Leserbrief:Wenn das die Pflegenden täten ...

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Der Pflegedienst-Leiter Günter Wagner vergleicht die Lage seiner Branche mit jener der Bauern.

Zu "Bauern-Demo in Bad Heilbrunn" vom 13. Januar und "5500 Traktoren in der Stadt" vom 9. Januar:

Danke, liebe Bauern, dass ihr uns mit eurer Aktion daran erinnert habt, dass es in diesem Land offenbar doch möglich ist, Straßen zu blockieren, ohne einer terroristischen Vereinigung zugeordnet zu werden. Und wurden bei den ganz bösen Klimaklebern noch zahlreiche Notarzteinsätze verhindert und damit Menschenleben gefährdet, habt ihr gezeigt, dass dies bei einer Traktorblockade selbstverständlich nicht passieren kann.

Was ihr aber wie alle in diesem Land wieder mal vergessen habt, sind die ambulanten Pflegedienste, die, obwohl sie kein verbilligtes Benzin bekommen und für alle Kfz die volle Steuer zahlen müssen, trotz eurer Proteste ihre Patienten anfahren müssen und dies teilweise nur über große Umwege konnten, weil eure Traktoren die wichtigen Straßen blockierten. Es weiß natürlich auch wieder keiner, aber wir machen das 24 Stunden an 365 Tagen die Woche. Und das meiste Geld verlieren wir auf der Straße. Denn auf der Straße verdienen wir gar nichts. Das führt mittlerweile dazu, das in NRW 75 Prozent der Pflegedienste glauben, dass sie das Jahr 2024 finanziell nicht überstehen werden.

Aber es wäre natürlich ein Traum, wenn auch wir Pflegedienste mit unseren Kleinkraftwagen, Pflegebetten und Rollatoren blockieren würden. Und wenn der "Hubsi! Hubsi! Hubsi!" auf dem Podium mit einem ausgewaschenen Pflegerkittel gegen "die da oben" wettern würde, denen er seit langem als stellvertretender Ministerpräsident selbst angehört, dann würden ihm die alten Pflegebedürftigen, die ihn längst durchschaut haben, die Wahrheit entgegenschreien, der sich die Politik seit vielen Jahren verschließt: "Wir sind, was ihr bald werdet!"

Wir Pflegekräfte würden wütend werden und dem "Hubsi" klar machen, dass er als Wirtschaftsminister immer irgendwie beteiligt ist, wenn "wir da unten" was zu erdulden haben und dass "im Hier und Jetzt Leben" bestenfalls als Lifestyle Parole taugt, aber keinesfalls als Programm für eine politische Partei. Und wir würden die A 95 nicht mehr frei geben, bis die Bürokratie in der Pflege halbiert ist, die Kassensätze für ambulante Pflege verdoppelt werden und potentielle Arbeitskräfte nicht aus dem Land verwiesen werden, sondern eine Arbeitserlaubnis erhalten. Ja, so wäre das. Man wird ja auch noch träumen dürfen, oder? Günter Wagner, Geretsried

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