Mein Europa:Locker geht's leichter

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Der Litauer Martynas Stripinas findet die Deutschen zu verbissen

Von Ingrid Hügenell

28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union, als vorerst letztes Land kam 2013 Kroatien dazu. Vom 22. bis 25. Mai dürfen gut 507 Millionen Menschen die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu wählen. Die Grenzen sind offen, wer will, kann sich in einem anderen Land der EU Wohnung und Arbeit suchen. Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten leben auch im Landkreis. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Seinen Tanzschülern sagt Martynas Stripinas schon mal: "Das ist eure Freizeit, Leute, entspannt euch! Ihr seid hier nicht zum Arbeiten." Der 36-jährige Litauer, Tanzweltmeister von 1999, führt in Penzberg mit seiner Frau Andrea ein Tanzstudio. Die "Mädels und Jungs", die dort Paartanz und HipHop lernen wollen, findet er zuweilen etwas verbissen. Ganz genau und sehr ordentlich seien die Deutschen, auch beim Tanzen. "Wenn sie lockerer wären, wäre manches leichter." Humorlos seien sie nicht, "überhaupt nicht, sie lachen gerne". Nur manche Lebenssituationen nähmen sie zu ernst. Auch privat hat Martynas Stripinas fast ausschließlich mit Deutschen zu tun, es leben kaum Litauer rund um München.

Die deutsche Mentalität sei der litauischen ähnlich, "wir haben gar nichts Russisches an uns", sagt der Tänzer, der sich lieber mit seinem Vornamen Martynas als mit dem Nachnamen Stripinas ansprechen lässt, weil das einfacher sei. Die Einwohner der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sind keine Slawen, die Staaten gehörten aber lange zur Sowjetunion; Litauen war die erste Sowjetrepublik, die ihre Souveränität wiederherstellte und am 11. März 1990 seine Unabhängigkeit erklärte. Stripinas, der in Litauen Tanz und Choreografie studiert hatte, zog 2002 nach Deutschland, er hatte einen Vertrag beim Tanzsportclub Pforzheim. In Augsburg lernte er seine deutsche Frau Andrea kennen. Das Paar wollte ein Tanzstudio eröffnen und informierte sich, wo es keines gab. So kamen sie nach Penzberg.

Inzwischen haben sie zwei Kinder, die nur wenig Litauisch sprechen. "Das ist eine sehr komplizierte Sprache", erklärt Stripinas, der andererseits den deutschen Satzbau eigenartig findet. Jedes zweite Jahr macht die Familie Urlaub in Siauliai, der Heimatstadt Stripinas, das im Landesinneren liegt. Dabei fällt ihm auf, dass sich die Infrastruktur sehr verbessert hat, vor allem durch EU-Mittel. "Da ist sehr viel in den Ausbau des Zug- und Straßennetzes geflossen."

Überhaupt, die europäische Einigung: "Das ist super, sobald es funktioniert und auch die kleineren Länder wirtschaftlich mithalten können. Dann ist es für die großen und die kleinen von Vorteil." Reisen hätten die Litauer nach der Unabhängigkeit auch vor dem EU-Beitritt gekonnt, nach Deutschland brauchten sie kein Visum, aber es habe Zollkontrollen gegeben. Stripinas hofft, dass Litauen zum 1. Januar 2015 den Euro einführt, im Juni solle das entschieden werden. "Es spricht überhaupt nichts dagegen", findet er.

"Unvorstellbar, dass in Europa etwas durch einen Krieg entschieden werden könnte, auch ohne die EU", sagt Stripinas. Er schließt aber das ehemalige Jugoslawien dabei aus, weil Christen und Muslime nicht miteinander könnten. Wählen gehen will er am 25. Mai auf jeden Fall, "natürlich!" Per Brief werde er in Litauen seine Stimme abgeben.

© SZ vom 09.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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