Musikpädagogik:Zum Runden ein Klangbad

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Die Chorstufe 1b probt mit Chorleiter Emanuel Schmidt das musikalische Herumspuken. (Foto: Hartmut Pöstges)

Anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens veranstaltet die Musikschule Wolfratshausen eine interne Projektwoche. Das vielfältige Angebot soll einen fach- und generationenübergreifenden Austausch und Raum für Experimente bieten.

Von Sophia Coper, Wolfratshausen

Der erste Trommelschlag kommt so plötzlich, dass man vor Schreck kurz die Luft anhält. Laut und donnernd tönt es im Takt aus dem Treppenhaus der Musikschule Wolfratshausen, zart hingegen flutet einsetzende Pianomusik zurück. Auf allen Stockwerken verteilt sitzen Schüler und Schülerinnen an Klavieren und spielen. Doch auf den Pulten liegen keineswegs die gleichen Notenblätter, sondern viele verschiedene. Die sich im Haus vermischenden Töne entstehen spontan und sind als Experiment gedacht — das darf man sich zum Geburtstag schon mal erlauben.

"Die Idee war, Dinge abseits des Unterrichts zu machen, die normalerweise nicht möglich sind", erklärt Manfred Heller die Aktion, die unter dem Namen "Klangbad Klavier" im Programm in seiner Hand steht. Heller ist Leiter der Musikschule Wolfratshausen und das Heft, in dem er eifrig herumblättert, Orientierung für die schulinterne Projektwoche. Anlass ist das 40-jährige Bestehen der Musikschule, an der fast 1000 Schüler und Schülerinnen regelmäßig Angebote wahrnehmen. Fokus des regulären Unterrichts liegt auf Kindern und Jugendlichen im Schulalter, doch auch für Erwachsene und Senioren gibt es Möglichkeiten, sich musikalisch zu versuchen. Ähnlich verhält es sich mit dem Programm der Projektwoche. "Für alle Altersgruppen gibt es mindestens ein Angebot", sagt Heller, "aber besonders schön sind die Momente, wo sich die Generationen vermischen." Erst tags zuvor hätten im großen Saal Kinder musiziert, und die Eltern dazu spontan Polka getanzt: "Das sind Situationen, die niemals so vorkommen."

Projektwoche "Klangbad": Elia spielt die Geige. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die verschachtelten Gänge der Musikschule wirken auf den ersten Blick unbelebt, doch hinter den Türen bietet sich ein anderes Bild. Öffnet man eine Tür, sitzt plötzlich eine kleine Gruppe im Stuhlkreis und lauscht andächtig einem Atem-Workshop. Vor der Tafel steht Leiterin Elisabeth Biermann und erläutert die Bedeutung des richtigen Luftholens. "Qualität vor Quantität", betont sie die Notwendigkeit, nicht nur ein- sondern auch mal auszuatmen. "Aus Angst, die Phrase nicht ausreichend halten zu können, vergessen das viele." Die Besucher und Besucherinnen des Workshops nicken und beteiligen sich rege mit Erfahrungen aus Chorproben oder Trompetenunterricht.

"Egal wo die Kinder stehen, man kann sie überall abholen"

Unten im Saal übt Emanuel Schmidt mit der Chorstufe 1b das Herumspuken. Die Kinder tragen gruselige Masken und rosa Gummistiefel, von der Decke baumeln Luftballons mit Gespenstermuster. Während des Klangbads hatten die kleinen Hexen und Vampire eine kurze Pause eingelegt und waren durch die Stockwerke geschwirrt, um den Klavieren einen Besuch abzustatten, nun sitzt Schmidt aber wieder am Flügel. Während er spielt, läuft die Gruppe um ihn herum und macht eine Art Stopptanz. "Ihr sollt zwar herumspuken, aber trotzdem schön singen", mahnt Schmidt, der das Gewusel gut unter Kontrolle hat. Später sitzen die Kinder in einer Reihe und stimmen das "Moorhexenlied" an, zwischendurch gibt es Lakritz.

Ein paar Treppenstufen wieder nach oben steht Sybille Gerke-Schwarz ebenfalls an einem Klavier, der Deckel ist jetzt aber zugeklappt. Bereits seit 39 Jahren ist Gerke-Schwarz Klavierlehrerin an der Musikschule Wolfratshausen. Spaß mache es ihr immer noch, sagt sie. "Die Herangehensweise an die Musik ist vielschichtiger und ganzheitlicher geworden", berichtet sie. Pädagogische Elemente hätten an Bedeutung gewonnen, der Fokus liege nicht mehr auf stumpfem Üben. Begeistert sei sie ebenfalls von der größeren Vielfalt des Repertoires: "Egal wo die Kinder stehen, man kann sie überall abholen. Für jeden ist etwas dabei." Die unterschiedlichen Charaktere der Menschen spiegeln sich in der Musik und so auch im Klangbad wider, so Gerke-Schwarz. "Heute war es ganz anders als am Montag. Bei unterschiedlichen Menschen kommt immer etwas Neues heraus."

Musikschulleiter Manfred Heller freut sich über das generationenübergreifende Zusammenarbeiten während der Projektwoche. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die 14-jährige Loa war eine Teilnehmerin am Klangbad, die ein etwas anspruchsvolleres Notenblatt vor den Augen hatte. "Wir haben im Vorfeld verschiedene Stücke zum Üben bekommen, bloß die Tonart D-Moll war dieselbe." Seit acht Jahren nimmt Loa Unterricht an der Musikschule Wolfratshausen, von der Projektwoche ist sie begeistert. "Ich finde die vielen unterschiedlichen Aktivitäten richtig toll, die große Auswahl ist unglaublich", sagt sie.

Draußen vor dem Gebäude wartet mittlerweile eine große Gruppe auf den Shuttlebus. Ziel ist eine Klavierwerkstatt in Hohenbrunn. Leiter Manfred Heller, der unentwegt im Haus unterwegs ist und alle Umherlaufenden beim Namen kennt, schaut auch dort kurz vorbei, ob alles wie geplant läuft. Fröhlich steigen Jung und Alt in den Bus, Heller ist zufrieden und weist gleich auf den Bandworkshop im Keller hin. Dort üben Jugendliche, Erwachsene und Senioren zusammen den Song "Son of a Preacher Man". Im Ensemble an den Mikrofonen finden sich Gesichter aus dem vorherigen Atemworkshop wieder. Neben dem Piano sitzt ein kleines Kind und malt. Für Heller war der fach- und generationenübergreifende Austausch ein besonderes Anliegen der Projektwoche: "Normalerweise haben die meisten Einzelunterricht. Die Woche erleben alle gemeinsam."

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