Prozess:Anwalt beißt seinen Mieter

Lesezeit: 2 min

Im Streit über einen Müllhaufen hat ein Jurist die Zähne nicht nur gezeigt. Doch das Amtsgericht spricht ihn frei.

Von Pia Ratzesberger, Wolfratshausen

Der Anwalt hat seinem Gegner in die Hand gebissen, das will er gar nicht abstreiten. Im Sitzungssaal 1 des Amtsgerichts Wolfratshausen verteidigt der Mann aus dem Landkreis normalerweise Mandanten, heute ist er selbst angeklagt. Vorsätzliche Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, im Streit soll er einem seiner Mieter den Finger gebrochen haben. Der Richter wird ihn am Ende der Verhandlung freisprechen, unter anderem weil nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt habe. Doch der Richter wird auch sagen, dass "nur schwer festzustellen ist, was sich ereignet hat". Sicher ist: Angefangen hat alles mit einem Haufen Müll.

Der lag bei einer der Mieterinnen des Anwalts Ende April vor der Haustür in Geretsried. Alte Pizzakartons und Scherben, schildert der Angeklagte. Die Frau habe ihn zu Hilfe gerufen, denn sie habe schon geahnt, dass der Müll von einem ihrer Nachbarn abgeladen wurde: Weil die Mülltonnen sonst immer vor ihrer Wohnung standen und sich die Frau von dem Geruch gestört fühlte, hatte sie die Mülltonnen in Absprache mit dem Vermieter auf ihre Terrasse gestellt - vor allem zum Unmut eines jungen Mieters, mit dem sich der Anwalt in der Vergangenheit ohnehin schon öfter überworfen hatte.

Aus Ärger klaubte der Jurist den Müll also zusammen und warf ihn dem jungen Mann vor die Tür. Just in diesem Moment kam der mit seinem Vater vom Essen zurück. "Mein Sohn hat sich daran gemacht, den Dreck wegzuräumen, und ich habe mir den Anwalt vorgeknöpft", sagt der Vater im Gerichtssaal, nervös tippen seine Füße unter der Zeugenbank auf und ab. Er und sein Sohn sind wegen der Schlägerei mit dem Anwalt Ende September bereits verurteilt worden - der Ältere zu einer Geldstrafe in Höhe von mehr als 3000 Euro, der Jüngere zu Sozialdienst.

"Der Anwalt ist für mich nämlich nur ein Watschnbub"

Unstrittig ist, dass es eine Rangelei zwischen dem Vater und dem Juristen gab und der Sohn schließlich eingriff, den Anwalt von hinten packte und versuchte, ihn wegzuzerren. Dabei griff er mit der einen Hand auf den Mund des Juristen, der sich wehrte, indem er seine Zähne in die Haut stieß. Der Sohn behauptet, mit der anderen Hand habe der Anwalt ihm den kleinen Finger gebrochen - der aber verneint das, keiner der Zeugen hat das Geschehen genau genug gesehen, um die eine oder die andere Version bestätigen zu können.

Der Vater hatte mit dem ersten Schlag gedroht, das berichtet er selbst: "Ich habe dem Angeklagten gesagt, er soll die Mülltonnen wieder zurückstellen, sonst klatsche ich ihm eine." Weil der Anwalt ihm zufolge entgegnet haben soll, "dann mach doch", habe er ihm mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen - nicht aber mit der Faust, wie es der Angeklagte zuvor geschildert hatte. "Die Watschn war für mich ein gutes Zeichen", sagt der Vater vor Gericht. "Der Anwalt ist für mich nämlich nur ein Watschnbub." Ohnehin seien die anschließenden, vermeintlichen Faustschläge des Anwalts so "tollpatschig" gewesen, er hätte da stundenlang stehen können, sagt der Vater.

Weil er mit dem ersten Schlag die Rangelei begonnen hatte und der Jurist sich schließlich gegen zwei Angreifer wehren musste, spricht das Gericht den Anwalt vom Vorwurf der Körperverletzung zwar frei. Doch eines kann sich der Richter bei der Urteilssprechung trotzdem nicht verkneifen: "Schalten Sie beim nächsten Mal doch bitte Ihr Gehirn an." Von einem Rechtsanwalt erwarte er das.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: