Kulturförderpreis:"Schon untypisch für ein Madl"

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Ja, sagt Elisabeth Hinterholzer, sie habe schon darüber nachgedacht, die Musik zum Beruf zu machen: "Aber ich wollte nie das Hobby verlieren." (Foto: Hartmut Pöstges)

Die 26-jährige Elisabeth Hinterholzer spielt Tenorhorn und leitet die Holzhauser Musikkapelle - ehrenamtlich, aber wie ein Profi.

Von Paul Schäufele, Münsing

Elisabeth Hinterholzer weiß, was eine Kapelle will. Eine Kapelle will Musik machen und nicht bei langen Erklärungen zuhören. Vielleicht liegt darin das Erfolgsgeheimnis der jungen Dirigentin, die seit 2019 die Holzhauser Musikkapelle leitet. Sie lässt spielen, weil es den Instrumentalisten Spaß macht. Und das ist schließlich die Hauptsache.

Es braucht nur wenige Minuten, diejenigen, die sich an diesem verschneiten Januarabend im Münsinger Probenraum eingefunden haben, in Spiellaune zu bringen. Die erste Probe nach der Winterpause, die Kapelle ist ein wenig aus der Übung. "Noch mal" ist das am häufigsten gebrauchte Wort, zumindest am Anfang, wenn die Kapelle sich an dem choralartigen "Eventide Fall" des Komponisten Alfred Bösendorfer (Pseudonym des Niederländers Kees Vlak) versucht. Elisabeth Hinterholzer verlässt sich auf ihre Bewegungen, jede ist bedeutsam. Nach kurzer Zeit füllt warmer Klang den Raum.

Kaum zu glauben ist, dass auch Hinterholzer das alles nur in ihrer Freizeit macht. Der Schlüssel ist die Ausdauer, mit der sie das Musikantentum pflegt. Denn die heute 26-Jährige hat - nach den üblichen Anfangsversuchen auf der Blockflöte - mit neun angefangen, Tenorhorn zu spielen. "Schon untypisch für ein Madl", sagt die junge Frau mit den lachenden Augen. Aber auch der Opa habe Tenorhorn gespielt, außerdem seien zwei Onkel Mitglieder der Musikkapelle gewesen. So habe sie gewusst, welches Instrument gebraucht wird. "Und mit dem Instrument deckt man halt wahnsinnig viel ab", sagt Hinterholzer mit schön regional gefärbten Vokalen. Ob symphonische Blasmusik, Filmmusik oder Big-Band-Sound, die Ensembles kommen nicht aus ohne Tenorhorn und seine nächsten Verwandten Euphonium und Bariton.

Nur drei Jahre später kann sie mit ihrem Blechblasinstrument in der Holzhauser Musikkapelle anfangen. Die Musik begleitet Elisabeth Hinterholzer. Wenn sie von den Ehrungen erzählt, die sie im Laufe der Jahre erhalten hat, tut sie das im Ton maximaler Beiläufigkeit. So erfährt man, dass sie 2014 das Musikerleistungsabzeichen des Bayerischen Blasmusikverbands in Gold abgelegt hat, quasi parallel zu ihrem Schulabschluss. Von Quartsextakkorden muss man da eine Ahnung haben, etwas von Gehörbildung und Musikgeschichte verstehen und sich am Instrument beweisen. Die Prüfungen finden in Verbindung mit einem vorbereitenden Lehrgang statt, auch für Dirigenten, die dann im Kurs vor einem improvisierten Orchester aus Teilnehmenden der Instrumentalklassen stehen. In so einem Probe-Orchester saß Hinterholzer und dachte sich, dass dieses Dirigieren was für sie sein könnte. "Es schad't ja nix, mal über den Tellerrand hinauszuschnuppern", sagt sie.

Probe mit der Holzhauser Musikkapelle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein halbes Jahr später stand dann sie selbst vor dem Orchester, übte Schlagtechnik und das genaue Zuhören. Der erste Kontakt mit der Ensembleleitung ist noch keine zehn Jahre her, und doch dirigiert Hinterholzer die Musikkapelle Holzhausen mit der Souveränität, die es braucht, um ein Stück wie Stefan Strangers "Weinkeller-Polka" mit Leben zu füllen. Das war nicht immer so. Als sie 2015 das erste Mal die Musikkapelle leitete, sei sie "wahnsinnig nervös" gewesen, sagt sie. Auf der anderen Seite zu stehen, nun vor denen zu agieren, mit denen man das halbe Leben lang musiziert hat. Der "Gedanke, akzeptiert zu werden", habe sie umgetrieben. Dass sie als junge Frau den Taktstock in der Hand hielt, war weniger problematisch, schließlich sei sie als Zwölfjährige mit Tenorhorn auch das einzige Mädchen im Register gewesen. "Aber alle haben mich akzeptiert", sagt sie.

Nun hebt sie erstmals den Taktstock vor ihrer Kapelle. "Das war ein Gefühl, als hätte ich alles verlernt." Es ging dann doch. Spätestens die staatliche Anerkennung als "Geprüfte Leiterin im Laienmusizieren" hat gezeigt, dass sie es kann. 2017 wurde Hinterholzer Stellvertreterin, Ende 2018 schließlich Leiterin der Musikkapelle Holzhausen. Ob sie jemals daran gedacht habe, die Musik zum Beruf zu machen? Hinterholzer, die beim Pharmaunternehmen Roche in Penzberg als Chemikantin arbeitet, überlegt eine Sekunde. "Ja, schon, aber ich wollte nie das Hobby verlieren."

Als Bezirksdirigentin im regionalen Musikverband Isar-Mangfall hat sie allerdings Aufgaben, die weit über das normale Engagement von Laien hinausgehen. Ein Beispiel nennt sie. "Eines hab' ich mir in den Kopf gesetzt: dass es wieder ein Jugendorchester gibt." Und was sich Elisabeth Hinterholzer in den Kopf setzt, passiert auch. Im vergangenen Jahr konnte sie ein Projekt initiieren, das mit einem fulminanten Konzert in Bad Tölz mit Jungmusizierenden aus dem ganzen Bezirk abschloss.

"Schau' mer, dass es nicht zu schwer wird", sagt die junge Dirigentin, als es um die Polka geht. Leichtigkeit ist das Motto nicht nur des Stücks - bei aller Zielstrebigkeit möchte Hinterholzer nicht das Mühelose des Musikkapellen-Spiels verlieren. Auf die Frage, was das Schöne am Spielen in einer Musikkapelle sei, nennt Elisabeth Hinterholzer das "Gemeinschaftsgefühl". Aber etwas anderes spiele auch eine Rolle: "Das kann man ja von klein auf bis ins hohe Alter machen", sagt sie. Vielleicht ahnt Elisabeth Hinterholzer es: Vor ihr liegen Jahrzehnte glücklichen Musizierens.

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