Neue Ausstellung in Eurasburg:Kommune im Kloster

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Was verbindet die Augustiner Chorherren mit einer 68er-Gemeinschaft? Diese Frage wirft die neue Schau in Beuerberg auf. Auf unterhaltsame und informative Weise nähert sich der Besucher den Mönchen, die das Stift vor 900 Jahren gegründet haben.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Ein gewisses Maß an Spielfreude darf der Besucher den Ausstellungsmachern der aktuellen Schau in Kloster Beuerberg durchaus unterstellen. An einer Hör- und Videostation in einem der ersten Räume ist Einiges über die berühmte Kommune 1 aus 1968er-Zeiten zu erfahren. Doch durch die Tür blinzelt Augustinus dem erstaunten Besucher zu. Der Kontrast zeigt den Spannungsbogen und die thematische Klammer der neuen Ausstellung auf, die am Pfingstwochenende eröffnet wird. Der eine war Ideengeber der Augustiner-Chorherren-Stifte, in denen sich die Mönche des Mittelalters nach einem Regelwerk zu Gemeinschaften zusammenfanden - genauso wie ihre Pendants in den 1960er-Jahren. Der Titel, den das Team um Christoph Kürzeder, Direktor des Freisinger Diözesanmuseums, gewählt hat, lautet: "Kommune 1121 - Visionen eines anderen Lebens".

Kernthema sollen heuer nämlich die Augustiner Chorherren sein, die das Kloster Beuerberg vor genau 900 Jahren gegründet haben. Ritter der Iringsburg (Eurasburg) hatten den Bau gestiftet. Die dazugehörige Genehmigungsurkunde von Papst Calixtus II. vom 30. März 1121 ist als Faksimile in der Ausstellung zu sehen und für die Besucher auch nachzuhören.

Zwischen einem Orden und einer 68er-Kommune mögen die Motive zur Gemeinschaftsbildung divergieren. Der grundlegende Gedanke, dass Individuen miteinander das Leben teilten und diskutierten, sei jedoch der gleiche, betont Kürzeder. Das stärker ausgeprägte hierarchische Ordensregelwerk erkläre womöglich, warum die Augustiner Chorherren ihre Gemeinschaft länger - nämlich jahrhundertelang bis zur staatlich verordneten Auflösung im Säkularisationsjahr 1803 - aufrechterhalten hätten. Wer schon einmal in einer Wohngemeinschaft über Putzpläne debattiert hat, kann die Vorteile einer solch strengen Ordnung auf Anhieb erkennen.

Im ausgehenden 11. und 12. Jahrhundert entstand ein breites Netz von Klosterneugründungen der Augustiner Chorherren besonders im Süden Deutschlands. Wie und warum kam es dazu? Dies arbeitet die Schau heraus. Die Eliten aus Adel und Klerus reagierten demnach auf eine Gesellschaft im Umbruch. Innovationen wie die Drei-Felder-Wirtschaft oder der Pflug ließen die Bevölkerung und die Bedeutung der Bauern zunehmen. In den wachsenden Städten bildete sich ein wohlhabendes Bürgertum, das tradierte Herrschaftsansprüche zunehmend infrage stellte. Zudem hatte der jahrzehntelange Investiturstreit um das oberste Machtmonopol zwischen Papst- und Kaisertum die Bevölkerung verunsichert. Vor diesem Hintergrund kam den Klostergründungen laut Kürzeder zweierlei Bedeutung zu. Zum einen sollten sie die Herrschaftsverhältnisse stabilisieren helfen, zum anderen echte Reformen anstoßen und Überliefertes an neue Zeiten anpassen. "Frömmigkeit und politisches Kalkül kommen zusammen."

Wie stark das Beuerberger Kloster unter den Augustiner Chorherren sein Einflussgebiet religiös, kulturell und wirtschaftlich geprägt hat, lässt sich in der Ausstellung gut nachvollziehen. In den Pfarreien der Umgebung wirkten die Chorherren als Seelsorger. Sie betrieben eine Elementarschule, womit sie zur Bildung der Bevölkerung unmittelbar beitrugen. Dieses Bildungsfundament eröffnete etwa dem Herrnhauser Bauernsohn Kaspar Urban (1773-1858) die Möglichkeit, Karriere zu machen und es bis zum Bamberger Erzbischof zu bringen. Sein aus dieser Zeit erhaltenes Biedermeiermobiliar vom Sekretär bis zum Kanapee ist in der Ausstellung zu sehen.

In einem ins Ensemble integrierten Fernseher läuft eine Szene aus den deutschen Sissi-Filmen der 1950er-Jahre mit Romy Schneider und Karl-Heinz Böhm. Warum? Die bayerische Prinzessin und spätere österreichische Erzherzogin Sophie Friederike und Kaspar Urban, der einst ihr Religionslehrer am Hof gewesen war, schrieben sich regelmäßig. In erhaltenen Briefen berichtet sie etwa davon, wie sich ihr Sohn und spätere Kaiser Franz Joseph I. und seine Frau Elisabeth verlobten, oder schildert die Geburt eines Enkelkinds. "Das ist ganz süß zu lesen, wie Franz Joseph stundenlang die Hand seiner Gattin gehalten hat", sagt Kürzeder.

Gekonnt wechselt die Ausstellung zwischen spielerischen und informativen Elementen. Zu sehen sind Instrumente, mit deren Hilfe Beuerberg und mehr als 30 weitere Klöster im 18. Jahrhundert täglich Wetterbeobachtungen an die 1781 gegründete Akademie der Wissenschaften meldeten. Zum Chorherren-Kloster gehörte selbstverständlich auch eine laut Kürzeder durchaus respektable Bibliothek. Außerdem hatten die Mönche die niedere Gerichtsbarkeit inne. Sie beglaubigten beispielsweise Testamente und Kaufbriefe und konnten so das soziale Leben der Umgebung regulieren. Über die Bauern der Umgebung übten sie die Grundherrschaft aus.

Im Kloster lebten wohl meist um die zwölf bis vierzehn Chorherren zusammen. Ein wesentlicher Aspekt zur Gemeinschaftsbildung waren Theateraufführungen. Selbst Stücke in Mundart sind noch erhalten.

Wie wollen Gesellschaften generell zusammenleben? Das ist die Kernfrage der Schau. Die Organisatoren stellen Bezüge zu anderen Gemeinschaften her, etwa den nach dem asketischen Prinzip des Franziskus ausgerichteten Ordensgemeinschaften, dem Kibbuz oder auch der Monte Veritá-Gemeinschaft. Beleuchtet wird aber auch eine Kommune im nur wenige Kilometer entfernten Happerg in der Zeit um 1970. In einer alleinstehenden Villa probierten sich dort erst die Musiker der deutschen Krautrockband Amon Düül an der berauschenden Wirkung von LSD. Ihnen folgten andere Künstler nach, ehe die Gemeinschaft zerbrach.

Ausstellung Kommune 1121, Kloster Beuerberg, Eröffnung am Samstag, 22. Mai, Mittwoch bis Sonntag sowie an Feiertagen 10 bis 18 Uhr

© SZ vom 20.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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