polizei geht von mehreren Tätern aus.
  • Am Samstagabend waren in dem Haus eine 76-jährige Frau und ein 81 Jahre alter Mann tot aufgefunden worden. Die 76 Jahre alten Hauseigentümerin überlebte schwer verletzt.

Von Claudia Koestler, Königsdorf

Eine "überaus schockierende und brutale Tat", wie es sie in der Region zumindest in jüngster Zeit nicht gegeben hat: So bezeichnet Polizeipräsident Robert Kopp am Montag bei einer Pressekonferenz in Weilheim das Gewaltverbrechen in Königsdorf. Die Ermittler gehen inzwischen von einem Einbruch in dem Einfamilienhaus aus, der in einem Raubmord endete. Der "zweifache Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord", so nennt es der Leitende Staatsanwalt Hajo Tacke derzeit, soll von mehreren Tätern begangen worden sein. Sie sind noch auf der Flucht.

Inzwischen steht fest, wer die Opfer sind: Ein allein stehender 81-jähriger Mann aus Nordrhein-Westfalen und eine 76-jährige Frau aus dem Raum Frankfurt am Main sind bei dem Gewaltverbrechen im Ortsteil Höfen ums Leben gekommen. Die Rentner wurden nach Angaben der Ermittler durch "stumpfe Gewalteinwirkung, also Schläge" getötet, sagt Markus Deindl, der Leiter der Sonderkommission "Höfen", bei der Pressekonferenz. Die beiden Todesopfer sollen befreundet gewesen sein mit der Besitzerin des Einfamilienhauses, die bei dem Raubmord offenbar misshandelt und schwerst verletzt wurde. Sie ist bisher nicht vernehmungsfähig.

Verbrechen im Landkreis Bad Tölz - Wolfratshausen
:Geschlagen, gefesselt und eingesperrt

Der Mord in Königsdorf erinnert an ein Verbrechen im Nachbar-Landkreis. Mord und Totschlag sind aber in der Region seltene Delikte.

Von Ingrid Hügenell

Unterdessen ist es in Höfen selbst auffallend still. Kein Kinderlachen, keine nachbarschaftlichen Gespräche übern Zaun. Nur die Vögel zwitschern, fast ein bisschen penetrant. Die Polizeibeamte und Ermittler in Schutzkleidung, die in und aus einem Haus an der Stichstraße des Weilers eilen, sowie die Kamerateams, die dort Position bezogen haben, lassen keine Zweifel zu: Das Idyll ist ein Tatort geworden - der Ort eines ungewöhnlich brutalen Verbrechens. "Plötzlich ist die Angst da", sagt eine Königsdorferin, die nicht namentlich genannt werden will. "Mord, das war bisher immer etwas für Großstädte oder Krimis. Es ist entsetzlich, dass so etwas so nah passiert und plötzlich so real ist. Und es ist beängstigend, dass man weiß, irgendwo laufen Menschen frei umher, die so etwas Grauenvolles getan haben."

"Uns ist bewusst, dass das Sicherheitsgefühl durch dieses schwere Verbrechen leidet", sagt Polizeipräsident Kopp. Deshalb solle die Polizeipräsenz, insbesondere in der betroffenen Region, nun signifikant erhöht werden. Neben Diensthundeführern sollen ihm zufolge auch berittene Polizisten eingesetzt werden. Allerdings betonte er, dass diese Tat "mit Sicherheit eine Ausnahme" darstelle. Der normale Einbrecher sei eher scheu.

Auch wenn die Beamten um Verständnis bitten, dass sie derzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nur wenige Einzelheiten nennen können: Zu der Tat kristallisieren sich mehr und mehr schockierendere Details heraus. So soll sich nach Angaben der Polizei der Raubmord zwischen Mittwochabend und Samstagvormittag ereignet haben. Das wiederum bedeutet, dass die Schwerverletzte und die beiden Todesopfer mindestens 24 Stunden im Haus lagen, ehe die Polizei sie auffand. Ermittelt werde laut Polizei "in alle Richtungen", dazu gehörten auch Einbruchbanden aus Osteuropa. Allerdings stehen die Ermittler, wie sie betonen, "vor einem komplexen Sachverhalt". Insbesondere wegen der Brutalität, mit der die Täter vorgingen, sei der Fall "zum Glück nicht Alltag, auch nicht Alltag der erfahrenen Kripo-Kollegen", sagt ein Polizeisprecher.

Die Bürger der rund 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Königsdorf sind dennoch von den Ereignissen "tief erschüttert", weiß auch Bürgermeister Anton Demmel. Trotzdem soll an diesem Dienstag der Faschingsumzug der "Königsdorfer Maschkera" stattfinden. Die Entscheidung hätten sich die Organisatoren nicht leicht gemacht, betonen Demmel und der Maschkera-Vorsitzende Hans Köglsperger. Es habe gute Argumente sowohl dafür gegeben, den Zug abzusagen als auch dafür, ihn wie geplant abzuhalten.

Die Arbeiten für den Aufbau wurden am Montag bis zur Pressekonferenz in Weilheim unterbrochen, um den letzten Stand der Ermittlungen berücksichtigen zu können. In der anschließenden Besprechung hätten letztlich unter anderem das Engagement der Teilnehmer und der offene Ermittlungsstand den Ausschlag gegeben.

Auch der Weihnachtsmarkt in Berlin sei nach dem Attentat wiedereröffnet worden. "Wir bitten insbesondere bei den Personen um Verständnis, die bei dieser Abwägung gegebenenfalls eine andere Entscheidung getroffen hätten", erklären Demmel und Köglsperger gemeinsam. Und: Gemeinde wie Veranstalter hoffen auf die Eigenverantwortung der Zugteilnehmer und der Bevölkerung. Was damit genau gemeint ist, bleibt offen. "Mehr will ich dazu nicht sagen", sagt Köglsperger auf Nachfrage. Die Mitwirkenden aus dem Ortsteil Höfen und den umliegenden Weilern entscheiden eigenständig, ob sie am Dienstag am Zug teilnehmen.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Doppelmord in Oberbayern
:Überlebendes Opfer von Königsdorf wurde schwer misshandelt

Die 76-Jährige schwebt nach dem Doppelmord in ihrem Haus nicht mehr in Lebensgefahr. "Die physischen und psychischen Belastungen, denen sie ausgesetzt war, waren enorm", berichtet die Polizei.

Von Claudia Koestler und Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK