Junge Leute im Isarwinkel:Geschützter Erfahrungsraum

Lesezeit: 2 min

Das Pfarrheim St. Jakob an der Lenggrieser Geiersteinstraße beherbergt auch einen Jugendtreff. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Jugendtreff in Lenggries ist seit Corona wichtiger denn je. Denn psychische Auffälligkeiten und die Gewaltbereitschaft unter jungen Menschen nehmen zu.

Von Petra Schneider, Lenggries

Seit fast 19 Jahren leitet Stefan Müller-Laugk den Jugendtreff im Pfarrheim an der Geiersteinstraße. Wie wichtig es ist, dass Jugendliche einen "trockenen Ort" haben, wo sie sich treffen können, Billard und Kicker spielen, Musik hören, chillen, gemeinsam kochen, das habe sich nach den Corona-Jahren noch stärker gezeigt: Denn durch die erzwungene Isolation seien soziale Kompetenzen nicht mehr so ausgeprägt, psychische Auffälligkeiten hätten zugenommen, der Konsum von Cannabis und Alkohol werde "riskanter". Jugendliche wollten sich immer weniger festlegen, etwa wenn es um die regelmäßige Teilnahme in Vereinen gehe.

Umso wichtiger seien offene Angebote, sagte Müller-Laugk. Zusammen mit Verena Thomas, die als pädagogische Ergänzungskraft fünf Stunden pro Woche im Jugendtreff arbeitet, berichteten die beiden kürzlich im Gemeinderat von ihrer Arbeit. Seit der Messerattacke eines Jugendlichen am Lenggrieser Bahnhof vor zwei Jahren, bei der ein Jüngerer lebensgefährlich verletzt worden war, ist man sensibilisiert: Immer wieder wird im Gemeinderat über das Thema Jugendarbeit gesprochen, im Januar hat man beschlossen, die Wochenstundenzahl von Jugendsozialarbeiterin Wiebke Schanzer auf 40 zu verdoppeln. Dass die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen zunimmt, beobachtet auch der Jugendtreffleiter. Ziel seiner Arbeit sei deshalb auch, dass Jugendliche "verbal abrüsten", damit Konflikte nicht eskalieren.

Zu den neuralgischen Punkten, etwa am Bahnhof, "schaue ich schon mal hin", sagte der Sozialpädagoge. Aber regelmäßige Kontrollgänge gehörten nicht zu seinen Aufgaben. Jugendarbeit habe viel mit Vertrauen zu tun, und das gewinne man nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. Lange sei der Jugendtreff in Lenggries eine "Männerdomäne" gewesen, die Besucher zu 90 Prozent Jungs, erklärte Müller-Laugk. "Seit Verena dabei ist, hat sich das geändert." Denn seine Kollegin Verena Thomas biete reine Mädchengruppen an. Themen wie Rollenbilder oder Identitätsfindung gehörten zu ihren Schwerpunkten. In der Hochphase zwischen Oktober und April besuchen laut Müller-Laugk 15 bis 20 Jugendliche ab 12 Jahren regelmäßig den Treff, der dienstags, donnerstags und samstags ab dem späten Nachmittag geöffnet hat. Ein Jugendtreff sei ein wichtiger Bestandteil der sozialen Infrastruktur einer Kommune. Ein Raum, um sich zu treffen, Erfahrungen zu sammeln und sich auszuprobieren.

Es sei auch ein geschützter Raum, mit verlässlichen Ansprechpartnern, die bei Krisen unterstützen. "Jugendliche sollen teilhaben und erleben, dass sie etwas bewirken können", sagte Müller-Laugk. Sie könnten deshalb die Räume im Pfarrheim selbst gestalten, sich im Jugendtreff-Team einbringen, oder sich zum Jugendleiter ausbilden lassen, was heuer sieben Jugendliche gemacht hätten. Auch die Integration von Geflüchteten und "besonderen Jugendlichen" sei ein Thema; anders als 2015 seien Besuche von Geflüchteten nun sehr viel selbstverständlicher als damals. "Das ist ein Erfolg."

Der Lenggrieser Treff ist eine von sechs offenen Jugendeinrichtungen des Erzbischöflichen Jugendamts München und Freising. Finanziert wird das Angebot zu 60 Prozent von der Gemeinde, 25 Prozent zahlt das Jugendamt, zehn Prozent die katholische Kirche, fünf Prozent teilen sich Förderverein und evangelische Kirche. Über die Frage von Markus Ertl (FWG), wie der Jugendtreff barrierefrei zugänglich gemacht werden könnte, wolle man sich Gedanken machen, kündigte der Leiter an. Auch, ob mehr Angebote in den Ferien möglich sind. Eine durchgängige Öffnung sei personell und von der Stundenzahl her nicht möglich, aber wünschenswert. Denn Jugendliche, die in den Sommerferien nicht wegfahren können, "sind genau die, die ein Angebot bräuchten."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: