Mitten in Wolfratshausen:Man wird ja noch träumen dürfen

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An der Alten Floßlände am Loisachufer weht ein ungewohnter Hauch von Urbanität. Freilich nur einmal im Jahr.

Von Felicitas Amler

Die muschelförmig überdachte Tribüne am Loisachufer. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zugegeben: Der Vergleich mit dem Opernhaus von Sydney ist ein klein bisschen gewagt. Architektonisch ist das Zelt fürs Flussfestival an der Loisach nicht ganz so extravagant. Aber wir sind ja, was Kunst, Kultur und Architektur angeht, in Wolfratshausen nicht verwöhnt. Immerhin lädt uns seit wenigen Tagen direkt am Fluss ein originelles, muschelförmiges weißes Gebilde zum Träumen ein, das eine fast 400 Plätze bietende Tribüne überdacht. Kaum zu glauben, wie inspirierend so etwas wirken kann. Man flaniert bei einigermaßen gutem Wetter vom Sebastianisteg an der Loisach entlang und findet die Alte Floßlände plötzlich als Festivalgelände vor. Das weckt Hoffnungen und Erwartungen: auf fetzige Musik, freches Kabarett und mitreißende Atmosphäre.

Von hier aus betrachtet strahlt die Wolfratshauser Altstadt noch jenes Flair aus, das man sich für die Innenstadt so sehr wünschen würde. Vor dem satt grünen Hintergrund des Bergwalds spiegeln sich hübsche Fassaden und der Zwiebelturm von Sankt Andreas im Fluss. Ein Ambiente, wie geschaffen für ein Kultur-Festival. Ja, liebe Nachbarstadt: Kann schon sein, dass Wolfratshausen sein Flussfestival heuer nur dem Erfolg des Geretsrieder Kulturherbsts im vergangenen Jahr zu verdanken hat. Da schaute ja mancher neidvoll rüber zu euch, wo von Doldinger über Giebel und Pelzig bis zu Konstantin Wecker die tollsten Künstler auftraten und die Lokalpolitik genauso enthusiastisch war wie das Publikum ("Fantastisch!", schwärmte der Kulturreferent; "toll", die Bürgermeisterin). Kein Zufall, dass Wolfratshausen sich dann ausgerechnet den Geretsrieder Festival-Impresario Günter Wagner geholt hat. Mag schon sein, dass da einige auf die Idee kamen, hier solle etwas schnöde nachgeahmt werden.

Aber ehrlich, Geretsried: Euer grauer Festplatz an der Jahnstraße ist doch mit unserer idyllischen Alten Floßlände überhaupt nicht zu vergleichen! Wir machen eben noch was aus unseren Alleinstellungsmerkmalen: Altstadt, Loisach, oberbayerische Bilderbuch-Atmo und so. Allerdings: Einmal im Jahr muss genügen. Spätestens wenn Muschel, Tribüne, Bühne und das ganze Festival-Drumrum wieder abgebaut sind, hat sich's mit dem urbanen Flair. Dann ist das einzige, was an der Floßlände ins Auge fällt, wieder der spießige Bronze- Flößer. Servus, Sydney! Schade.

© SZ vom 05.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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