Jagdwesen:Bleifrei im Wald

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Der Umgang mit bleireduzierter Munition muss von Jägern erst einmal geübt werden. Allerdings machen immer mehr Schießstätten zu. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Umstellung auf bleireduzierte Munition ist zwar besser für die Umwelt, birgt aber auch Gefahren für die Schützen und Schützinnen. Nach einem Unfall an einer schwäbischen Schießstätte sehen Fachkundige gravierende Folgen für die Jagd- und Schießsport in Bad Tölz-Wolfratshausen.

Von Sophia Coper, Bad Tölz-Wolfratshausen

Gesellschaftliche Debatten über Fleischkonsum erhitzen regelmäßig die Gemüter, eines haben die meisten Diskutierenden jedoch gemeinsam: Der Kontakt zum Tier beschränkt sich in der Regel auf die Auswahl im Supermarkt. Anders verhält es sich mit den Jägern und Jägerinnen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Rund 1396 Personen sind hier im Besitz eines gültigen Jagdscheins, gejagt werden vor allem Rehwild, Füchse und Stockenten.

Seit Anfang des Jahres gibt es allerdings neue Richtlinien zu beachten. Nach einer unmittelbar geltenden EU-REACH-Verordnung ist die Verwendung von Bleimunition in Feuchtgebieten sowie einer 100 Meter breiten Pufferzone um sie herum verboten. Grundgedanke der Verordnung ist der Schutz von Flora und Fauna, es soll sowohl der Bleigehalt in den Böden reduziert als auch die Gefahr einer möglichen Vergiftung von Tieren gebannt werden.

Als sinnvoll bezeichnet Heinz Repert, Vorsitzender der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen, die Umstellung auf bleireduzierte Munition. (Foto: Hartmut Pöstges/Hartmut Pöstges)

"Blei ist ohne Frage umweltschädlich und die Umstellung daher sinnvoll. Auch ist bleireduzierte Munition mittlerweile so weitgereift, dass man sie verwenden kann", sagt Heinz Repert. Nicht alle Jäger und Jägerinnen seien überzeugt von der Entwicklung, doch große Diskussionen gibt es laut dem Vorsitzenden der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen nicht mehr. "Selbst wer dem Verbot kritisch gegenübersteht, hält es trotzdem ein", betont er.

Reperts akzeptierende Grundhaltung wird jedoch von einem neu entstandenen Problem überschattet. "Da bleireduzierte Munition sich anders schießt als bleihaltige, muss der Umgang mit dieser geübt werden. Leider gibt es weniger Möglichkeiten, seine Schießfertigkeit zu steigern, da immer mehr Schießplätze zumachen. Die Auflagen sind zu hoch geworden", erzählt er.

Ein Großteil der Schießstätten, in denen Jägerinnen und Jäger üben, muss wohl umgebaut werden. Der Grund: Die neue Munition hat ein anderes Ablenkungsverhalten. (Foto: Manfred Neubauer)

"Spätestens ab 2028 wird es keine Bleimunition mehr auf dem Markt geben, das heißt, die Schießstätten müssen notgedrungen auf Weicheisen umsteigen", sagt Dirk Schulte-Frohlinde, Präsident des Bundesverband Schießstätten (BVS). Der BVS fungiert als überregionale Anlaufstelle für Betreiber von Schießstätten, von den rund 200 Mitgliedern kommen laut Schulte-Frohlinde bislang zwar wenige aus Bayern, "doch in letzter Zeit häufen sich die Anfragen", sagt er. Für den Verbandspräsidenten geht die Umstellung mit weitreichenden Konsequenzen einher: "Die neue Munition hat ein anderes Ablenkungsverhalten. Um den neuen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen, muss wohl ein Großteil der Stätten umgebaut werden." Die dafür notwendigen Beträge könnten sich je nach erforderlichen Maßnahmen im sechs- bis siebenstelligen Bereich bewegen, so Schulte-Frohlinde.

20 bleihaltige Patronen (l.) kosten etwa 50 Euro, nahezu bleifreie (r.) hingegen100 Euro. (Foto: Manfred Neubauer)

Trotz übereinstimmend geäußerter Befürchtungen von Vertretern regionaler Jagdkreisgruppen im Landkreis scheint die Problematik nicht in jeder Schießstätte von zentraler Bedeutung zu sein. Von den Königlich-Privilegierten Feuerschützen Wolfratshausen heißt es, dass die Anlage allen Vorgaben entspreche und momentan noch kein Nachbesserungsbedarf gesehen werde. Und auch die Schießstätte GSK-Miesbach, wo viele Jäger und Jägerinnen aus Bad Tölz-Wolfratshausen regelmäßig üben, lässt Ähnliches verlauten.

