Mein Europa:"Mein Horizont war größer"

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Für den Briten Simon Jones ist Globalität die Arbeitsgrundlage.

Von Felicitas Amler

28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union, als vorerst letztes Land kam 2013 Kroatien dazu. Vom 22. bis 25. Mai dürfen gut 507 Millionen Menschen die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu wählen. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten leben auch im Landkreis. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Ein enges, auf eine Nation beschränktes Denken ist dieser Familie fremd. Das zeigt sich schon daran, wie Andrea und Simon Jones ihre Kinder benannt haben. Ein russischer, ein französischer und ein italienischer Name: Jarim, Léon und Francesca. Auch dass Mobilität ein großes Thema ist, wird an den Kindern augenfällig. Jarim ist in Oxford geboren, Léon in Manchester und Francesca in Penzberg - woher ihre Mutter stammt. Nun leben sie alle zusammen seit bald 16 Jahren in Münsing.

Und Simon, nach wie vor Brite ("Warum sollte ich deutsch werden?"), versteht sein Heimatland nicht. "Für mich ist die große Frage: Warum ist Großbritannien anders?" Was er meint? "Anders, weil es dort das Pfund gibt, nicht den Euro. Anders, weil ich immer einen Reisepass haben muss." Etwa ein Dutzend Mal im Jahr sei er beruflich in London. "Und ich muss immer warten." Schlangestehen und den Pass vorzeigen - er schüttelt den Kopf. Großbritannien sei ein Teil von Europa, "und wir nehmen die Teile, die wir brauchen, und lassen die anderen. Ich finde das idiotisch".

Simon Jones, 46, geboren in Moreton-in-Marsh in der Grafschaft Gloucestershire, ist von Berufs wegen Internationalist. Der studierte Journalist (ausgebildet am National Council for the Training of Journalists) arbeitet seit Jahren als Kommunikationsberater für global tätige Unternehmen. Er ist Geschäftsführer für den europäischen Bereich einer PR-Agentur. Alle Kontakte, ob in England, Italien oder Japan, liefen auf Englisch, sagt er. Und ist froh, denn Deutsch findet er schon sehr kompliziert.

Kürzlich hat Jones Post von Michael Grasl bekommen. In einem zweisprachig, deutsch und englisch, verfassten Brief habe ihn der Münsinger Bürgermeister auf die Europa-Wahl hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass er sich anmelden muss, wenn er daran teilnehmen möchte. Ja, sagt Jones, er werde wählen. Er könne dies entweder hier oder in England tun. "Warum soll ich in England wählen?", fragt er. Ohnehin kann er die Aufteilung seines Wahlrechts nicht verstehen. "Ich zahle hier meine Steuern. Ich kann in Münsing kommunal wählen. Warum habe ich für die Bundeswahl keine Stimme?"

Diese Regeln stimmten einfach nicht mehr, meint er. In den vergangenen 25 Jahren habe die Mobilität in Europa so zugenommen, London zum Beispiel sei inzwischen die sechstgrößte französische Stadt, so viele Franzosen lebten dort. Es gebe unbegrenzten Handel. Und er habe als Brite in Deutschland unbefristeten Aufenthalt. "Aber wählen kann ich hier nicht. Hier bin ich ein Zweiter-Klasse-Bürger."

Nach England zurück? Die Frage stellt sich nicht. "Mein Horizont war größer", sagt Jones auf die Frage, warum er seinerzeit mit seiner deutschen Frau und den beiden in England geborenen Kindern weggegangen ist. Es sei ihm ein Job bei einem großen Hi-Tech-Unternehmen in München angeboten worden. Das habe ihm zugesagt: "Mein Ziel war es, auf internationaler Basis zu arbeiten." Und seit er seine Frau Andrea kenne, sei München "immer in meinem Herzen" gewesen. "Es war ein logisches und tolles Ziel."

© SZ vom 14.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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