Ein Blick über die Landkreisgrenzen hinweg vermittelt jedoch den Eindruck, dass der Status quo besser mit Vorsicht gesehen werden sollte. In der bayerischen Gemeinde Amerdingen musste jüngst ein Schießstand des Schießclubs Graf-von-Stauffenberg geschlossen werden. "Die Anlage ist praktisch unverändert und wurde in den letzten Jahren vom Landratsamt und Sachverständigen stets für in Ordnung erachtet", erzählt Vorsitzender Hubertus Haan. "Nun ist jedoch problematisiert worden, dass Unterzüge der Dachkonstruktion Beschuss zeigen, wodurch Geschosssplitter das alte Dach durchschlagen könnten", sagt er. Der beobachte Beschuss sei zwar jahrzehntealt, doch die generellen Regeln und Richtlinien würden von den Sachverständigen nunmehr strenger ausgelegt.

Für Schießsachverständige birgt die bleireduzierte Munition eine Gefahr für den Schützen. Seit einem Unfall 2022 in Sigmarszell werden die Kontrollen schärfer. (Foto: Manfred Neubauer/Manfred Neubauer)

Grund für die verschärften Kontrollen ist ein Unfall an einer Schießanlage im November 2022 im schwäbischen Sigmarszell, wo ein Geschoss im Ganzen zurückkam und eine Person schwer verletzte. "Der Vorfall wird noch ballistisch untersucht, aber wir wissen schon, dass dringend etwas gemacht werden muss", sagt ein hochrangiger Vertreter des Verbandes unabhängiger Schießstandsachverständiger (VuS), der nicht namentlich genannt werden möchte. "Bleireduzierte Munition birgt Gefahren für die Schützen, deswegen sind wir gerade dabei, Hinweise zu formulieren und Warnungen auszusprechen", sagt er. Sie sollen dieser Tage vom VuS veröffentlicht werden.

"Die Jäger stecken in einem Dilemma", sagt Christian Fischer, Referent für Schießwesen beim Bayerischen Jagdverband. (Foto: Manfred Neubauer/Manfred Neubauer)

"Die Jäger stecken in einem Dilemma. Einerseits wird die Forderung gestellt, dass sie üben sollen, anderseits werden ihnen die Möglichkeiten dazu genommen", sagt Christian Fischer. Der Referent für Schießwesen beim Bayerischen Jagdverband (BJV) beobachtet schon länger die Lage der Schießstätten, die zunehmend in Bedrängnis geraten. "Zu den erhöhten Auflagen gesellt sich die mangelnde Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung", sagt er. Fischer erzählt von einer Schießanlage, die einst in einem unbewohnten Gebiet errichtet wurde, das sich jedoch über die Jahre hinweg zu einem Wohnviertel entwickelte — und zugezogene Anwohner vor Gericht klagten, dass die Lärmbelästigung zu hoch sei.

"Es muss für alle Seiten vertretbar und umsetzbar sein."

Genau wie Dirk Schulte-Frohlinde vom BVS weist Fischer auf den hohen finanziellen Aufwand hin, der mit dem Umbau einer Anlage einhergehe. "Schießstätten sind zum Teil normale wirtschaftliche Betriebe. Für diese ist das nicht so einfach stemmbar." Um den Betreibern zu helfen, ihre Schießanlagen zukunftsfähig zu gestalten, wünscht sich der Referent Unterstützung durch die Politik. "Fördermittel, um die Situation abzufedern, sind mir bislang keine bekannt", sagt er. Er stehe den höheren Anforderungen abwartend und erwartungsvoll gegenüber, doch "es muss für alle Seiten vertretbar und umsetzbar sein", so Fischer.

Für die Jäger und Jägerinnen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat die Umstellung von bleihaltiger auf bleireduzierte Munition demzufolge nicht nur das Schießen an sich, sondern auch die Rahmenbedingungen verändert. Eine genaue Einschätzung der Folgen für die Schießstätten ist 2024 mit der Veröffentlichung der Warnhinweise des VuS zu erwarten. Vereinzelt heißt es aus Fachkreisen, dass auch ein Zurückrudern zu bleihaltiger Munition für möglich gehalten werde. Heinz Repert vom Jagdkreisverband Wolfratshausen sieht das skeptisch: "Die Zukunft ist bleifrei, da gibt es gar keine Widersprüche."

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